Mit der Geschwindigkeit einer Raupe: Die grüne Vorstellung von Mobilität. (Foto: Imago/blickwinkel)
Grüne

Entschleunigte Zukunft?

Kommentar Die Grünen wollen Dieselmotoren, ja sogar alle Verbrennungsmotoren verbieten. Gleichzeitig sprechen sie sich gegen die Zweite Stammstrecke der S-Bahn in München aus. Diese Totalverweigerung lässt nur einen Schluss zu.

Wenn man die Verbotsliste der Grünen – neueste Auflage – anschaut, fragt man sich unwillkürlich, was eigentlich überhaupt noch erlaubt sein soll und wie die Zukunft im grünen Wolkenkuckucksheim ausschauen soll. Dieselverbot, gar komplettes Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030, an solche Spinnereien hat sich das Publikum gewöhnt: Denn obwohl ein nicht kleiner Teil der grünen Anhängerschaft aus Nobelvierteln gern samstags mit dem Porsche Cayenne zum Biohof-Direktvermarkter fährt und sich dabei für moralisch erhaben hält, ist doch bekannt, dass es die Grünen ideologisch eigentlich nicht so mit dem Auto haben.

Immerhin konnte man sich jahrzehntelang darauf verlassen, dass die Grünen die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene befürworten. Doch auch das darf man spätestens seit „Stuttgart 21“ bezweifeln. Nun sprechen sich die bayerischen Grünen auch noch gegen die zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn aus. Zur Erinnerung: Gerade die bisherige Stammstrecke ist massiv überlastet, im Münchner Zentrum fahren zu Stoßzeiten auf Europas angeblich meistbefahrener Bahnstrecke die Züge im Zweiminuten- bis Minutentakt. Und die Region München soll laut verschiedener Prognosen in den nächsten 20 Jahren um bis zu 250.000 Menschen wachsen.

Statt S-Bahn lieber Beamen?

Die grünen Alternativvorschläge – Ertüchtigung der S-Bahn-Außenäste und ein Südring über den Kolumbusplatz – bringen für den Durchgangsverkehr im Zentrum Münchens keine Entlastung. Die vielen Zehntausend Arbeitnehmer in der bundesweiten Pendler- und Stauhauptstadt müssen morgens von einem Ende der Stadt zum anderen und abends wieder zurück. Die Verbindungen müssen schnell und direkt sein, zusätzliches Umsteigen behindert nur, für Arbeitnehmer ist die Fahrtzeit aus familiären und beruflichen Gründen wichtig. Nicht zu vergessen, dass eine Störung auf der Stammstrecke alle Linien lahmlegt, die Störung auf einem Außenast dagegen nur eine Linie.

Wie also soll künftig das vieltausendköpfige Heer der Pendler in die Arbeit und nach Hause kommen, wenn das Auto sowieso verschmäht ist und nun auch die S-Bahn durch das Zentrum nicht zweiastig ausgebaut werden darf? Mit E-Bike-Schnellstraßen oder Nordic-Walking-Highways? Beam-Stationen á la Raumschiff Enterprise? Man bedenke: Die Pendler müssen sommers wie winters teilweise über 50, 60, 80 Kilometer transportiert werden, schnell, sicher und zuverlässig.

Man darf getrost den Verdacht äußern, dass den Grünen diese Fragen – wie auch die praktischen Sorgen der Pendler allgemein – im Grunde egal sind. Wirtschaftspolitische Grunderfordernisse wie Energiesicherheit und leistungsfähige Verkehrswege waren für die Grünen schon immer vermintes Terrain: Jute statt Plastik, der Strom kommt aus der Steckdose und Deutschland als deindustrialisierte Schafweide – das alles klang nur für die Grünen überzeugend. Entschleunigung ist für die Grünen das Zauberwort, für den Rest der Welt ein Hirngespinst.

Grüne Spießer brauchen keinen Fortschritt

Die Grünen in Bayern stützen sich zu einem erheblichen Teil auf eine materiell saturierte Wählerschaft. Diese Menschen müssen in der Regel nicht unter großem Zeitdruck täglich quer durch Großstädte wie München hetzen, um damit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Solche Grünen-Anhänger stehen dem Wirtschaftswachstum und dem Fortschritt im Prinzip skeptisch gegenüber, weil sie materiell nichts mehr erreichen müssen. Sie wollen keine Veränderung und verteidigen lieber ihren Status Quo. „Öko-Spießer mit Wellness-Image“, diesen Titel haben sie sich verdient.

Aber dieser ideologische Rückzug ins grüne Utopistan wird unser Land nicht nur Arbeitsplätze kosten. Er wird unsere Zukunft kosten.