Stramm auf sozialistischem Kurs: Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht beim Parteitag in Hannover. (Foto: Imago/localpic)
Linkspartei

Sozialistische Fantastereien

Die Linkspartei bleibt geistig in Utopistan: 12 Euro Mindestlohn, 1050 Euro monatliche Unterstützung für alle und extrem hohe Steuern wären das Ende der Leistungsgesellschaft. Rot-Rot-Grün würde Deutschland schwersten Schaden zufügen.

Bei ihrem Parteitag in Hannover hat die Linkspartei ihre Regierungsunfähigkeit unterstrichen. Nein zur Nato, Nein zu deutschen Militäreinsätzen und Truppenstationierung in Osteuropa, Hinwendung zu Putins Russland, Nein zu Russland-Sanktionen, Abschaffung aller Geheimdienste trotz Terrorgefahr, 12 Euro statt bisher 8,84 Euro Mindestlohn, 53 Prozent Mindestrentenniveau ab 65 Jahren sowie 1050 Euro „sanktionsfreie Mindestsicherung“ für alle – so lauten die Ziele für ein sozialistisches Schlaraffenland. Die Sozialreformen der Agenda 2010 wollen die Sozialisten komplett abschaffen, das ALG II („Hartz IV“) mit Sanktionen für arbeitsunwillige Langzeitarbeitslose ebenfalls.

Finanziert werden soll das utopische Umverteilungsparadies mit massiven Steuererhöhungen: Die Linkspartei will den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent anheben, gelten soll der bereits ab einem Jahreseinkommen von 70.000 Euro. Wer mehr als 260.000 Euro im Jahr verdient, soll mit einer zusätzlichen „Reichensteuer“ von 60 Prozent geschröpft werden. Bei einem Einkommen von mehr als einer Million Euro im Jahr sollen 75 Prozent an den Staat fließen. Wer aus dieser Klientel dann noch in Deutschland bleibt, hat vermutlich seinen Pass verloren. Immerhin soll der Grundfreibetrag pro Person von derzeit 8800 Euro auf 12.600 Euro angehoben werden – die einzige vernünftige Forderung der Linkspartei.

Schulz als „Zottelbart“ verspottet

Darüber hinaus sollen Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent jährlich besteuert werden. Das dürfte alle Hauseigentümer in Ballungszentren interessieren, die im Fall der Fälle möglicherweise ihre Häuser verkaufen oder die Mieten massiv erhöhen müssten, um die finanziellen Gelüste des Staates zu befriedigen. Darüber hinaus wäre eine Vermögensteuer mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig, da alle legal erworbenen Vermögen bereits besteuert sind und es sich daher um eine Doppelbesteuerung handeln würde. Dennoch nannte Parteichef Bernd Riexinger die Vermögensteuer als Bedingung für eine rot-rot-grüne Koalition.

Politikwechsel heißt nicht Raute oder Zottelbart.

Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht

Für Rot-Rot-Grün ist die Linkspartei theoretisch weiterhin offen, doch grenzte sich die Linke den ganzen Parteitag über demonstrativ von SPD und Grünen ab. Eine Koalition wäre demnach für SPD und Grüne nur um den Preis der illusorischen sozialistischen Projekte sowie außenpolitischer Isolation von der Nato zu haben. Fast noch schwerer als die utopischen Forderungen wiegt der Hohn und Spott, mit dem die Linkspartei die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Schulz überzog. „So gut wie tot“, nannte der umjubelte Linken-Star Sahra Wagenknecht das SPD-Ziel einer rot-rot-grünen Koalition – und damit Schulzens einzige Chance aufs Kanzleramt. Den SPD-Chef persönlich verhöhnte Wagenknecht als „Zottelbart“, der keine echte Alternative zu Merkels „Raute“ sei: „Politikwechsel heißt nicht Raute oder Zottelbart.“

Harte Linie setzt sich durch

Kanzlerin Angela Merkel „gehört abgewählt“, betonte Wagenknecht. „Wir wollen die Grundrichtung der Politik in diesem Land verändern“. Allerdings gelte das für Merkels gesamte Politik. „Warum wird sie denn so wenig attackiert?“, fragte die Fraktionschefin, „weil die anderen mit im Boot sitzen.“ Die SPD sei unglaubwürdig, Schulz stehe für eine antieuropäische Politik und habe die Hoffnungen auf eine „gerechtere“ Politik enttäuscht. „Wer an Niedriglöhnen, Rentenkürzungen und Hartz IV nichts ändern will, der soll auch aufhören von sozialer Gerechtigkeit zu sprechen.“ Schulzens Absturz in den Umfragen sei die Folge davon, dass „kein normaler Mensch Schulz mehr abnimmt, dass er für einen politischen Wechsel steht“, so Wagenknecht.

Gute Opposition ist immer noch besser als schlechte Regierung.

Sahra Wagenknecht

Keinen Millimeter wich Wagenknecht von ihrer harten Linie ab, keinerlei Kompromissbereitschaft sollte ihre klar linke Botschaft für die Stammwähler trüben. „Wahlen gewinnt man nicht, wenn man dem Mainstream hinterherläuft“, sagte sie in ihrer Grundsatzrede zum Abschluss des Parteitags. „Sondern Wahlen gewinnt man, wenn man klare Positionen hat.“ Und: „Gute Opposition“ sei immer noch besser als „als schlechte Regierung“. Ihr Ziel bei der Bundestagswahl am 24. September bezifferte sie auf zehn Prozent – nach 8,4 Prozent 2013.

Weder regierungswillig noch kompromissbereit

Wagenknecht erhielt von den rund 500 Delegierten in Hannover den mit Abstand stärksten Applaus – wesentlich mehr als die programmatisch und rhetorisch eher gemäßigt auftretenden Rot-Rot-Grün-Befürworter, Altstar Gregor Gysi und Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Beide hatten gewarnt, an der Linkspartei dürfe Rot-Rot-Grün nicht scheitern. Heftigen Streit gab es auf dem Parteitag auch um die Frage, ob die Staatsverträge mit den Kirchen aufgekündigt werden sollen. Die Delegierten stimmten am Samstag zunächst mit knapper Mehrheit dafür. Nach heftigen Protesten wurde der Beschluss am Sonntag aber wieder rückgängig gemacht.

„Die Retro-Truppe um Sahra Wagenknecht kann einfach nicht lassen von der alten Wer-hat-uns-verraten-Leier gegen die Sozialdemokraten“, kommentiert Spiegel-Online den Linken-Parteitag. Und weiter: „Das war ein richtig erfolgreicher Parteitag der Linken. Genauer gesagt: erfolgreich für Angela Merkel. Denn die Linken haben übers Wochenende klargemacht, dass sie weder regierungswillig noch kompromissbereit sind“. Kritik an der Linkspartei kam auch von den potenziellen Koalitionspartnern. Grünen-Chef Cem Özdemir sieht die Chancen für Rot-Rot-Grün nach dem Parteitag dahinschmelzen. „Außenpolitisch bleibt die Linke unzuverlässig. Das ist sehr bedauerlich, weil die Linkspartei so die Chance auf Rot-Rot-Grün mutwillig erschwert“, sagte er der Welt.