Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat ein Jahr vor der Bundestagswahl mit seinen ablehnenden Äußerungen zur Vermögensteuer einen internen Streit der Grünen neu entfacht. Er sei „strikt“ gegen Steuererhöhungspläne aus Teilen der Grünen-Bundespartei, sagte Kretschmann Deutschen Presse-Agentur.
Steuererhöhungsplänen wird die Landesregierung von Baden-Württemberg nicht folgen.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Eine Vermögensteuer wird vom linken Parteiflügel um Grünen-Bundeschefin Simone Peter gefordert. Diesem gehört auch der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, an. „Wir brauchen eine gerechtere Besteuerung in Deutschland. Es muss klar sein, dass große Vermögen dazu einen Beitrag leisten“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Er fürchte, dass sonst das Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung massiv beschädigt würde. Über das Steuerkonzept der Grünen werde bei der nächsten Bundesdelegiertenversammlung im Herbst entschieden, fügte er an.
Die Steuern sprudeln
Bei der Bundestagswahl 2013 waren die Grünen mit ihrem Steuerwahlkampf wenig erfolgreich und sackten auf 8,4 Prozent. Kretschmann hatte seine Partei damals gewarnt, Bürger und Unternehmer mit allzu vielen Steuern belasten zu wollen. Damals konnte er sich aber nicht durchsetzen. Letztlich stimmte er einem Kompromiss zu – eine Entscheidung, für die er Kritik vor allem aus der Wirtschaft einstecken musste und die er heute als Fehler sieht. Kretschmann sagte, es müsse erst einmal darum gehen, die massive Steuerhinterziehung durch die Verlagerung von Geld ins Ausland zu bekämpfen. „Ich bin auch dafür, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und sie in die Einkommensteuer einzugliedern.“ Abgesehen davon müsse man keine Steuerdebatten in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen führen.
„Erbschaftsteuer bedroht Familienbetriebe“
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag teilte die Haltung des Regierungschefs. „Es bleibt zu hoffen, dass Kretschmann seine politische Autorität bei diesem Thema voll zur Geltung bringen kann.“ Kretschmann erklärte seinen Widerstand gegen die Vermögensteuer damit, dass die meisten Menschen Vermögen in Form eines Betriebes besäßen. Die Vermögensteuer bekomme man nicht hin, ohne dass es auf Kosten unserer Familienbetriebe gehe.
Wir quälen uns schon mit der Erbschaftsteuer rum. Das ist eine Substanzsteuer, die Betriebe leicht gefährden kann.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Bei der derzeit debattierten Neugestaltung der Erbschaftsteuer dringt bisher nur die CSU auf Entlastungen. Zwei Punkte seien Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Erbschaftsteuer besonders wichtig. Zum einen dürfe der Staat bei vererbtem, selbstgenutzten Wohneigentum keine Steuer erheben.
Die vorliegenden Pläne sind im Kern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Dem können wir nicht zustimmen. Das ist nicht unsere Politik.
Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident
Zum anderen sollen Firmeninhaber, die bei einem vererbten Betrieb die Arbeitsplätze erhalten, steuerlich nicht belangt werden: „Denn derjenige, der den Betrieb fortführt, macht etwas Sinnvolles. Wenn Arbeitsplätze erhalten werden, dann muss dies steuerfrei sein.“
CSU setzt auf Regionalisierung
Angesichts des anhaltenden Streits über eine Reform der Erbschaftsteuer bringt die CSU eine Regionalisierung dieser Abgabe ins Gespräch. CSU-Chef Horst Seehofer äußerte in einem Brief an den Obmann der Unionsfraktion im Bundestags-Finanzausschuss, Hans Michelbach (CSU), Zweifel, ob eine bundesweite Lösung ohne Zusatzlasten für die Wirtschaft noch gelingt. „Abhilfe könnte die von der Bayerischen Staatsregierung schon seit langen geforderte Regionalisierung der Erbschaftsteuer schaffen“, heißt in dem Brief, der Reuters vorliegt. „Ich werde mich deshalb weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen“, kündigte Seehofer an.
Michelbach forderte die rot-grün regierten Bundesländer auf, ihre Blockadehaltung gegen das vom Bundestag bereits beschlossene Reformkonzept aufzugeben. Der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels und stellvertretende Chef der CSU-Landesgruppe beklagte, selbst Ministerpräsidenten der SPD hätten den von ihrem Parteichef Sigmar Gabriel mit ausgehandelten Kompromiss torpediert. „Sie müssen endlich zur Vernunft kommen und die parteitaktischen Spielereien beenden“, forderte er.
Sollte die Ländermehrheit weiterhin Obstruktionspolitik betreiben, wäre die von Ministerpräsident Seehofer geforderte Regionalisierung der Erbschaftsteuer der beste Weg.
Hans Michelbach (CSU), Obmann der Unionsfraktion im Bundestags-Finanzausschuss
Ein von den Parteispitzen der Koalition vereinbartes Reformkonzept, das die Steuervorteile für Firmenerben neu regelt, war von der Länderkammer gestoppt worden. Eine Einigung soll nun im September im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat versucht werden. Das Bundesverfassungsgericht, das die bisherige Regelung Ende 2014 als teils verfassungswidrig gekippt und bis Ende Juni 2016 eine Änderung verlangt hatte, kündigte nach Verstreichen dieser Frist Mitte Juli an, sich Ende September selbst mit dem Thema zu befassen. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Richter eine Übergangsregelung beschließen, die für Firmenerben Nachteile gegenüber der aktuellen Praxis mit sich bringen könnten.
Kretschmann erklärt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, warum er den Grünen im Bund „Lockerungsübungen“ empfiehlt.
Deutsche Presse-Agentur (dpa): Die Bundestagswahlen nahen und die Grünen diskutieren wie vor der Wahl 2013 wieder Steuererhöhungspläne…
Kretschmann: Aber im Gegensatz zu 2013 schlagen die Grünen nicht fünf Steuererhöhungen auf einmal vor. Insofern haben wir dazugelernt. Es muss uns erstmal darum gehen, die massive Steuerhinterziehung durch die Verlagerung von Geld ins Ausland zu bekämpfen. Ich bin auch dafür, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und sie in die Einkommensteuer einzugliedern. Und das reicht dann auch. Abgesehen davon müssen wir keine Steuerdebatten in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen führen.
dpa: Was haben Sie gegen die Forderung nach einer Vermögensteuer?
Kretschmann: Die meisten Menschen, die Vermögen haben, besitzen das in Form eines Betriebes. Wir quälen uns schon mit der Erbschaftsteuer rum. Das ist eine Substanzsteuer, die Betriebe leicht gefährden kann. Die Vermögensteuer bekommt man nicht hin, ohne dass es auf Kosten unserer Familienbetriebe geht. Deshalb bin ich strikt gegen die Vermögensteuer.
dpa: Und wenn die Grünen sie trotzdem beschließen?
Kretschmann: Solchen Plänen wird die Landesregierung von Baden-Württemberg nicht folgen. 2013 war ich zunächst gegen das Steuerkonzept der Grünen. Dann habe ich einem Kompromiss zugestimmt, aber da bin ich zu weit gegangen. Ich mache den gleichen Fehler nicht zweimal.
Winfried Kretschmann (68) ist der erste grüne Ministerpräsident eines Bundeslandes. Er regierte von 2011 bis 2016 mit der SPD. Seit Mai dieses Jahres führt er eine Koalition mit der CDU als Juniorpartner, nachdem die Grünen bei der Landtagswahl das erste Mal überhaupt stärkste Partei in einem Bundesland wurden. Kretschmann zählt zum realpolitischen Flügel seiner Partei.
(dpa/Reuters/AS)