Die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei betrifft auch Deutschland. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Türkei

Keine Werbung für Todesstrafe

Kanzlerin Angela Merkel hat betont, dass die Türkei - sollte sie die Todesstrafe wieder einführen wollen - dafür nicht auf deutschem Boden bei ihren Bürgern werben dürfte. Die Türkische Gemeinde in Deutschland sorgte dagegen für Irritationen.

Zwar gebe es noch keine konkreten Anfragen, sagte Merkel im Gespräch mit WDR 5 am Dienstag. Die Frage sei aber „leider, leider so hypothetisch dann auch nicht, denn das Thema ist in der Türkei diskutiert worden“. Es sorge für Klarheit, zu sagen, „dass man für einen Inhalt, den wir absolut ablehnen, wie etwa die Todesstrafe“, auf deutschem Boden keine Erlaubnis gebe.

Wir können keine Beihilfe für den Bruch der Menschenrechte geben.

Volker Kauder, CDU

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte bereits in der vergangenen Woche klargestellt, dass die Bundesregierung in Deutschland ein von Ankara veranlasstes Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei untersagen würde. „Es ist politisch nicht vorstellbar, dass wir einer solchen Abstimmung in Deutschland über eine Maßnahme, die unserem Grundgesetz und europäischen Werten klar widerspricht, zustimmen würden.“ Auch der SPD-Vorsitzende Martin Schulz lehnte ein Referendum unter Türken in Deutschland über die Wiedereinführung der Todesstrafe in ihrer Heimat ab. Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, sagte der Welt am Sonntag: „Eine solche Abstimmung kann es in Deutschland nicht geben. Wir können keine Beihilfe für den Bruch der Menschenrechte geben.“

Widersprüchliche Aussagen der Deutsch-Türken

Wie weit einige Deutsch-Türken von gelungener Integration möglicherweise entfernt sind, zeigte dagegen der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. Er sah zunächst keinen Grund dafür, in Deutschland ein eventuelles Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei zu untersagen. „Nur weil einem die Frage nicht gefällt, kann man ein solches Referendum in Deutschland nicht einfach verbieten. Dies würde zudem dem Grundgesetz widersprechen“, sagte er der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen. Sofuoglo korrigierte später diese Aussage. „Wir sind gegen das Referendum, wir sind gegen die Todesstrafe“, sagte er dann am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Bei seiner ersten Äußerung sei es ihm um die rechtliche Grundlage in Deutschland gegangen, die Abstimmung bei einem solchen Referendum hierzulande verbieten zu können, sagte Sofuoglu der dpa in München. Die politische Aussage reiche nicht. „Wir haben die Bitte an die Bundesregierung, dass sie die Grundlagen für ein solches Verbot schafft.“ Diese sind aus seiner Sicht noch nicht gegeben.

Nur weil einem die Frage nicht gefällt, kann man ein solches Referendum in Deutschland nicht einfach verbieten.

Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Todesstrafe während seiner Zeit als Regierungschef 2004 als Hindernis für einen EU-Beitritt abschaffen lassen. Nach dem Putschversuch vom vergangenen Jahr brachte er mehrfach ihre Wiedereinführung ins Spiel, hierzu regte er ein Referendum an.

Die Rechtsgrundlagen für ein Verbot

Diese nachgeschobene Aussage überzeugt nicht, denn rechtliche Grundlagen gibt es. Schon Regierungssprecher Seibert sagte: „Wenn ein anderer Staat hier in Deutschland in seinen Botschaften oder in seinen Konsulaten Wahlen oder Abstimmungen durchführen will, dann ist das genehmigungspflichtig.“ Es gebe keine völkerrechtliche Pflicht, einem solchen Antrag zuzustimmen. Das heißt, die Bundesregierung kann eine Abstimmung hier in Deutschland untersagen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte erst im April in einem Sachstandsbericht über die „Mitwirkung einer ausländischen konsularischen Vertretung bei Wahlen und Abstimmungen des Entsendestaates“, mit Blick auf das geltende Gesandtschaftsrecht festgestellt, dass die Durchführung von Wahlen und Volksbefragungen „einer generellen Zustimmung durch den Empfangsstaat“, also Deutschland, bedarf. Einen Anspruch auf die Abhaltung von Wahlen im Gastland gebe es nicht – auch, wenn Deutschland Wahlen bisher stets zugelassen habe. Wenn es um „unverbrüchliche verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Rechtsstandards“ gehe, sei sogar eine „Versagungspflicht“ der Bundesregierung – also ein Verbot –denkbar.

Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Artikel 102 Grundgesetz

Artikel 102 des Grundgesetzes ist zudem eindeutig: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Auch Artikel 2 Absatz 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union stellt klar: „Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.“ Und das dreizehnte Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention untersagt in Artikel 1 ebenfalls die Todesstrafe in allen Fällen: „Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.“ Alle drei Vorschriften gelten in Deutschland. Der Bundesgerichtshof urteilte 1995: „Aus humanitären Gründen kann keinem Staat das Recht zustehen, durch diese Sanktion über das Leben seiner Bürger zu verfügen. Vielmehr erfordert es der Primat des absoluten Lebensschutzes, dass eine Rechtsgemeinschaft gerade durch den Verzicht auf die Todesstrafe die Unverletzlichkeit menschlichen Lebens als obersten Wert bekräftigt.“ Weitere Kritikpunkte waren laut dem Urteil mögliche Fehlurteile sowie die menschenunwürdige Haft bis zur Vollstreckung solcher Urteile.

Mehrere EU-Politiker hatten die Türkei gewarnt, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen nach sich ziehen würde.

Türkische Soldaten erhalten Asyl

Wie weit die Türkei mittlerweile von einem Rechtsstaat entfernt ist, zeigten zwei Beispiele aus Deutschland. Zum einen haben mehrere türkische Soldaten und ihre Familien Asyl in Deutschland erhalten. Es handele sich auch um Nato-Soldaten, die vor ihrer Entlassung aus der türkischen Armee in Deutschland stationiert waren. Sie besäßen in der Regel einen Diplomatenpass, heißt es in den Berichten. Entsprechende Medienberichte wurden vom Bundesinnenministerium bestätigt. Neben vielen anderen wurden in der Türkei nach dem angeblichen Putsch auch Tausende Soldaten festgenommen. Ende Januar hatte der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik gefordert, dass Deutschland alle Asylanträge türkischer Offiziere ablehnen solle. Isik zufolge werden die Soldaten beschuldigt, Teil der Gülen-Organisation zu sein, die für den Putschversuch verantwortlich sein soll. Seit dem Putschversuch hätten bis Anfang Mai 414 türkische Soldaten, Diplomaten, Richter und hohe Staatsbeamte (inklusive ihrer Familienangehörigen) in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt, berichteten WDR, NDR und die SZ.

Es gibt kein Recht und keine Pressefreiheit in diesem Land.

Can Dündar, Ex-Chefredakteur der Cumhuriyet

Das zweite Beispiel war der Auftakt der re:publica in Berlin, eine Konferenz rund um das Web 2.0. Dort haben verfolgte Journalisten und Aktivisten die Pressefreiheit in den Mittelpunkt der Internet-Konferenz gestellt. Der türkische Medienmacher und Dokumentarfilmer Can Dündar warb für Solidarität mit inhaftierten Kollegen. Der ehemalige Chefredakteur der Cumhuriyet berichtete von einer Gruppe Kollegen, die seit 190 Tagen in der Türkei im Gefängnis säßen, nur weil sie ihrem Beruf nachgegangen seien. „Es gibt kein Recht und keine Pressefreiheit in diesem Land“, sagte Dündar, der derzeit in Deutschland lebt und arbeitet. Er zeigten zudem Bilder von der Zelle des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Dündar rief dazu auf, auch von Deutschland aus die Betroffenen zu unterstützen – und erntete anhaltenden Applaus. (dpa)