Das Rathaus in Memmingen. (Bild: Imago/Chromorange)
Städtetag in Memmingen

Eine anspruchsvolle Aufgabe

Der Bayerische Städtetag beschäftigte sich bei seiner Vollversammlung vor allem mit den Themen Zuwanderung, Integration und Wohnungsnot. Die Oberbürgermeister und Bürgermeister aus rund 270 Städten und Gemeinden sprachen aber auch über Ganztagesbetreuung an Schulen, die Energiewende und das Thema Elektromobilität.

Der Tagungsort war außerplanmäßig ins schwäbische Memmingen verlegt worden, damit der mit 36 Jahren dienstälteste Oberbürgermeister Deutschlands, Ivo Holzinger (SPD), nach jahrzehntelangem Engagement für den Städtetag in seiner Heimatstadt verabschiedet werden konnte. Der 68-Jährige geht im November in den Ruhestand. Die Vollversammlung des Bayerischen Städtetags befasste sich am 13. und 14. Juli 2016 in Memmingen mit den Auswirkungen der Zuwanderung und Integration. Zu Gast waren auch Innenminister Joachim Herrmann und Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller. „Integration ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Auf die Kommunen kommen große Herausforderungen zu: Hier sind frühzeitig Weichen zu stellen, um Integration zu unterstützen und zu begleiten“, so Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags.

Bildung ist der Anfang

„Kommunen können Integration, sie handeln schon lange. Das ist eine Aufgabe für Generationen“, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. Integration sei aber keine alleinige Aufgabe der Kommunen. Hier verzahnten sich viele Politikfelder, wie Städtebau und Wohnungsbau, Bildung, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, Ehrenamt, Kultur und Sport, Jugend- und Sozialhilfe sowie Kinderbetreuung in Kindergärten, Kitas und Horten.

Die deutsche Gesellschaft erwartet die Anerkennung ihrer bewährten verfassungsrechtlichen Grundwerte, die unantastbar sind, wie Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Ulrich Maly

Einzubeziehen sei neben den Zuwanderern immer auch die deutsche Bevölkerung. „Wir wollen alle mitnehmen. Keiner darf auf der Strecke bleiben. Städte müssen sich um Menschen mit Migrationshintergrund kümmern und müssen für alle Menschen Wege aus der Armut, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit öffnen“, mahnte der Nürnberger OB. „Integration beginnt mit Bildung, mit dem Erlernen der deutschen Sprache.“ Daneben gehe es auch um kulturelle Kompetenzen. „Es geht um den Respekt vor den Regeln des Zusammenlebens und die Einhaltung der demokratischen Rechtsordnung in Deutschland. Die deutsche Gesellschaft erwartet die Anerkennung ihrer bewährten verfassungsrechtlichen Grundwerte, die unantastbar sind, wie Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau“, erklärte Maly.

Wohnungen als Basis für Austausch

„Integration funktioniert über Wohnen: Die eigene Wohnung ist ein Rückzugsort, sie schafft eine Basis für Austausch und gegenseitige Unterstützung. Bezahlbare Wohnungen sind gerade in Ballungszentren und Universitätsstädten Mangelware,“ sagte der erste stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU).

Bezahlbare Wohnungen sind entscheidend, damit Integration gelingt.

Kurt Gribl

„Die Wartelisten sind lang – dies gilt für Einheimische wie für Zugewanderte. Die Mietpreise sind in die Höhe geschnellt.“ Die Wohnungsnot werde verschärft von den hohen Anforderungen bei Barrierefreiheit und energetischen Standards. „Bezahlbare Wohnungen sind entscheidend, damit Integration gelingt. Bund, Freistaat und Kommunen müssen ihre Kräfte bündeln, um Wohnungsnot zu lindern.“ Die staatliche Wohnraumförderung müsse weiter intensiviert, optimiert und vereinfacht, die finanziellen Mittel von Bund und Land erhöht werden. „Die Förderrichtlinien müssen der Praxis angepasst werden, sonst nutzen die schönsten Programme nichts“, mahnte Gribl.

„Die Rechnung klingt in der Theorie einfach, ist in der Praxis aber schwer umzusetzen: Günstige Grundstücke, niedrige Baukosten und ein attraktiver Förderrahmen schaffen günstige Mieten.“ Es müssten Anreize zur Flächenmobilisierung geschaffen werden, etwa befristete Vergünstigungen im Einkommensteuergesetz bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für Grundstücksveräußerungen an Gemeinden. Städte müssten bereits im Vorfeld formeller städtebaulicher Maßnahmen ein Vorkaufsrecht für Grundstücke auf eigenem Gebiet haben, um rechtzeitig Baugrund, Tausch- oder Ausgleichsflächen für Wohnungsneubauten erwerben zu können.

Sobald bezahlbare Wohnungen fehlen, steigt die Gefahr von sozialen Spannungen und wächst Konkurrenz zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Der Zuzug von Flüchtlingen erhöht den Druck auf den Wohnungsmarkt – gerade um bezahlbare Wohnungen.

Ulrich Maly

Neben der Wohnung für den Einzelnen gehe es um das geordnete Wohnumfeld. „Die Begegnung im Alltag ist ein erster Schritt zur Integration. Hierfür müssen Wohnquartiere und Wohngebiete durchmischt sein. Monostrukturen mit Migranten aus bestimmten Regionen oder die Ballung von sozialen Problemfällen entfalten schlechte Auswirkungen“, so Gribl. Je durchmischter die Sozialmilieus, je gemischter die Generationen, desto leichter falle den Menschen mit Migrationshintergrund das Einleben und desto leichter falle den deutschen Einwohnern das Zusammenleben. „Wer nicht frühzeitig plant, kann sich langfristig Folgeprobleme mit sozialen Spannungen einfangen“, sagte Gribl. In seiner Stadt hätten 42 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.

Arbeit integriert

Auch der Arbeitsmarkt ist für eine gelingende Integration entscheidend. „Wer Arbeit hat und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, integriert sich leichter in die Gesellschaft, gewinnt Unabhängigkeit und stärkt sein Selbstwertgefühl. Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtig – dies gilt für Zuwanderer ebenso wie für Langzeitarbeitslose, die in Deutschland geboren sind“, so der zweite stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Dingolfings Bürgermeister Josef Pellkofer. Die Hilfemöglichkeiten lägen in Kursen zur Nachqualifizierung, in Sprachkursen und beim Nachholen von Schulabschlüssen. Die Verfahren zur Anerkennung einer ausländischen beruflichen Qualifikation müssten verkürzt werden.

(PM/avd)