Können dank Rot-Rot-Grün bald wieder unbehelligt ihren Geschäften nachgehen: Drogendealer im Görlitzer Park in Berlin. (Foto: Imago/Olaf Wagner)
Berlin

Kapitulation vor Drogenhändlern

Rot-Rot-Grün legt einen Offenbarungseid ab: Im Görlitzer Park, dem berüchtigtsten Drogenumschlagplatz Berlins, gibt die Linksregierung die bisherige Null-Toleranz-Strategie auf. Damit höhlt Rot-Rot-Grün den Rechtsstaat aus und macht den Park zur „No-Go-Zone“, befürchten Kritiker.

Seit 2015 hatte der frühere Innensenator und CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel versucht, mit massiver Polizeipräsenz den berüchtigtsten Drogenumschlagplatz Berlins, den Görlitzer Park, drogenfrei zu bekommen: Er rief eine „Null-Toleranz-Strategie“ aus und wies die Polizei an, eine harte Linie gegen Drogendealer und Besitzer zu fahren. Die 15 Gramm Marihuana zum „Eigenbedarf“, die die Polizei im Rest Berlins seit Jahren zu tolerieren gezwungen ist, galten im Görlitzer Park seit 2015 nicht mehr: Auch der Besitz kleiner Mengen Haschisch wurde dort zur Anzeige gebracht. Immer wieder gab es Razzien der Polizei – mit ganz gutem Erfolg, wie Henkel bei seinem Ausscheiden im Dezember 2016 bilanzierte.

Eine Kapitulation vor dem Unrecht.

Burkhard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Doch nun kapituliert die rot-rot-grüne Nachfolgeregierung vor den (oft schwarzafrikanischen) Drogendealern – oder vielmehr: Sie leistet einen Offenbarungseid im Namen des Rechtsstaats, den sie eigentlich durchsetzen sollte. Die bisherige Verordnung habe nicht dazu geführt, dass rund um den Görlitzer Park weniger gedealt wird, behauptete der Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD), Martin Pallgen. „Eine nachhaltige Verbesserung ist nicht eingetreten.“ Die Polizei werde weiter vor Ort sein, aber nicht mehr in bisheriger Stärke, sagte Pallgen. Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, wusste mit Blick auf die hohe Zahl von Strafverfahren gegen Konsumenten wegen geringer Mengen Cannabis: „Die Polizisten haben genug davon, ständig kiffenden Touristen hinterherzulaufen.“

Rot-Rot-Grün plant allgemeine staatliche Drogen-Abgabe

Doch das hat einen anderen Grund: Viele der Anzeigen wurden zwar aufgenommen und Verfahren angestrengt, doch schlug die Justiz viele der Verfahren wegen Kleinmengen nieder – denn wegen schlechter Ausstattung und überhandnehmender Kriminalität ist die Berliner Justiz seit vielen Jahren überlastet. Knapp 70 Prozent der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in Berlin hängen mit Gras und Haschisch zusammen, zitiert der RBB aus einer entsprechenden Statistik. Die meisten Konsumenten besitzen nur Mengen unter 15 Gramm. Doch werden sie damit erwischt, beschäftigt das die Polizei und Staatsanwaltschaft zwar zunächst – aber in fast allen Fällen werden in Berlin die Verfahren eingestellt. Man macht es sich hier einfach und beruft sich auf das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), das die Einstellung erlaubt, wenn „die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge“ herstellt, kauft oder besitzt.

Die Abkehr der rot-rot-grünen Koalition von der Null-Toleranz-Zone rund um den Görlitzer Park ist eine Einladung an alle Dealer dieser Stadt.

Kurt Wansner, CDU-Abgeordneter aus Friedrichshain-Kreuzberg im Berliner Abgeordnetenhaus

Zum Vergleich: In den meisten Bundesländern endet – bei Cannabis – die „geringe Menge“ bei 6 Gramm Bruttogewicht, nur in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen (seit Anfang 2017, geändert durch Rot-Rot-Grün) liegt die Menge bei 10 Gramm. Berlin hat 10 bis 15 Gramm, meist letzteres. Bei allen anderen härteren Drogen ist die geringe Menge naturgemäß unterhalb dieser Grenze. Straflos ist aber auch der Besitz geringer Mengen entgegen verbreiteter Annahme nicht: Gemäß §29 BtMG kann Anklage erhoben werden, muss aber nicht. Ein Absehen von Verfolgung setzt neben der geringen Menge voraus, dass das Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch bestimmt war (was bei Dealern nicht der Fall ist) und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Letzteres besteht, wenn der Eigenverbrauch mit einer Fremdgefährdung verbunden ist, etwa wenn es sich um den Tatort Schule handelt. Sollten sich die Dealer im Görlitzer Park also auf oder bei Kinderspielplätzen aufhalten, bestünde ein öffentliches Interesse an Strafverfolgung. Liegt hier also ein Rechtsbruch durch Rot-Rot-Grün vor?

Beobachter äußern ohnehin den Verdacht, dass Rot-Rot-Grün aus ideologischen Gründen die Durchgriffsbefugnisse der Polizei eindämmt, weil die Koalition erklärtermaßen den Drogenkonsum entkriminalisieren statt unterdrücken will. Schon im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, der im November unterschrieben wurde, heißt es, man wolle die Drogenpolitik „liberalisieren“, die Null-Toleranz-Zonen in der Stadt abschaffen, stattdessen staatliche Drogenkonsumräume einrichten und beispielsweise sauberes Spritzenbesteck zur Verfügung stellen. Zudem will sich Rot-Rot-Grün für die Legalisierung der kontrollierten staatlichen Abgabe von Cannabis an Erwachsene beim Bund einsetzen, hierzu will man ein Konzept erarbeiten lassen und beim Bund die Genehmigung beantragen.

Großer Schaden für Rechtsstaat, Anwohner und Familien

Die CDU-Opposition ist jedenfalls entsetzt: „Die geplante Abkehr der rot-rot-grünen Koalition von der Null-Toleranz-Zone im Kampf gegen den Drogenhandel rund um den Görlitzer Park ist eine Einladung an alle Dealer dieser Stadt“, sagt der örtliche CDU-Abgeordnete und Innenpolitiker Kurt Wansner. Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, nennt es „eine Kapitulation vor dem Unrecht. Eine Drogenpolitik, die Drogendealern nicht mit Härte begegnet, geht zu Lasten der Gesundheit von Menschen, die dadurch leichter in Kontakt mit Drogen kommen können, aber auch und vor allem zu Lasten der Anwohner dieser Drogenumschlagsorte.“

Die rot-rot-grüne Regierung in Berlin gibt den Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität auf und schafft mit ihrer realitätsblinden Ideologie rechtsfreie Räume für Drogendealer.

Florian Herrmann, innenpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag

Ins Grundsätzliche geht die CSU mit ihrer Kritik an der Berliner Rot-Rot-Grün-Koalition: „Die rot-rot-grüne Regierung in Berlin gibt den Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität auf und schafft mit ihrer realitätsblinden Ideologie rechtsfreie Räume für Drogendealer“, klagt der innenpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, Florian Herrmann, und bekräftigt die bayerische Linie: „Unsere Strategie lautet: Nulltoleranz und Sicherheit durch Stärke.“ Ganz ähnlich sieht dies die Kommentatorin der Bild-Zeitung, Tanit Koch, die Rot-Rot-Grün ebenfalls massiv kritisiert: „Diese Politik ergibt so viel Sinn, wie das Strafgesetzbuch abzuschaffen, um die Kriminalstatistik zu verbessern. Und sie sendet eine Botschaft, die nur Kriminelle freut: Wer penetrant genug ist, siegt. Rechtstreue Bürger verlangen nach einer anderen Botschaft: Auch Alltagskriminalität ist Kriminalität – und wird ebenso bekämpft.“