Konfrontation in Friedrichshain: Demonstranten und Berliner Polizisten vor dem besetzten Haus in der Rigaerstraße. (Foto: Imago/Christian Mang)
Berliner Hausbesetzer

Ton, Steine, Scherbengericht

Die Randale um das "R94": Im Wahlkampf streiten die Berliner Parteien, wie mit gewaltbereiten Hausbesetzern zu verfahren ist. Brandstiftung, Attacken gegen die Polizei – CDU-Innensenator Henkel will hart durchgreifen. Der Regierende Bürgermeister der SPD, Michael Müller, dagegen möchte mit dem friedlichen Teil der Szene verhandeln. Die Grünen befürchten eine weitere Eskalation.

Zum Politikum schaukelt sich im Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlkampf die Schlacht um ein besetztes Haus im Stadtbezirk Friedrichshain auf. Seit Wochen eskaliert um ein alternatives „Wohn-Projekt“ in der Rigaerstraße 94 die Gewalt zwischen Linksautonomen und der Polizei. Das Haus ist bereits seit 1990 besetzt, immer wieder wollten die Behörden eine Zwangsräumung durchsetzen – und schreckten doch jedesmal zurück. Aber am 22. Juni rückte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Berliner Polizei an und räumte zumindest das Erdgeschoss des Gebäudes, das dessen Eigentümer nun zu einer Unterkunft für Flüchtlinge umbauen wollen.

Autos brennen, „Linx“ ermittelt gegen die Linken

Seit diesem Termin schlägt das jahrelange Hin und Her in einen offenen Schlagabtausch zwischen der Hausbesetzer-Szene und den Sicherheitsbehörden um. Auf der Homepage „Rigaer94 verteidigen“ kündigen die Autonomen einen „schwarzen Juli“ an. Autos brennen in mehreren Stadtteilen, bis ins weit entfernte Spandau. Vermummte greifen nachts ein Job Center an, das sie als Anmieter für Flüchtlingsheime ausgemacht haben. Die Fassade einer Bank wurde mit roter Farbe besprüht: „R94“. Die Polizei berichtet, dass die Radikalen auf der Straße Feuer legen, um dann die Sicherheitskräfte und die Feuerwehr bei ihrem Eintreffen zu attackieren. Inzwischen hat sie die Sonderermittlungsgruppe „Linx“ eingesetzt, um den Tätern auf die Spur zu kommen. In der Rigaerstraße selbst haben die Autonomen einen so genannten „Dorfplatz“ eingerichtet, auf dem sie regelmäßig protestieren. Die Anwohner der Gegend sind geteilter Meinung, manche solidarisieren sich mit den Demonstranten, andere wollen schlicht ihre Nachtruhe zurück.

Ich stelle mir nur für eine Sekunde vor, es gäbe in unserer Stadt eine Straße, in der militante Rechte unsere Polizisten von Dächern mit Steinen angreifen würden.

Frank Henkel, Innensenator

Die Parteien der Regierungskoalition im Berliner Senat streiten derweil um den Umgang mit der radikalen Szene. CDU-Innensenator Frank Henkel will durchgreifen: „Ich stelle mir nur für eine Sekunde vor, es gäbe in unserer Stadt eine Straße, in der militante Rechte unsere Polizisten von Dächern mit Steinen angreifen würden. Niemand käme auf die Idee, mit solchen Extremisten zu verhandeln.“ Zuvor hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) für Deeskalation geworben. Er will mit dem friedlichen Teil der Szene verhandeln.

Dass dies die Spirale der Gewalt durchbrechen kann, bezweifelt die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne). Sie befürchtet eine Ausweitung des Konflikts, weil die Innenbehörde für Anfang August die Räumung des Szeneladens „M99“ in Kreuzberg angekündigt hat. Der Rollstuhlfahrer Hans-Georg Lindenau, ein Faktotum aus den wilden Kreuzberger Vorwendezeiten, verkauft hier „Revolutionsbedarf“: Tränengas, Gasmasken, Pfefferspray, Klamotten, Szenemagazine. Sein Vermieter hat ihn seit längerem gekündigt, weil er Räume ohne Erlaubnis untervermietet habe. Seit Januar hat Lindenau das „M99“ als „besetzt“ deklariert.

Der heiße Sommer bis zum Wahlsonntag

Der SPD-Landesgeschäftsführer Dennis Buchner tritt im Streitfall „R94“ für „Gespräche mit den Anwohnern“ ein. Schon am klassischen Berliner Randale-Termin 1. Mai, an dem es in diesem Jahr verhältnismäßig ruhig geblieben war, ist es Brunner zufolge gelungen, gewaltbereite Chaoten von Mitläufern zu trennen. So müsse man nicht mit Gewalttätern verhandeln, um die Lage zu beruhigen. Innensenator Henkel jedoch will gegenüber der gesamten Szene Kompromisslosigkeit demonstrieren. Bis am 18. September das Abgeordnetenhaus gewählt ist, liegt hinter der Hauptstadt ein heißer Sommer – der an die Wendezeit erinnert, als in der benachbarten Mainzer Straße Demonstranten von Dächern Straßenplatten auf Polizisten warfen.