Der Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, Daniel Günther. (Foto: Imago/Eibner)
Landtagswahl

Knappes Rennen an der Küste

Die CDU in Schleswig-Holstein ist nach jüngsten Umfragen an der SPD vorbeigezogen: Die Landtagswahl am 7. Mai wird sehr spannend. CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther macht eine gute Figur und punktet fleißig gegen Amtsinhaber Albig.

Moralisierer gegen Pragmatiker, beliebter Amtsinhaber gegen jungen dynamischen Herausforderer: Das Duell Torsten Albig (SPD) gegen Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein beherrscht den Wahlkampf im zweitkleinsten Bundesland ganz im Norden. Die CDU hat keine schlechten Chancen, wieder die Regierung zu übernehmen. Laut jüngster Umfragen wankt der Amtsinhaber Albig, der sich noch im Herbst als sicherer Sieger fühlte. Die CDU zieht an seiner SPD vorbei und lehrt damit der „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und „Dänenpartei“ SSW das Fürchten.

Kleine Parteien könnten entscheidend sein

32 Prozent für die CDU und 30 Prozent für die SPD hat die „Forschungsgruppe Wahlen“ fürs ZDF ermittelt. „Infratest-dimap“ kam für die ARD auf noch knappere Zahlen: 31 gegen 30. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird diese Wahl vermutlich in jedem Fall – noch vor einigen Wochen hatten die Institute einen Triumph für die SPD prognostiziert. Viel wird vom Wahlkampf-Endspurt und vom Abschneiden der kleineren Parteien abhängen. Denn Grüne und FDP sind mit 12 und knapp 9 Prozent ungewöhnlich stark. Die AfD mit 6 und die Linkspartei mit knapp 5 Prozent könnten ebenfalls in den Landtag einziehen – und dann gibt es ja auch noch den von der Fünfprozenthürde befreiten SSW.

Ich will, dass sich die Menschen in unserem Land sicher fühlen und sich auf den Staat verlassen können.

Daniel Günther, CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein

Die CDU im Norden kommt aus ausgesprochen unruhigem Fahrwasser. Seit dem Rückzug von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen 2010 wechselte der Chefposten im Landesverband gleich fünf mal. Affären und interner Streit sorgten lange für Zwist. Zuletzt gab im Oktober 2016 der damalige CDU-Landeschef Ingbert Liebing wegen schlechter Umfragewerte auf, und der frühere Landesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager Daniel Günther übernahm. Der ist 43 Jahre alt, sieht jünger aus und wirkt ausgesprochen smart und eloquent.

Innere Unsicherheit dank Rot-Grün

Manche Beobachter meinen, das Hauptproblem des verschmitzt und bubenhaft wirkenden Daniel Günther wird sein, ob ihn vor allem die älteren CDU-Stammwähler auf dem Lande bis zum Wahltag ausreichend wahrnehmen. Dabei hat Günther innerparteilich eine starke Stellung: Als Spitzenkandidat ist er gleichzeitig Vorsitzender der Landes-CDU und der Landtagsfraktion. Nach vielen Jahren als Landesgeschäftsführer kennt er den Verband samt Untergliederungen in- und auswendig, auch hat er bereits den erfolgreichen Wahlkampf 2009 mit Peter Harry Carstensen organisiert. Jetzt konzentriert Günther seinen Wahlkampf auf vier Hauptthemen: Bildung, marode Straßen, innere Sicherheit und Kampf gegen Bürokratie.

Wer in Schleswig-Holstein wohnt, wird fünfmal häufiger Opfer eines Einbruchs als in Bayern.

Daniel Günther, CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein

Bei der inneren Sicherheit haben rot-grüne Regierungen grundsätzlich einen schweren Stand – schon wegen ihres ideologisch bedingten Misstrauens gegen Polizei und Staatsschutz. Die neueste Kriminalstatistik ist für Daniel Günther Anlass für scharfe Kritik: „Wer in Schleswig-Holstein wohnt, wird fünfmal häufiger Opfer eines Einbruchs als in Bayern. Die zweitschlechteste Aufklärungsquote in einem Flächenland lockt Einbrecher geradezu an. Das ist das Ergebnis von fünf Jahren rot-grüner Polizeipolitik.“ Im Gespräch mit dem BAYERNKURIER betont er: „Ich will, dass sich die Menschen in unserem Land sicher fühlen und sich auf den Staat verlassen können, wenn sie ihn brauchen. Dafür werden wir unseren Polizisten bei ihrer Arbeit den Rücken stärken und das von SPD und Grünen gesäte Misstrauen gegen unsere Beamten beenden.“

Wie Günther betont, warnt seine CDU schon seit Jahren angesichts der Schließung von Polizeistationen vor dieser Entwicklung. „Rot-Grün warf uns damals unverantwortliche Panikmache vor. Die Realität zeigt jetzt, dass die von SPD und Grünen betriebene Politik unverantwortlich ist“, so Günther. Er kündigt an, nach der Wahl Personal und Haushaltsmittel bei der Polizei und Justiz deutlich aufstocken. „Verbrecher schreckt man durch Polizeipräsenz und hohe Aufklärungsquoten ab“, sagt Günther. So nervös ist die rot-grüne Landesregierung bei der Inneren Sicherheit, dass Innenminister Stefan Studt (SPD) ganz zufällig eine Woche vor der Wahl die bundesweit größte polizeiliche Terrorübung im Großraum Kiel veranstaltete – mit 1500 Polizisten aus acht Ländern, Bundespolizei und Rettungskräften.

Albig ist gegen Abschiebungen

Als erstes Land lehnte Schleswig-Holstein unter Albigs Ägide die Abschiebung von rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbern ab, vor allem Afghanen. Damit unterläuft er die Strategie des Bundes, wonach wenige Abschiebungen die Grundlage für viele freiwillige Ausreisen sind. Sogar das rot-grüne NRW hat dies mittlerweile eingesehen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ging in dieser Frage auf Distanz zu Albig: Die SPD müsse beachten, welche innerstaatlichen Fluchtalternativen es am Hindukusch gebe.

Offensive für Schulen

Sehr wichtig ist für Günther die Bildung. Vor allem Unterrichtsausfall und marode Schulgebäude machen Schülern und Lehrern zu schaffen. Beides ist primäre Bringschuld der Landesregierung und der von ihr abhängigen Kommunen. Auffällig war kürzlich beim Fernsehduell im NDR: Amtsinhaber Albig wusste auf die Frage einer Erstwählerin nach verfallenden Schulgebäuden nur mit der Plattitüde „Wir wissen das sehr wohl, es ist ein langer Weg“ zu antworten und verschleierte seine Verantwortung mit der Phrase, dass „wir als Gesellschaft Fehler gemacht haben“.

Hier punktete Günther mit klaren Aussagen. Zudem will die CDU die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium, die G8-Experimente hält sie für gescheitert. „Die Einführung von G8 war ein Fehler, den wir beheben werden“, sagt Günther zum BAYERNKURIER. „Wir werden endlich das tun, was das Beste für unsere Kinder ist und ihnen wieder mehr Zeit geben. Mehr Zeit für Bildung, mehr Zeit für gesellschaftliches Engagement und mehr Zeit für ihre persönliche Entwicklung.“

Die Straßen bröckeln

In der Infrastruktur klagen Bürger wie Wirtschaft über schlechte Straßen und nicht fertiggebaute Autobahnen. Auch hier will die CDU ansetzen, sagt der Spitzenkandidat: „Es wird Zeit, dass diese Regierung des Stillstands endlich abgelöst wird. In den vergangen fünf Jahren ist kein einziger Kilometer neue Autobahn gebaut worden. Wir werden endlich wieder in unser Land investieren: In Straßen, Schulen, Hochschulen und Krankenhäuser.“ Nicht nur die schläfrige Planung sei ein Problem, sondern auch die ständigen Verzögerungsklagen von Umweltverbänden. Diese will die CDU einschränken, weil sie offensichtlich nur als politisches Kampfinstrument missbraucht würden, meint der CDU-Verkehrspolitiker Hans-Jörn Arp.

Kaum ein Land hat in derart dreister Weise Förderziele ignoriert wie Schleswig-Holstein.

Ingbert Liebing, kommunalpolitischer Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Außerdem dringt die CDU darauf, dass das Geld, das vom Bund für Breitbandausbau und Krankenhaussanierung an den Kommunen überwiesen wird, nicht wieder in der Landeskasse hängen bleibt. „Es ist zum Teil erschütternd, was Landesregierungen mit Geld machen, das der Bundestag ihnen für ganz bestimmte Förderzwecke überweist. Aber kaum ein Land hat in derart dreister Weise Ziele ignoriert, wie Schleswig-Holstein“, bilanziert der frühere CDU-Landesvorsitzende Liebing, der im Bundestag kommunalpolitischer Experte der CDU/CSU-Fraktion ist.

Um den Politikwechsel im Norden herbeizuführen, wäre CDU-Mann Günther ein Bündnis mit der FDP am liebsten: Deren Spitzenmann Wolfgang Kubicki, eloquent, mediengewandt und schlagfertig, hat bereits mit Peter Harry Carstensen regiert. Günther wäre auch bereit zu einem Jamaica-Bündnis nach Art von Peter Müller im Saarland – die Landes-Grünen mit ihren Spitzenleuten Robert Habeck und Monika Heinold stemmen sich mit 12 Prozent dem bundesweiten Abwärtstrend entgegen. Allerdings scheint die ideologische Nähe der Grünen zur SPD größer zu sein. Eine große Koalition ist in Schleswig-Holstein nur der allerletzte Ausweg, da sich CDU und SPD nach vielen – auch persönlich verletzenden – Streitereien in herzlicher Abneigung verbunden sind.

SPD-Geheimwaffe heißt SSW

Doch so zuversichtlich die jüngsten Umfragen die CDU auch stimmen: Die SPD hat noch einige Trümpfe im Ärmel. Einmal ist Ministerpräsident Albig – wie beinah alle Amtsinhaber – beliebt. In einer Direktwahl würden ihn laut dimap 48 Prozent wählen, den CDU-Konkurrenten Günther nur 27 Prozent. Bei den jüngsten Landtagswahlen hat stets die größere Koalitionspartei vom Amtsbonus des Ministerpräsidenten profitieren können. Zudem kann sich Albig auf die Dänenpartei SSW verlassen, die von der Fünfprozenthürde befreit ist und für drei Sitze gut ist.

Jahrzehntelang hatte sich der SSW, obwohl schon immer sozialliberal eingestellt, wegen der wahlrechtlichen Bevorzugung aus der Regierungsbildung herausgehalten. Doch mit dieser Zurückhaltung ist seit 2012 Schluss: Damals war die CDU mit 30,8 Prozent knapp als stärkste Partei aus der Landtagswahl hervorgegangen, nach Sitzen gleichauf mit der SPD (30,4 Prozent). Erst der SSW verhalf Albig zur Mehrheit. Wenn es für die CDU schlecht läuft, kann es wieder so kommen: Wahl gewonnen, aber die Parlamentsmehrheit verloren.