Das Bundesfamilienministerium hat Ende 2015 den Deutsch-Islamischen Vereinsverband Rhein-Main e.V. (DIV) in das Bundesprogramm „Demokratie leben“ zur Bekämpfung islamistischen Extremismus aufgenommen. Der 2004 gegründete DIV ist ein Dachverband für die Moscheegemeinden und Islamischen Kulturvereine des Rhein-Main-Gebiets. 46 Mitgliedsorganisationen gehören in Hessen und Rheinland-Pfalz dem Verband an. Doch unter ihnen sind laut Recherchen des Hessischen Rundfunks auch Organisationen, die dem weltweiten Netzwerk der Muslimbruderschaft zugeordnet werden können. Das ermittelte das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV).
86.000 Euro für Projekt kontra Radikalisierung
Auf der Internetseite nennt der DIV als eines seiner Ziele, „die religiösen Ansprüche der Muslime zu fördern und sie zur Übernahme von sozialen, politischen und kulturellen Aufgaben in und für die deutsche Gesellschaft zu motivieren“. Dazu kooperiere man mit „Kirchen, Parteien, Universitäten und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren bei Projekten zur Förderung einer wertegebundenen Gesellschaft und des respektvollen Miteinanders der verschiedenen Religionen und Kulturen in der Region“. So weit, so normal.
Unterstützt wird der Moschee-Verband bis zu fünf Jahre lang mit 86.000 Euro pro Jahr vom Bund, laut Hessischem Rundfunk. Das Geld fließt in das Projekt „Aktion kontra Radikalisierung muslimischer Jugendlicher“. Jugendliche, die radikal werden könnten, sollen islamische Gelehrte im Rahmen der Aktion von demokratischen Werten überzeugen.
Gottesstaat auf Grundlage des Korans
Bedenklich ist jedoch die mögliche Nähe des Dachverbandes DIV zu dem Netzwerk der Muslimbruderschaft. Ihr Ziel ist es, weltweit einen Gottesstaat auf der Grundlage des Korans zu errichten. Nach Einschätzungen mehrerer Verfassungsschutzbehörden gefährde dies die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland. Eines der bedenklichen DIV-Mitglieder ist das Europäische Institut für Humanwissenschaften (EIHW) in Frankfurt am Main. Die Ausbildungsstätte für Imame und Theologen ist nicht als staatliche Hochschule anerkannt, sondern kann als „Kaderschmiede für Muslimbruderschafts-Funktionäre betrachtet werden“. So bezeichnet der hessische Verfassungsschutz das Institut.
Auch der bayerische Verfassungsschutz beurteilt die Arbeit des EIHW kritisch, da auch Blockunterricht in München angeboten werde. Zudem gehöre dem DIV der „Verein Islamische Informations- und Serviceleistungen e.V.“ (IIS) in Frankfurt an. Damit besteht eine direkte Verbindung zu den Muslimbruderschaften. Denn den Verein ordnen die Verfassungsschützer „der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD)“ zu. Sie gilt als die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland. Nach eigenen Angaben versteht sie sich als „deutschsprachige Gemeinschaft von Muslimen mit der Aufgabe, den „Islam der Mitte“ bekannt zu machen“.
Sicherheitsbehörden prüfen Vorwürfe
Beim Bundesfamilienministerium heißt es laut Hessischem Rundfunk, man befinde sich in „Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium und verschiedenen Sicherheitsbehörden“. Wenn sich im Projektverlauf neue Erkenntnisse ergeben, die eine Neubewertung erforderlich machen, würde man daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Weder DIV noch seine beiden Mitglieder EIHW und IIS haben sich bislang auf Anfrage des Fernsehsenders zu den Vorwürfen geäußert.
Es kann nicht sein, dass radikale Islamisten Fördermittel des Bundes erhalten. Hier muss dringend für Aufklärung gesorgt werden.
Stefan Heck, Vorsitzende der Jungen Union Hessen
DIV ist kein Einzelfall
Der aktuelle Fall ist nicht der erste. Bereits im vergangenen Herbst gab es Diskussionen um die in Berlin feierlich eröffnete Beratungsstelle Bahira. In dem mit jährlich 130.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ geförderten Projekt werden zwei Mitarbeiter der Berliner Sehitlik Moschee bezahlt, laut Informationen der Zeit. Die Kreuzberger Moschee gehört dem türkischen Dachverband Ditib an, der direkt dem türkischen Religionsministerium – ergo der streng islamischen Partei AKP – unterstellt ist. Angesichts eines immer stärkeren „Durchgriffs“ der AKP-geführten türkischen Regierung auf den Verband der türkischen Moschee-Gemeinden „keine unproblematische Konstellation“, sagte auch Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums globaler Islam (FFGI), gegenüber der Zeit.
Ich halte es für problematisch, dass wir Beratungsangebote zunehmend an islamische Verbände und Moscheen delegieren.
Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums globaler Islam (FFGI)
Mangelhafte Prävention
Eine Überprüfung der Mitarbeiter durch den Verfassungsschutz ist bei den „Demokratie leben“-Projekten nicht vorgesehen. Das Bundesfamilienministerium verweist darauf, dass alle Projektträger den Hinweis erhalten: „Organisationen oder Personen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigen, darf keine direkte oder indirekte Förderung zuteilwerden.“
Schwesig kippte 2014 in einer ihrer ersten Amtshandlungen die von Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eingeführte Extremismusklausel. Diese schrieb vor, dass sich öffentlich geförderte Organisationen öffentlich zum Grundgesetz bekennen müssen. Insbesondere linken Gruppen widerstrebte ein solches Bekenntnis. Statt einer Unterschrift soll künftig nur noch ein Begleitschreiben verhindern, dass Steuergelder an extremistische Organisationen oder Personen gehen. Gegenüber dem Hessischen Rundfunk bedauert Schröder die falsche Entscheidung ihrer Nachfolgerin:
Es ist bedauerlich, dass die Demokratieerklärung zurückgenommen wurde. Sie hatte ihre Berechtigung.
Kristina Schröder, ehemalige Familienministerin
Wachsamkeit ist nämlich geboten. Dafür gibt es genügend Anhaltspunkte, so auch bei dem türkischen Dachverband Ditib. Lesen Sie mehr dazu: Der Bock als Integrations-Gärtner.
Kampf gegen Extremismus
„Demokratie leben“ unterstützt gesellschaftliche Gruppen und Initiativen, die sich in der Arbeit mit Jugendlichen engagieren, die in den Extremismus abzurutschen drohen. Für 2016 wurde die Fördersumme des Programms um zehn Millionen auf 50,5 Millionen Euro aufgestockt. Mehr als die Hälfte der zusätzlichen Gelder soll in die bundesweit 218 lokalen „Partnerschaften für Demokratie“ fließen, um deren Fach- und Koordinierungsstellen personell zu verstärken. Weitere 1,3 Millionen Euro sind für die 16 landesweiten Demokratiezentren vorgesehen, um die Ausstiegsberatung weiter auszubauen. Einer der Schwerpunkte ist dabei die Radikalisierungsprävention gegen gewaltorientierten Islamismus, Salafismus und Antisemitismus.
(Quellen: Hessischer Rundfunk/Zeit/AS)