Das Stabsmusikkorps ist eine der bekanntesten Einheiten der Bundeswehr. (Foto: Imago/Jürgen Heinrich)
Neues Weißbuch

Bundeswehr darf bei Terroranschlag eingreifen

Bundeswehreinsätze im Inland bei Terroranschlägen, Öffnung der Truppe für EU-Ausländer, mehr Verantwortung in der Nato: Die Bundesregierung hat in einem Weißbuch ihre Sicherheitspolitik neu formuliert. Eine wichtige Forderung der CSU wird damit Realität.

Das Bundeskabinett hat ein neues Weißbuch beschlossen, das eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt vorsieht. „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“, heißt es in dem Werk. Das letzte Weißbuch stammte von 2006, als es noch keinen „Islamischen Staat“ (IS) und keine russische Aggression in der Ukraine gab. Die Bundeswehr beteiligt sich derzeit mit rund 3300 Soldaten an 16 internationalen Einsätzen.

Zur Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Inneren soll das Grundgesetz zwar nicht geändert werden. Allerdings stellt das Weißbuch klar, dass die Bundesregierung den Einsatz von Soldaten bei „terroristischen Großlagen“ für verfassungskonform hält. Auf diese Kompromissformel hatten sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geeinigt. Die SPD hatte eine Grundgesetzänderung kategorisch ausgeschlossen.

Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global.

Weißbuch der Bundesregierung

Weitere Neuerung: Die Bundeswehr soll sich für EU-Ausländer öffnen. Bisher dürfen nur deutsche Staatsbürger Soldaten werden. In dem 83 Seiten starken Werk heißt es: „Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive.“

Bundeswehrverband sieht Öffnung für EU-Ausländer kritisch

Der Bundeswehrverband, die größte Interessenvertretung der Soldaten, lehnt eine solche Öffnung allerdings ab. „Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für uns elementar und muss es bleiben — wegen des besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Staat und Soldat und der gesetzlichen Verankerung“, sagte Verbandschef André Wüstner.

Wüstner sagte, der Soldatenberuf sei kein Beruf wie jeder andere. „Der rechtliche Rahmen und die wertebezogene Führungsphilosophie dürfen bei aller Offenheit für neue Konzepte niemals verwässert werden“, betonte der Chef der Gewerkschaft der Soldaten. „Die Bereitschaft, im Zweifel für das zu sterben, was im Kopf und im Herzen ist, kann nicht für eine Bereitschaft zum selbigen für jeden beliebigen Staat oder Arbeitgeber gelten.“ Gerade die soldatische Identität habe eine enorme nationale Ausprägung — trotz europäischen Wertesystems. „Das muss der Politik immer wieder bewusst gemacht werden.“

CSU begrüßt Klarstellung zu Einsätzen im Inland

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begrüßt die Klarstellung, dass die Bundeswehr bereits nach der geltenden Verfassungslage in extremen Ausnahmefällen wie bei großangelegten Terrorangriffen oder zu Evakuierungs- und Rettungseinsätzen auch zur Verstärkung der Polizei herangezogen werden kann. „Diese Klarstellung ist richtig und wichtig“, sagte Herrmann.

Der Innenminister betonte, die islamistischen Terrorattacken in Frankreich und Belgien hätten gezeigt, dass Szenarien realistisch sind, in denen die personellen und einsatztechnischen Möglichkeiten der Polizei nicht mehr ausreichen, um gefährdete Objekte zu schützen oder größere terroristische Attacken abzuwehren. Deshalb könne die Unterstützung durch die Streitkräfte notwendig sein.

Die islamistischen Terrorattacken in Frankreich und Belgien haben gezeigt, dass die Unterstützung durch die Streitkräfte im Inland notwendig sein kann.

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister

Herrmann sagte: „Schon heute erlaubt das Grundgesetz den Ländern, zur Unterstützung ihrer Polizeikräfte auch Streitkräfte anzufordern, um bei einem besonders schweren Unglücksfall, wie etwa einem unmittelbar drohenden terroristischen Anschlag, den Eintritt katastrophaler Schäden zu verhindern. Solche Einsätze müssen deshalb auch in gemeinsamen Übungen von Polizei und Bundeswehr erprobt werden.“ Der Innenminister stellte klar, dass ein solcher Einsatz der Bundeswehr ausschließlich auf Anforderung des jeweils betroffenen Landes erfolge, das in vollem Umfang seine polizeiliche Gesamtverantwortung behalte.

Was ist ein Weißbuch?

Die Bundesregierung definiert ihre Sicherheitspolitik in unregelmäßigen Abständen in einem Weißbuch. Federführend ist das Verteidigungsministerium, viele andere Ressorts arbeiten daran mit.

In den Weißbüchern werden deutsche Interessen definiert, Bedrohungen identifiziert und die Mittel benannt, mit denen man auf diese Bedrohungen reagieren kann.

Das neue Weißbuch berücksichtigt die Ukraine-Krise, die daraus resultierenden Spannungen mit Russland, den Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) und die wachsende Gefahr von Angriffen über das Internet.

Es löst das Weißbuch von 2006 ab, mit dem die Regierung auf die veränderte Sicherheitslage nach den Anschläge vom 11. September 2001 in den USA reagierte. Seit 1969 wurden elf Weißbücher verfasst. (dpa)