In Würzburg fand der erste von insgesamt sechs gemeinsamen Kongressen von CDU und CSU statt. (Bild: CSU)
Deutschlandkongress

Leitplanken der Zukunft

Der Zusammenhalt der Gesellschaft war das Thema des ersten von insgesamt sechs gemeinsamen Kongressen von CDU und CSU. Dabei wird klar: In Zeiten wachsender globaler Herausforderungen setzt die Union auf ein Zusammenrücken der Schwesterparteien - und der gesamten Gesellschaft. Grundlage dafür ist die Stärke der Deutschen, Veränderungen zu meistern und sie positiv zu gestalten.

„Bei allen Unwägbarkeiten, die es im politischen Alltag gibt, ist es wichtig, dass wir mit diesen Kongressen die großen Leitplanken der Zukunft miteinander gestalten und besprechen“ – mit diesen Worten gab Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm den Weg für den ersten Deutschlandkogress von CDU und CSU in Würzburg vor.

Auftakt zu sechsteiliger Diskussionsreihe

Die Veranstaltung in der unterfränkischen Metropole war der Auftakt einer sechsteiligen Reihe von Kongressen der beiden Schwesterparteien, bei denen die großen Leitlinien der Union im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl diskutiert werden. Neben Stamm waren zahlreiche weitere CSU-Amtsträger nach Würzburg gekommen, unter ihnen Staatssekretär Gerhard Eck oder Landtagsabgeordneter Oliver Jörg. Für die CDU waren unter anderem Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Generalsekretär Peter Tauber sowie die hessische Landtagsabgeordnete Bettina Wiesmann nach Unterfranken gekommen.

Säulen des gesellschaftlichen Zusammenhalts

In zwei Panels diskutierten die Anwesenden – unter Moderation von Bayernkurier-Chefredakteur Marc Sauber und mit einigen Zwischenfragen aus dem Publikum – über das Thema „Zusammenhalt in der Gesellschaft“. Dabei betonte Barbara Stamm in ihrer Eingangsrede die Bedeutung des Ehrenamts für die deutsche Gesellschaft. „Das gesellschaftliche Engagement in Deutschland zeigt sich besonders im bürgerlichen Engagement“, so die Landtagspräsidentin. Hier nannte sie besonders die Flüchtlingskrise als Beispiel. „Die staatlichen Stellen haben viel getan – aber ohne das ehrenamtliche Engagement wäre es nicht gegangen“, stellte Stamm klar.

Eine Gesellschaft im „Veränderungsstress“

Das erste Panel des Kongresses befasste sich mit dem „Zusammenhalt durch Gemeinschaft, Familie, Heimat und gelingende Integration“. Hessens Ministerpräsident sagte, ihm sei sehr wohl bewusst, „dass besonders die mittlere Generation in unserem Land große Zukunftsängste hat“, die von den gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre getrieben sei. Dabei nannte er auch den digitalen Wandel. „Niemand hätte sich in Zeiten der Regierung Kohl eine Welt vorstellen können, in denen Nachrichten in Windeseile um die Welt gehen. Das ist eine Revolution“, stellte Bouffier fest. Derartige Veränderungen böten viele großartige Chancen, sagte der CDU-Mann. „Aber sie produzieren auch Veränderungsstress“.

Die unterschiedlichen Regionen der Bundesrepublik seien jeweils unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt, betonte Bouffier. „Während die Menschen in den Metropolgebieten über Wohnungsmangel diskutieren, machen sich die Leute in den ländlichen Regionen Sorgen darüber, ob noch ein Arzt in der Nähe praktiziert, oder was mit der Dorfwirtschaft geschieht.“ Auch solche Fragen seien Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt – und dafür müssten CDU und CSU – „gemeinsam“, wie Bouffier mehrfach betonte – Lösungen finden.

„Die Union muss weiterhin beweisen, dass sie die Menschen politisch überzeugen kann“

„Wir, die Union, wollen, dass dieses starke Land, in dem die Menschen gerne und gut leben, auch in Zukunft ein starkes Land bleibt, in dem die Menschen sich wohl fühlen und ihre Chancen finden, und in dem es uns gelingt, die Herausforderungen so zu lösen, dass Deutschland auch weiterhin stark bleibt“. Dabei komme es in besonderem Maße auf die Union an, betonte Hessens Ministerpräsident. Dafür gebe es einen gewichtigen Grund: „Die Union hat als Volkspartei die Menschen immer wieder politisch überzeugt. Und wir müssen dafür arbeiten, dass eine gemeinsame Union dieses Kunststück immer wieder meistert.“

Heimat als wichtiger Begriff für gelingende Integration

Dabei spiele besonders das Thema Integration eine zentrale Rolle. „Eine gelingende Integration ist eine große Herausforderung für die Menschen, die hier leben – es ist aber eine noch größere Herausforderung für diejenigen, die aus aller Herren Länder zu uns gekommen sind.“ Ein wichtiger Begriff sei dabei die Heimat – „das Gefühl, hier beheimatet zu sein, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Integration gelingt“. Integration sei daher nicht ein „beliebiges Nebeneinander, sondern ein bewusstes Miteinander“. Das bedeute, dass die Gesellschaft ein Angebot machen müsse – aber dieses Angebot müsse auch angenommen werden. Bouffier nahm direkt Bezug auf die Flüchtlingskrise. „Das vergangene Jahr war eine Ausnahmesituation, die auch niemand mehr wiederholen will“, sagte der Ministerpräsident – und lobte die Menschen in Deutschland für deren Engagement in dieser Ausnahmesituation. „Ich kenne kein anderes Land, das in der Lage ist, eine Million Menschen aufzunehmen, ohne dass alles auseinander fliegt.“

Ich kenne kein anderes Land, das in der Lage ist, eine Million Menschen aufzunehmen, ohne dass alles auseinander fliegt.

Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident

Jetzt aber seien die Flüchtlinge am Zug. „Integration heißt, mitzumachen beim gesellschaftlichen Zusammenhalt, und sich eben nicht abzuschotten, oder sich womöglich sogar zu verschleiern“, sagte Bouffier mit Blick auf die aktuelle Debatte um ein Burka-Verbot. Ein weiterer essentieller Faktor sei dabei, dass alle Menschen in Deutschland dieselbe Sprache sprächen, so der Ministerpräsident. „Deutsch zu können ist Grundvoraussetzung dafür, um an unserer Gesellschaft teilnehmen zu können.“

„Die Gesellschaft rückt näher zusammen“

Der Berliner Soziologieprofessor Hans Bertram sieht in den gesellschaftlichen Veränderungen – allen voran der Flüchtlingskrise – einen Anlass für die Gesellschaft, um noch näher zusammenzurücken. „Die Unsicherheit ist groß in Deutschland – und es war zu beobachten, dass viele Leute sich engagiert haben, um einen Teil dieser Unsicherheit aufzufangen und ihr entgegenzuwirken.“ Gleichzeitig, so betonte die Sozialreferentin der Stadt Würzburg, Hülya Düber, könnten durch den Zuzug von Flüchtlingen auch bislang unbekannte Konkurrenzsituationen entstehen – beispielsweise beim Gerangel um Kinderbetreuungsplätze. Bislang habe man dies in Würzburg weitgehend gemeistert – die Herausforderung aber bleibe bis auf Weiteres. „Hier muss die Gesellschaft weiter zusammenstehen, aber auch die Bereitschaft zeigen, neue Bewohner zu integrieren.“

Familie ist die Keimzelle der solidarischen Gesellschaft

Für die familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion in Hessen, Bettina Wiesmann, ist die Familie die Keimzelle einer funktionierenden Gesellschaft. „Man sollte dieses Modell nicht als Auslaufmodell abkanzeln, sondern die Familie endlich wieder in großem Umfang stärken und unterstützen“, sagte die Landtagsabgeordnete unter großem Applaus.

Der bayerische Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ehrenamt im Maximilianeum, Oliver Jörg, sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf. „Familie und Heimat sind die beiden Dinge, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt unabdingbar sind“, sagte der CSU-Politiker. Hier sei es etwa wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter zu optimieren. Dabei lobte er die Bayerische Staatsregierung und Sozialministerin Emilia Müller für deren Politik – etwa beim Landesbetreuungsgeld.

Schulterschluss von Politik und Ehrenamt

Wichtig sei dabei auch der Schulterschluss der Politik mit dem Ehrenamt, betonten Bouffier und Jörg. „Wir in Bayern haben einen Pakt mit der Wirtschaft im Freistaat, mit dem wir die Reihen schließen und richtige Leitplanken für eine gelingende Integration schaffen“, sagte Oliver Jörg. „Da wäre es sicher bei beiden Parteien auch eine gern mitgenommene Idee, einen derartigen Pakt auch mit den Vereinen und Vereinigungen in Deutschland zu schließen, die vom Ehrenamt getragen werden.“ Generell wünschte sich Jörg eine inhaltsorientiertere Debatte zwischen den Unions-Parteien.

Wir brauchen Diskussionen über Inhalte, nicht über Schlagworte.

Oliver Jörg, MdL

Aus dem Publikum wurden unter anderem Fragen nach einem staatlich organisierten Islamunterricht und der Praxis des Familiennachzugs gestellt. Dabei herrschte auf dem Podium die einhellige Meinung, dass Islamunterricht an staatlichen Schulen – ebenso wie ein konfessionsorientierter evangelischer und katholischer Religionsunterricht – immens wichtig für eine gelingende Integration sei. „Für Hessen kann ich feststellen: Bei uns gibt es keine Islamlehrer aus Ankara – unsere kommen aus Hessen, sind ausgebildete Lehrer, und wir haben ihnen die Möglichkeit gegeben, zusätzlich Islamunterricht zu geben“, betonte Volker Bouffier. Dies sei sicherlich dann auch in Bayern der Fall – „hier sind wir uns zu einhundert Prozent einig“, sagte Bouffier.

Beim Familiennachzug forderte Bouffier eine stärkere Steuerung durch den Bund. „Solange die Familienmitglieder in sicheren Staaten und keiner direkten Gefahr ausgesetzt sind, muss es auch mal möglich sein, dass eine Familie einige Zeit warten muss, bis eine Zusammenführung möglich wird“, betonte der Ministerpräsident.

 Generationengerechtigkeit als Grundbedingung für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Im zweiten Panel sprachen Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Bayerns Sozialministerin Emilia Müller und weitere Experten aus Politik und Gesellschaft über das Thema „Zusammenhalt durch Verantwortung für alle Generationen“. Dabei spiele die Rentenpolitik eine gewichtige Rolle, sagte Stamm. Unterstützung kam dabei von Emilia Müller. „Die Menschen, die heute im Rentenalter sind, müssen faire Leistungen erhalten“, betonte die Ministerin.

Aber, so betonte der Chef der Jungen Union Deutschland, Paul Ziemiak, auch die jüngere Generation müsse hier Gerechtigkeit erfahren. „Wir müssen auch einen Blick darauf werfen, was nach 2030 mit der Rente passiert“, sagte Ziemiak weiter. Der CDU-Staatssekretär Karl-Josef Laumann stellte klar: „Wenn Menschen ihr Leben lang gearbeitet haben, und im Alter womöglich gesundheitliche Probleme bekommen, dann kann es nicht sein, dass zu den gesundheitlichen Problemen auch noch finanzielle Probleme kommen.“ Hier müsse die Union stärkere Akzente setzen.

Gerechtere Chancenverteilung

Und auch eine gerechtere Verteilung der Chancen zwischen Metropolregionen und dem ländlichen Raum trägt laut Sozialministerin Müller zu einem stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Hier gehe die Staatsregierung mit gutem Beispiel voran – zum Beispiel mit der Behördenverlagerung oder der Unterstützung von Hochschulstandorten außerhalb der bayerischen Großstädte.

Warum muss ein Mann erst Großvater werden, bis er Zeit für seine Enkel hat? Er sollte schon als Vater Zeit für seine Kinder haben können.

Barbara Stamm, Bayerische Landtagspräsidentin

Das bestimmende Thema des zweiten Panels aber war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier müsse die Arbeitswelt noch wesentlich flexibler werden, betonte der bayerische Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit, Markus Schmitz. „Denn: Die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer haben sich geändert“, stellte Schmitz klar. Themen wie Home-Office und flexiblere Arbeitszeiten seien heutzutage beinahe genauso wichtig für Arbeitnehmer wie das monatliche Gehalt. Zusätzlich sei es wichtig, die Erziehungsleistung von Eltern auch finanziell anzuerkennen, betonte Sozialministerin Müller.

Übereinstimmung in nahezu allen Feldern

Der erste Deutschlandkongress machte deutlich, was CDU-Generalsekretär Peter Tauber schon im Vorfeld der Veranstaltung gesagt hatte: CDU und CSU liegen in den allermeisten politischen Feldern sehr nahe beieinander – und bei den strittigen Themen zeigen sich beide Seiten gesprächsbereit. Karl-Josef Laumann brachte es auf den Punkt: „Gemeinsam sind wir erfolgreich.“ Eine Union, die sich streite, könne keine Wahl gewinnen. „Und wenn die Union die Wahl nicht gewinnt, ist das nicht gut für Deutschland.“