Gesprächsbedarf und lange Gesichter in Düsseldorf: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit ihrem Finanzminister Norbert Walter-Borjans. (Bild: Imago/Deutzmann/Eibner-Pressefoto)
1. April

Der Bund übernimmt Nordrhein-Westfalen

Die Bundesregierung hat beschlossen, das Land Nordrhein-Westfalen unter Bundesverwaltung zu stellen, um endlich die Verschuldung des Landes durch eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Griff zu bekommen.

Die Mammutaufgabe wurde einer Troika aus Vertretern der Bundesregierung, der Bundesbank und des Internationalen Währungsfonds IWF übertragen. Das Bundesland Bayern, das bereits Mitte 2014 eine solche innerdeutsche Finanzaufsicht gefordert hatte, will ebenfalls an der Gruppe beteiligt werden. „Bayern ist mit Abstand größter Zahler im Länderfinanzausgleich, da würden wir schon gerne wissen, was mit dem Geld unserer Steuerzahler im Land an Rhein und Ruhr passiert“, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder. „Und schließlich stellen wir mit Gerd Müller auch den Bundesentwicklungsminister.“

Gestützt wird die Übernahme auf die Artikel 20a, 31 und 37 Grundgesetz, nach dem der Staat „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“ schützt und der Bund die notwendigen Maßnahmen treffen kann, um ein Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten, wenn es die ihm nach einem Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt.

Die „Schuldenkönigin“ ausgewählt

Wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mitteilte, habe man Nordrhein-Westfalen ausgewählt, weil es Ende 2016 im Gesamtschuldenstand inklusive aller Wertpapierschulden, Kassenkredite und Kredite mit rund 180 Milliarden Euro weit vor dem zweitgrößten Schuldenland Niedersachsen (rund 60 Milliarden Euro) lag, wie das Bundesstatistikamt errechnet hat. Hinzu kämen noch einmal rund 62 Milliarden Euro Schulden bei den NRW-Kommunen laut den Zahlen bis Ende 2015. „Ich bin zwar Franke, komme bekanntlich aber aus Bayern, da heißen die Berge Alpen. In Nordrhein-Westfalen heißen sie Schulden“, bilanzierte Söder diese im wahrsten Sinne des Wortes tiefroten Zahlen.

Ich bin zwar Franke, komme bekanntlich aber aus Bayern, da heißen die Berge Alpen. In Nordrhein-Westfalen heißen sie Schulden.

Markus Söder, Bayerns Finanzminister

Schäuble erinnerte daran, dass von der rot-grünen Landesregierung nicht wie gefordert ein geeignetes Konzept zur Sanierung des Landes vorgelegt wurde. Das von NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) dazu eingereichte einseitige Papier habe nur die Forderung enthalten, dass wie immer der Bund und Bayern die NRW-Schulden übernehmen sollten. Auf die Frage Schäubles, ob Nordrhein-Westfalen seine Schulden nicht selbst zurückzahlen wolle, habe Walter-Borjans entgegnet: „Wie soll ich denn etwas zurückzahlen, wenn mir niemand mehr was leiht oder schenkt?“

Seit 1966 stelle die SPD mit einer Ausnahme den Ministerpräsidenten in NRW, daher sei auch künftig keine Besserung zu erwarten, erklärte Schäuble. Selbst wenn das Land aber ab sofort keine neuen Schulden mehr machen würde und ein Prozent der Steuereinnahmen für Sondertilgungen einsetzte, könne es sich erst im Jahr 2359 als schuldenfrei bezeichnen – rund 300 Jahre nach Bayern. Das habe der Landesverband des Bundes der Steuerzahler vorgerechnet. Darum habe man hier eingegriffen, betonte der Minister.

Hopfen und Malz verloren

Berlin, das mit rund 58 Milliarden Euro drittgrößte Schuldenland, habe man deshalb nicht zur Sanierung ausgewählt, weil dort ohnehin „Hopfen und Malz verloren“ sei, wie Schäuble in der Pressekonferenz in Berlin mitteilte. „Das würde wirklich alle Kräfte übersteigen. Und glauben Sie im Ernst, dass eine rot-rot-grüne Landesregierung zu einer finanziellen Gesundung eines Haushalts beitragen kann? Eher loben die Grünen mal die Polizei“, so der Minister weiter.

Die Troika übernimmt

Im Zuge der laufenden Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen und angesichts der ab 2020 einzuhaltenden Schuldenbremse werde man nun den Sanierungsversuch mit Nordrhein-Westfalen starten. Die Troika soll dabei nicht nur die Ministerien für Finanzen und Wirtschaft verwalten, sondern auch Staatseigentum in großem Umfang privatisieren. Angedacht wurde dafür etwa die Stadt Bielefeld, da diese nach einer Internet-Verschwörungstheorie sowieso nicht existiert und daher von niemand vermisst würde.

Jeder Spaß hat seine Grenzen.

Jens Weidmann, Bundesbankchef

Die Bundesmission hat weitreichende Kompetenzen, sie kann sogar den Austritt Nordrhein-Westfalens aus der Eurozone beschließen und eine andere Währung, zum Beispiel den Kohlepfennig, einführen. Die vielen Sparmaßnahmen dürften nicht populär sein: So wird unter anderem der Karneval auf einen Tag verkürzt. „Jeder Spaß hat seine Grenzen“, sagte dazu Bundesbankchef Jens Weidmann. Vom Tisch ist immerhin die Idee einer Städtefusion von Köln und Düsseldorf, um Verwaltungskosten einzusparen. Man habe Angst vor einem Bürgerkrieg gehabt, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Kraft will nicht kooperieren

Die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich erwartungsgemäß wenig begeistert von dem Beschluss. „Unsere Regierung weigert sich, mit der Troika zu kooperieren“, sagte Finanzminister Walter-Borjans. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte: „Man sollte das mit den Schulden alles nicht so eng sehen. Wir tun das schließlich auch nicht!“ Innenminister Ralf Jäger (SPD), dessen Ressort gar nicht betroffen ist, sagte: „Ich war es nicht, ich weiß von nichts, und wenn was war, dann waren Andere schuld.“

Man sollte das mit den Schulden alles nicht so eng sehen. Wir tun das schließlich auch nicht!

Hannelore Kraft, NRW-Ministerpräsidentin

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich umgehend solidarisch mit NRW erklärt. „Ich weiß, wie es ist, wenn die finanz- und wirtschaftspolitische Traumwelt, die man sich geschaffen hat, von einer Aufsicht infrage gestellt wird, die unnötigerweise mit Fakten daherkommt“, so der linke Regierungschef. Er werde zu einem Staatsbesuch nach Düsseldorf kommen und gemeinsam mit der SPD gegen diese Ungerechtigkeit protestieren.

Kommunen wollen nach Bayern

Einige der vielen hochverschuldeten Kommunen Nordrhein-Westfalens hatten in der jüngsten Vergangenheit beantragt, sich dem Bundesland Bayern anschließen zu dürfen, da es den Kommunen dort finanziell wesentlich besser geht. Unter den Antragstellern waren Dortmund, Gelsenkirchen und Würselen. Gegen Dortmund und Gelsenkirchen hat sich aber der FC Bayern München bei Ministerpräsident Horst Seehofer ausgesprochen, um keine Inflation bayerischer Fußball-Derbys in der Bundesliga auszulösen. Würselens Bürgermeister Arno Nelles (SPD) sagte dem BAYERNKURIER: „Wir sind zwar gesegnet mit meinem Vorgänger, dem heiligen Martin Schulz. Aber leider hat Sankt Martin es nicht geschafft, die rund 1,5 Millionen Euro, die wir im Schnitt jährlich für das von ihm durchgesetzte Spaßbad Aquana zahlen müssen, in Gewinne zu verwandeln. Daher hoffen wir auf Bayern, das ja laut Ministerpräsident Seehofer immerhin die Vorstufe zum Paradies ist!“

Die Ministerpräsidentin hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass unser Erfolg sie schlecht aussehen lässt.

Daniel Zimmermann, Bürgermeister von Monheim

Aber auch das erfolgreiche Monheim, das seinen Haushalt dank Gewerbesteuer-Senkungen in kürzester Zeit saniert hat und Rücklagen bilden konnte, will zu Bayern. „Die Ministerpräsidentin hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass unser Erfolg sie schlecht aussehen lässt und wir deshalb doch bitteschön wieder Schulden aufnehmen sollten“, so Bürgermeister Daniel Zimmermann (PETO) zum BAYERNKURIER. Sie habe sogar angeboten, Monheim zur Sonderwirtschaftszone zu erklären, dann könne sie sich dessen Erfolg ans eigene Revers heften. „Aber da wollen wir nicht mitspielen. Also haben wir uns entschlossen, dahin zu wechseln, wo Leistung noch als etwas Gutes angesehen wird.“ Keinen Übertritt wollte Leverkusen beantragen. „Wir haben zwar dank unseres weltbekannten Bayer-Konzerns eine gewisse Namensnähe zum Freistaat Bayern, aber irgendwann hat doch jeder Spaß mal ein Ende.“