Entsetzen in Deutschland über den Anschlag in Berlin nahe der Gedächtniskirche. (Bild: Imago/Eastnews)
Berlin

Trauer und Entschlossenheit

Nach dem Terroranschlag von Berlin mit zwölf Toten hat Bundeskanzlerin Merkel angekündigt, dass der Täter gemäß der Gesetze „hart bestraft“ werden wird. Bayerns Ministerpräsident Seehofer und Innenminister Herrmann fordern eine Überprüfung der deutschen Flüchtlingspolitik. Die Länder verschärfen die Sicherheitskonzepte für Weihnachtsmärkte.

Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigt, die Täter würden „bestraft, so hart es unsere Gesetze verlangen“. Die Kanzlerin nannte es „schwer zu ertragen“, wenn sich bestätigen würde, dass der Täter „in Deutschland um Asyl gebeten hat“. Merkel betonte, dies wäre „besonders widerwärtig“ gegenüber den Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)

Die Kanzlerin drückte den Opfern, Verletzten und Angehörigen ihre Anteilnahme aus: Ein ganzes Land sei in Trauer vereint, so Merkel. „Viele beten für Sie, dass Sie Trost und Halt finden, dass Sie gesund werden, dass Sie weiterleben können nach diesem schrecklichen Tag“, sagte sie. Direkte politische Konsequenzen kündigte Merkel zunächst nicht an.

Seehofer fordert Neujustierung der Flüchtlingspolitik

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer forderte eine Überprüfung und Neujustierung der deutschen Flüchtlingspolitik. „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren“, sagte der CSU-Chef am Rande einer Kabinettssitzung in München. Zu Beginn gedachte das Kabinett mit einer Schweigeminute der Todesopfer. Seehofer kündigte eine Sondersitzung des Kabinetts an, um dort über die „gesamte Lage“ und mögliche Schlussfolgerungen zu beraten. Der Ministerpräsident sprach explizit von einem Anschlag: „Wir gedenken der Opfer dieses grausamen, brutalen Anschlages in Berlin. Wir hoffen und beten für die Verletzten, dass sie ihre Verletzungen überstehen.“

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte eine Überprüfung der deutschen Flüchtlingspolitik. „Wenn sich bestätigen sollte, dass dieser Anschlag von jemandem verübt worden ist, der als Asylbewerber ins Land eingereist ist, dann muss das in Berlin schon noch mal zu einem grundsätzlichen Nachdenken darüber führen, wie diese ganze Flüchtlingsaufnahme gestaltet wird“, sagte Herrmann in Antenne Bayern. Es sei naheliegend, dass durch die große Zahl von Flüchtlingen viele Personen eingereist seien, deren Hintergründe nicht bekannt seien.

Wir müssen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, welche Risiken wir mit dieser großen Zahl von Flüchtlingen ins Land bekommen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Herrmann forderte zudem, offen über die Risiken durch die Aufnahme von Flüchtlingen zu sprechen. „Wir müssen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, welche Risiken wir mit dieser großen Zahl von Flüchtlingen ins Land bekommen“, sagte Herrmann im Bayerischen Rundfunk. „Meines Erachtens wird dann schon auch die Frage sein, ob wir das wirklich so weiterlaufen lassen können.“ Der Bevölkerung könne jedenfalls nicht zugemutet werden, „das jetzt einfach weiter so laufen zu lassen, dass wir ein erhöhtes Anschlagsrisiko von Personen haben, die aus einem radikalen Islamismus-Verständnis heraus solche Anschläge begehen“, kritisierte der Innenminister.

Griechenland vorübergehend aus Schengen-Raum ausschließen

Zudem plädierte Innenminister Herrmann für den zeitweisen Ausschluss von EU-Ländern aus dem Schengen-Raum. Konkret nannte Herrmann Griechenland, Irland, Italien, Kroatien und Portugal. Er warf Griechenland und anderen EU-Staaten Verstöße gegen EU-Recht vor und forderte ihren vorübergehenden Ausschluss aus dem Schengen-Raum. „Wer klare Anforderungen der EU für die Innere Sicherheit nicht erfüllt, der muss von den gemeinsamen Regeln im Schengen-Raum erst einmal suspendiert werden, bis er die Anforderungen wieder erfüllt“, sagte Herrmann – unter anderem mit Bezug auf die Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Freiburg. Der dortige Täter, ein angeblich 17 Jahre alter Afghane, war in Griechenland bereits wegen Raubes und versuchten Mordes in Haft, wurde dann aber amnestiert.

Nach Herrmanns Angaben gab es im Vorfeld der Berliner Attacke keine konkreten Hinweise, dass ein Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt bevorsteht: „Mir sind keine Warnungen, bezogen auf Berliner Weihnachtsmärkte, bekannt, aber wir wissen, dass wir ein erhöhtes Anschlagsrisiko in Deutschland haben.“

Wir dürfen uns jetzt nicht von dem Hass, den solche Täter säen, anstecken lassen. Wir sollten in Ruhe und Besonnenheit prüfen, ob unsere Sicherheitsvorschriften ergänzt werden müssen.

Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, drückte ihr Entsetzen über diesen Anschlag aus. „Gerade so kurz vor Weihnachten – dem Fest der Besinnung und Liebe – ist das ein schrecklicher Schlag gegen unsere Gesellschaft. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir trauern mit ihnen.“ Gleichzeitig mahnte Hasselfeldt zu Besonnenheit: „Wir dürfen uns jetzt nicht von dem Hass, den solche Täter säen, anstecken lassen. Wir sollten in Ruhe und Besonnenheit prüfen, ob unsere Sicherheitsvorschriften ergänzt werden müssen.“

Im Kriegszustand

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU), sprach von einem „Kriegszustand“. Der saarländische Innenminister sagte dem Saarländischen Rundfunk: „Wir müssen konstatieren, wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten.“ Bouillon kündigte verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an. Es stehe zu befürchten, dass es Nachahmer gebe.

Wir müssen konstatieren, wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten.

Klaus Bouillon (CDU), Vorsitzender der Innenministerkonferenz

„Wir werden, wo wir es für erforderlich halten, auch mit schwerem Gerät antreten“, sagte Bouillon. „Das heißt Langwaffen, Kurzwaffen, Maschinenpistolen“ – auch wenn dies martialisch klinge. Auf Weihnachtsmärkten werde die Polizei deutlich Präsenz zeigen und unverzüglich mit den Veranstaltern Kontakt aufnehmen, sagte der CDU-Politiker. Die Innenminister von Bund und Ländern wollen am Dienstag auf einer Videokonferenz beraten.

Länder überprüfen Sicherheitskonzepte

Merkel berief das Bundes-Sicherheitskabinett ein, um über politische Konsequenzen zu beraten. Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich in einer Telefonschaltung abgestimmt. Für Mittwoch wurde eine Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses einberufen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und mehrere Länder-Innenminister ordneten Trauerbeflaggung an. In Berlin bleiben die Weihnachtsmärkte am Dienstag geschlossen, in den anderen Ländern laufen sie jedoch wie geplant weiter. Die Silvesterparty am Brandenburger Tor soll ebenfalls wie geplant stattfinden.

Allerdings überdenken die Bundesländer ihre Sicherheitskonzepte. Es werde alles getan, um die bestmögliche Sicherheit im Land zu gewährleisten, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) der dpa. „Wir müssen jetzt noch mehr Wachsamkeit und Präsenz zeigen“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) dem Sender WDR5. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) forderte die Bürger auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. In Nordrhein-Westfalen sollen die Polizisten auf großen Weihnachtsmärkten mit Maschinenpistolen ausgerüstet werden.

Nürnberg hält Christkindlesmarkt für sicher

In München hat die Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen für die Weihnachtsmärkte erhöht. Das Personal auf den Märkten sei verstärkt worden, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Einzelheiten wollte er nicht mitteilen. Das Münchner Erzbistum widmete das Angelus-Gebet am Mittag um 12.00 Uhr dem Gedenken und Gebet für die Todesopfer, ihre Angehörigen und die Verletzten.

Die Stadt Nürnberg hält Deutschlands berühmtesten Weihnachtsmarkt, den Nürnberger Christkindlesmarkt, für sicher. „Wir haben ein Sicherheitskonzept, das gut funktioniert“, sagte Nürnbergs Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU). Dennoch solle das Konzept nach Absprache mit der Polizei noch einmal „verdichtet“ werden, sagte Fraas, ohne Einzelheiten zu nennen. Ein vorzeitiges Ende des Marktes stehe nicht zur Diskussion. Schon jetzt sei das „Nizza-Szenario“, bei dem ein Terroranschlag mit einem Lastwagen unterstellt wird, Teil des Sicherheitskonzepts. So verstellten Polizeiwagen breitere Zufahrten zum Hauptmarkt. Zudem ist nach Fraas Ansicht der Nürnberger Christkindlesmarkt mit dem auf dem Berliner Breitscheidplatz nur schwer vergleichbar. „Unser Christkindlesmarkt liegt mitten in der Altstadt. Da stellt sich die Frage, ob ein schwerer Lastwagen überhaupt mit großer Geschwindigkeit auf den Markt gelangen könnte.“

Muslimische Gemeinden äußern Abscheu und Trauer

Mehrere islamische Gemeinden haben ihre Trauer und Anteilnahme bekannt. Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde zeigte sich von dem Anschlag „zutiefst betroffen und schockiert“. In einer Erklärung betonte die Gemeinde, ihren „Grauen, Entsetzen und Schmerz“. Die Tat nannte die Ahmadiyya-Gemeinde „eine menschliche Tragödie“, den Täter einen „irregeleiteten Einzelnen, der ohne Reue und Skrupel handelte“. Die als islamistisch geltende „Mili Görüs“ (IGMG) sprach von einem „Angriff auf unser friedliches Zusammenleben, auf unsere Gesamtgesellschaft“.

Ali Ertan Toprak, der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, erklärte: „Dieser hinterhältige Anschlag richtet sich gegen die christlichen Traditionen und Fundamente Europas.“ Toprak sagte, er sei weder über das Ziel noch über den Attentäter überrascht: „Die islamistischen Terroristen haben der friedlichen Ko-Existenz der Religionen den Krieg erklärt. Wir dürfen nicht in diese Falle tappen.“

Der gewählte US-Präsident Donald Trump zeigt sich überzeugt davon, dass „islamistische Terroristen“ hinter der Tat stecken. „Unsere Herzen und Gebete sind bei den Angehörigen der Opfer der heutigen schrecklichen Terrorattacke in Berlin“, erklärte Trump. „Unschuldige Zivilisten wurden auf der Straße ermordet, als sie sich auf das Weihnachtsfest vorbereiteten.“

(dpa/wog)