Islamistische Bewegungen wie der IS nutzen auch Deutschland als Basis für ihre Angriffe auf den Westen. (Foto: picture alliance)
Sicherheit

Debatte ohne Denkverbote

Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi sagt: Unkontrollierte Migrationsschübe können zu Gewaltzunahme und Destabilisierung führen. Er fordert, dass die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Sicherheit anerkennen müsse. Tibi plädiert dafür, ehrlich über Zuwanderung zu debattieren - ohne Denkverbote.

Bassam Tibi gilt als Begründer der Islamologie. Er hat an 30 Universitäten auf allen fünf Kontinenten gelehrt und geforscht; er war Professor in Harvard und Cornell. In einem Essay, das in der März-Ausgabe des BAYERNKURIER erschienen ist, beleuchtet Tibi vor allem den Zusammenhang zwischen Migration und Sicherheit.

Dieses Thema erlangt nach zahlreichen Terroranschlägen durch Migranten in Europa sowie nach den Silvestervorfällen 2015/2016 in Köln und vielen anderen Städten gerade wieder Aufmerksamkeit durch den usbekischen Migranten, der als dringend tatverdächtig für den LKW-Anschlag in Stockholm verhaftet wurde. Und in Deutschland ist sich die Polizei sicher, in einem ghanaischen Flüchtling den brutalen Vergewaltiger einer Frau, die mit ihrem Freund am Rhein bei Bonn campte, gefunden zu haben.

Gesinnungsethik kontra Realität

„Die Haltung, wonach Flüchtlinge edle und makellose Menschen seien, die zu uns in Not kommen, mag eine Gesinnungsethik zum Ausdruck bringen, sie steht aber sowohl im Widerspruch zur Realität einer steigenden Kriminalität und religiösen Radikalisierung als auch zur internationalen Forschung der „Migration and Security Studies“, schreibt Tibi. Der Politikwissenschaftler analysiert und zitiert verschiedene Abhandlungen und Studien, darunter das Standardwerk The Global Migration Crisis von Myron Weiner.

Bei einer weiteren Einhaltung von Tabus kann keine Diskussion über die Probleme, die mit der Zuwanderung aus der Welt des Islam sowie mit der Integration zusammenhängen, rational geführt werden.

Bassam Tibi

Um der sicherheitspolitischen Herausforderung gerecht zu werden, müsse man zwei Tabus brechen: Zum einen in der Verbindung von Sicherheit und Migration, „gerade hinsichtlich Islam und Islamismus“. Zum anderen müsse man eine Verbindung zwischen illegaler Migration und Sicherheitsrisiken im wissenschaftlichen Verständnis herstellen.

Gesellschaft aus den Fugen

Tibi ruft dazu auf, über Deutschland hinauszublicken, um zu erkennen, welchen Rang die Sicherheits-Problematik in der Migrationsforschung hat. Myron Weiner habe pionierhaft Probleme benannt. Vorrangig stehe die Erkenntnis: Ein umfangreicher und unkontrollierbarer Zustrom von Flüchtlingen, die als „unwanted migrants” einzustufen sind, kann nicht nur die Wirtschaft belasten, sondern auch das ethnische Gleichgewicht einer Gesellschaft aus den Fugen geraten lassen und interne Gewalt hervorrufen.

„Rechte Schmuddelecke“

„Einwanderung beeinflusst die Stabilität und die Sicherheit eines Landes”, zitiert Tibi Weiner. „Diese vor vielen Jahren geschriebenen Worte treffen voll und ganz auf die aktuelle Situation in Deutschland seit 2015 zu. Wer allerdings in Deutschland so redet wie Myron Weiner, der im Übrigen jüdische Wurzeln hat, der riskiert nicht nur den Vorwurf des Populismus, sondern auch, in die „rechte Schmuddelecke“ verwiesen zu werden.“

Selbst Muslim, aber auch Wissenschaftler, erkenne ich, dass islamische Werte im diametralen Widerspruch zu den Werten des Grundgesetzes stehen.

Bassam Tibi

Tibi kritisiert die in Deutschland üblichen Phrasen „Kein Generalverdacht“, „Das sind Einzelfälle“ und „Das hat mit dem Islam nichts zu tun“ als „aus der Sicht der Security Studies“ falsch.

Vier Bedrohungen

Die internationale Forschung kennt vier Bedrohungen, die von „unerwünschten Migranten“ ausgehen, schlüsselt Tibi auf:

  1. Missbrauch der Aufnahmegesellschaft als Basis für Opposition gegen „home regimes“ (die Regierungen im Herkunftsland). Tibi führt folgendes Beispiel aus seiner Forschung an: Islamistische Bewegungen, die in ihren eigenen Ländern verfolgt werden, kämpfen von Deutschland aus für einen Scharia-Staat, den sie in ihren Ländern errichten wollen; sie missbrauchen Europa für ihre Logistik auf allen Ebenen.
  2. Eine Gegnerschaft zum host country (Gastland), etwa durch antiwestliche Islamisten in Europa. Islamisten nehmen das europäische Asylrecht in Anspruch, verachten jedoch die Europäer als „Ungläubige“.
  3. Eine Bedrohung der kulturellen Identität. Tibi kommentiert: „In Deutschland ist dieses Thema tatsächlich tabu und wer dieses Tabu bricht, gilt als ‚identitär‘ und somit ‚rechtsradikal‘ und wird geächtet.“
  4. Soziale und wirtschaftliche Kosten, das heißt die Belastungen für den Sozialstaat (die Flüchtlinge kosten Deutschland jährlich etwa 30 Milliarden Euro).

Tibis Fazit

Das Fazit, das Tibi unter seinen ausführlichem Essay zieht, lautet: „Die Bundesrepublik setzt als Staat und Gesellschaft die Stabilität ihrer politischen Ordnung sowie den inneren Frieden aufs Spiel, wenn sich die Bundesregierung weiterhin weigert, den Zusammenhang zwischen Migration und Sicherheit anzuerkennen.“

Bassam Tibis ausführlichen Essay

lesen Sie in der März-Ausgabe des BAYERNKURIER. Sollten Sie noch kein Abonnent sein, können Sie hier ein kostenloses Probeheft bestellen. Bassam Tibis jüngstes Buch ist „Die islamische Zuwanderung und ihre Folgen. Wer sind die ,neuen Deutschen‘?“ (ibidem-Verlag, 2017).