Endlich Sicherheit: Viele Polizisten sicherten heuer an Silvester den Domplatz in Köln. (Bild: Imago/Future Image/C. Hardt)
Köln

„Multikulti-Duselei“ als Sicherheitsrisiko

Hunderte Polizisten standen heuer für Sicherheit in Köln und verhinderten ähnliche Übergriffe durch Migranten wie im Jahr zuvor. Auch diesen Silvester reisten wieder "hochaggressive Gruppen" an. Doch Grüne, Linke und Teile der SPD sorgen sich um die Wortwahl und "rassistische" Kontrollen.

In der Silvesternacht vor einem Jahr war es am Kölner Hauptbahnhof zu zahlreichen sexuellen Übergriffen von Migranten auf Frauen gekommen. Die Verdächtigen und Verurteilten waren überwiegend Nordafrikaner. Diesmal kam es nicht zu solchen massenhaften Straftaten, in erster Linie dank dem konsequenten Einschreiten der Polizei.

Habt Ihr Euch etwa hier verabredet? Es sind so viele. Irgendwie glaube ich nicht ganz an einen Zufall. Bist Du Dir ganz sicher, dass der Kölner Hauptbahnhof der ideale Ort ist, um an diesem Tag mit dieser Vorgeschichte dort aufzulaufen?

Don Alphonso, Kommentator-Kunstfigur der FAZ, mit Fragen an den Nafri

Das Problem hat sich nämlich keineswegs erledigt, denn offenbar hat sich auch diesen Silvester wieder etwas zusammengebraut: hunderte Nordafrikaner (bei der Polizei abgekürzt als „Nafris“) reisten in großen Gruppen an. Die Polizei sagte, sie ähnelten äußerlich „der Klientel vom vergangenen Jahr“. Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies sprach von rund 1000 Nordafrikanern mit einer „Grundaggressivität“. Weiter sagte er: „Deshalb habe ich konsequentes Einschreiten der Polizei vorgegeben, und das bei einer niedrigen Einschreitschwelle.“ Er habe deshalb sogar Verstärkung angefordert, weil sich ab 21 Uhr eine neue Lage entwickelte. Die jungen Männer, zu 99 Prozent aus Tunesien, Marokko und Algerien (das war auch die Haupttätergruppe aus dem vergangenen Jahr), wurden eingekesselt und überprüft, weitere 300 am anderen Rheinufer im Bahnhof Köln-Deutz. Allein in Köln wurden 650 Identitäten überprüft, 190 Platzverweise ausgesprochen,  92 Personen in Gewahrsam (darunter 16 Deutsche) und 27 Personen vorläufig festgenommen.

„Hochaggressive Gruppen“ unterwegs

Wolfgang Wurm, Präsident der für Nordrhein-Westfalen zuständigen Bundespolizeibehörde mit Sitz in Sankt Augustin, ergänzte: „Wir hatten Gruppen, die vergleichbar aggressiv waren wie 2015.“ Die Bundespolizei habe bereits aus den Zügen gemeldet, dass „hochaggressive“ Gruppen nach Köln unterwegs seien. Die Bundespolizisten führten in der Nacht rund 1500 polizeirechtliche Maßnahmen wie Platzverweise, Personenkontrollen oder Gefährderansprachen durch, davon allein in Köln 1200. NRW-weit waren in der Spitze über 800 Bundespolizeibeamte uniformiert und in zivil im Einsatz, davon mehr als 300 in Köln. Die Bundespolizei registrierte NRW-weit in der Silvesternacht insgesamt rund 50 Strafanzeigen, darunter vorwiegend Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte, aber auch Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz (illegale Böller). Im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wurden bis dato vier Strafanzeigen wegen der Belästigung von Frauen durch Einzelpersonen verzeichnet. Dabei konnte die Bundespolizei in drei Fällen die Täter unmittelbar ermitteln beziehungsweise vorläufig festnehmen.

In ganz Nordrhein-Westfalen waren laut Polizei mindestens 2000 Personen der „fahndungsrelevanten Klientel“ unterwegs. Aus Essen wurden 450 solcher Personen gemeldet, aus Dortmund etwa 1000. Inwieweit diese Gruppen organisiert waren, darüber hat die Polizei bislang keine gesicherten Erkenntnisse – es soll aber über soziale Netzwerke und Kurznachrichtendienste erfolgt sein. Landesweit gab es 3800 Polizeieinsätze, 400 mehr als im Jahr davor – und mehr als je zuvor. Landesweit wurden 25 Sexualdelikte angezeigt, sieben davon in Köln – bislang ist keine Vergewaltigung darunter.

Die Rassismus-Keule

Grünen-Chefin Simone Peter hat sich nun kritisch über den Kölner Einsatz geäußert. „Das Großaufgebot der Polizei in Köln und anderen Städten hat Gewalt und Übergriffe in der vergangenen Silvesternacht deutlich begrenzt“, sagte sie der Rheinischen Post. „Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden.“ Auch der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, meinte: „Polizeiliche Maßnahmen müssen durch Gefahrenlagen oder das Verhalten einer Person begründet sein, nicht in ihrer Identität. Alles andere verstieße gegen die Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen.“ Er wolle aber vor einer Beurteilung erst den Sachverhalt ergründen.

Die nordrhein-westfälische Linke äußerte ebenfalls Kritik: „Es wäre Aufgabe des Innenministers und der Polizei gewesen, ein Sicherheitskonzept zu entwickeln, das Menschen nicht aufgrund ihrer Haar- und Hautfarbe diskriminiert“, so Özlem Alev Demirel, Landessprecherin der Partei. Andere Linke sprachen von „racial profiling“, womit das gezielte polizeiliche Vorgehen nach ethnischen Gesichtspunkten bezeichnet wird.

Wieder ein Streit um ein „böses“ Wort: „Nafris“

Heftig kritisiert wurde in linken Kreisen auch die Abkürzung, die die Polizei auf Twitter für Nordafrikaner verwendete: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert #Nafris überprüft. Infos folgen.“ Gegenüber Spiegel Online erklärte ein Polizeisprecher, das Wort „Nafri“ bezeichne „generell Personen, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden“, schon lange vor dem 1. Januar. Die lokalen Medien benutzen den Begriff seit Monaten. Der Polizeisprecher sagte zudem, der Begriff sei auf Twitter nur benutzt worden, um Zeichen zu sparen – nur 140 sind dort zulässig. Auch Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies erklärte, die Bezeichnung werde als „Arbeitsbegriff“ innerhalb der Polizei verwendet. „Er ist in Teilen ja auch von Medien übernommen worden“, so Mathies weiter. Später bedauerte im WDR aber auch der Polizeipräsident: „Den Begriff finde ich sehr unglücklich verwendet hier in der Situation. (…) Das bedauere ich außerordentlich.“ Die Kontrollen aber verteidigte er als absolut notwendig.

Ich halte diesen Begriff für in hohem Maße entmenschlichend.

Christopher Lauer, SPD

Da war die linke Empörung schon aus dem Sack: So zog etwa die Grünen-Politikerin Madeleine Henfling tatsächlich eine Parallele zu den Morden des rechtsextremen NSU-Trios: „Wir haben ja kein Problem mit #Rassismus bei der #Polizei Hat schon der #NSU – Komplex gezeigt!“ Auch die Grüne Parteichefin Simone Peter war der gefestigten Meinung: „Völlig inakzeptabel ist der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie ‚Nafris‘ für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei.“ Ähnliche Äußerungen kamen von der Partei Die Linke in Nordrhein-Westfalen. „Die Polizei hat einen Verdacht aber allein aus äußerlichen Merkmalen abgeleitet. Racial profiling ist diskriminierend, es verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz.“ Auch der frühere Piratenpolitiker und jetzige SPD-Parteifunktionär Christopher Lauer (nebenbei die Partei des Innenministers) konnte sich aufregen: „Ich halte diesen Begriff für in hohem Maße entmenschlichend. Sprache formt Denken.“ Der Begriff verurteile pauschal eine ganze Bevölkerungsgruppe als Straftäter.

Nur eine Abkürzung

Es ist nun mal so, dass gerade auch aus den Erfahrungen der vergangenen Silvesternacht, (…) hier ein klarer Eindruck entstanden ist, welche Personen zu überprüfen sind.

Jürgen Matthies, Kölner Polizeipräsident

Der Kölner Polizeipräsident hat sich gegen den Vorwurf des „racial profiling“ vehement gewehrt. Es sei hier um das Verhalten der Männer gegangen, betonte er. „Der ganz überwiegende Teil war so, dass mit drohenden Straftaten zu rechnen war“, sagte Mathies. Dies habe die Polizei verhindert. Im übrigen seien genauso auch Deutsche überprüft worden. Auch lasse sich eine Häufung von Straftaten durch Personen aus dem nordafrikanischen Raum nicht bestreiten, und dafür müsse dann polizeiintern auch ein Begriff gefunden werden. In einer solchen Situation, in der Tausende Menschen gleichzeitig am Hauptbahnhof einträfen, müsse die Polizei zwingend sofort Entscheidungen treffen. „Es ist nun mal so, dass gerade auch aus den Erfahrungen der vergangenen Silvesternacht, aus Erfahrungen, die wir durch Razzien insgesamt auch gewonnen haben, hier ein klarer Eindruck entstanden ist, welche Personen zu überprüfen sind“, sagte Mathies weiter. „Es waren keine grauhaarigen älteren Männer oder blondhaarigen jungen Frauen.“ Mathies betonte jedoch vorsorglich, dass die allermeisten in Deutschland lebenden Nordafrikaner natürlich keine Straftäter seien.

An einem Abend wurden die Nafris nun überprüft. Wie sieht es eigentlich mit den anderen 364 Abenden im Jahr aus? Ist das dann nicht nötig? Sind das reine Silvesterrisikogruppen?

Don Alphonso, Kommentator-Kunstfigur der FAZ, Frage an die Politik

Die Facebook-Gruppe „Polizist=Mensch“ für alle, die den Mensch hinter der Uniform sehen (möchten), sowie für Polizisten, nannte die Abkürzung „eine Tatsachenfeststellung in Kurzform“. Die Kritik sei „völlig verfehlt, unreflektiert und schadet nicht nur dem Ansehen der Polizei, die völlig richtig gehandelt hat, sondern auch jedem einzelnen Kollegen, der die Silvesternacht im Dienst verbracht hat, um das Desaster vom vergangenen Jahr sich nicht wiederholen zu lassen“.

Das Bundesinnenministerium äußerte, „Nafri“ sei „keine offizielle Sprachregelung oder ein offizieller Begriff, den wir verwenden würden“. Zwar werde man „sehr genau“ schauen, ob Nordafrikaner diskriminiert worden seien, allerdings reiche die Feststellung von „hochaggressiven“ Gruppen in den Zügen als „polizeirechtlich hinreichendes Kriterium“, um Gefahren durch Kontrollen abzuwenden.

Union nimmt Polizei vor linken Verbalübergriffen in Schutz

Dass man sich im Land der Bufdis, IMs, Hartz IV-ler, LSBTTIQ, Antifas, Azubis, JUler, Jusos, Julis und der IS-Terroristen überhaupt über eine Abkürzung von ganz besonders zu Abkürzungen neigenden Behörden mit solch politischer Korrektheit (Abkürzung: PC) aufregt, verärgert Abgeordnete der Union.

Wir dürfen nicht zulassen, dass blauäugige Multikulti-Duselei zum Sicherheitsrisiko für unsere Bevölkerung wird.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nahm die Kölner Polizei in Schutz: „Wer die Probleme nicht beim Namen nennen will, der hat aus der Silvesternacht vor einem Jahr gar nichts gelernt“, teilte er mit. „Wir dürfen nicht zulassen, dass blauäugige Multikulti-Duselei zum Sicherheitsrisiko für unsere Bevölkerung wird.“ Viele Frauen seien der Polizei sehr dankbar für die intensiven Kontrollen. Ähnlich äußerte sich CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn: „Einige Leute haben wohl schon wieder vergessen, was letztes Jahr an Silvester in Köln los gewesen ist.“ Jetzt diskutierten alle über eine Abkürzung, anstatt über das eigentliche Problem, nämlich die sexuellen Übergriffe durch junge Nordafrikaner. Bayerns Justizminister Winfried Bausback schrieb auf Facebook: „Was sollte im Moment eigentlich wichtiger in der öffentlichen Diskussion sein: Die Frage, ob die von Polizeibeamten für Twitter gewählte Abkürzung Nafri rassistisch ist, oder die Frage, inwieweit der Rechtsstaat auf die Mobilisierungsfähigkeiten rechtsstaatsferner Gruppen reagieren kann (dies gilt übrigens auch für Ausländerextremisten, für Rechts- und Linksradikale und Islamisten)?“ Sollten sich die Berichte über Verabredungen der nordafrikanischen Gruppen über soziale Netzwerke und Kurznachrichtendienste bestätigen, dann sei „dies ein dramatischer Beleg für die von mir und vielen Unionspolitikern erhobene Forderung nach einer effektiven Aufklärungsmöglichkeit gegenüber web-gestützter Kommunikation“.

Wir sollten vor lauter Toleranz nicht vergessen, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.

Silke Launert, MdB

Auch der CSU-Innenexperte im Bundestag, Stephan Mayer, wies die Kritik an der Kölner Polizei deutlich zurück. Das Vorgehen gegen Menschen nordafrikanischer Herkunft habe „nichts mit Diskriminierung zu tun“, sagte er im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die Beamten hätten „konsequent und entschieden“ Straftaten und sexuelle Übergriffe wie vor einem Jahr verhindert. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Silke Launert ergänzte: „Wir sollten vor lauter Toleranz nicht vergessen, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat die Kölner Polizei in Schutz genommen. „Kritik daran zu üben, dass Polizisten ihren Job machen und potenzielle Unruhestifter genau unter die Lupe nehmen, seien es Deutsche oder Ausländer, kann ich absolut nicht nachvollziehen“, sagte er dem Münchner Merkur. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl fragt in der Bild-Zeitung: „Wie viele Tote, Verletzte und wie viele vergewaltigte Frauen braucht Frau Peter noch, damit Sie zu Verstand kommt? Die Einkesselung der Nordafrikaner durch die Polizei war verhältnismäßig, erforderlich und damit auch rechtmäßig!“

Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, freudige Großereignisse, wie etwa Silvesterfeiern, nur mehr unter dem Schutz eines riesigen Polizeiaufgebotes durchführen zu können.

Klaus Steiner, MdL

Der innenpolitische Sprecher der CSU im Landtag, Florian Herrmann, ärgerte sich auf Facebook: „Grünes Absurdistan geht auch 2017 weiter. Aber es bestätigt sich halt immer wieder, dass die Grünen eher auf die Seite der Täter als der Opfer stehen, wenn das ideologische Freund-Feind-Schema sonst gestört würde.“ Und der Abgeordnete Klaus Steiner bilanzierte bitter: „Mit dem massiven Polizeieinsatz ist doch das Grundproblem nicht gelöst, dass sich offensichtlich eine relativ große Zahl von Zuwanderern in unserem Land aufhält, die sich nicht an die Regeln halten und ständig strafbar machen. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, freudige Großereignisse, wie etwa Silvesterfeiern, nur mehr unter dem Schutz eines riesigen Polizeiaufgebotes durchführen zu können. Was jetzt mit Stolz in Köln verkündet wird, ist im Grund die Bankrotterklärung des Rechtsstaats. (…)“

Nachtrag: Simone Peter ist mittlerweile zurückgerudert. Jetzt lobt sie plötzlich die Polizei und deren Vorgehen gegen aggressive „verabredete Gruppen“. Die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dürfte zu ihrer Einsicht beigetragen haben.

Nur Probleme mit den „Nafris“

Die Kölner Polizei bezeichnet mit dem Begriff „Nafri“ Straftäter aus Nordafrika, vor allem aus Marokko, Tunesien und Algerien. Sie sind meist zwischen 15 und 25 Jahre alt, oft bewaffnet und hochaggressiv. Laut Bundeskriminalamt kommen 22 Prozent aller Tatverdächtigen nichtdeutscher Herkunft aus Marokko, Tunesien und Algerien. Jedoch sind nur zwei Prozent aller Zuwanderer in Deutschland aus diesen Staaten. In Nordrhein-Westfalen lebt ein Großteil dieser Nordafrikaner. Zum einen, weil das rot-grün regierte Land immer noch viel zu langsam abschiebt, obwohl nur sehr wenige Personen aus diesen drei Staaten Asyl erhalten. Nach unbestätigten Bild-Informationen leben in NRW aktuell 1960 ausreisepflichtige Marokkaner und 1149 ausreisepflichtige Algerier. 2016 seien aber nur 108 Marokkaner und 102 Algerier abgeschoben worden. Seit 2015 habe das Bundesland aber 63 Prozent (8653) der in Deutschland asylsuchenden Marokkaner und 48 Prozent (8034) der asylsuchenden Algerier aufgenommen.