500.000 Familiennachzügler?
Durch den Nachzug von Familienmitgliedern könnten noch einmal Hunderttausende Menschen nach Deutschland kommen. Zu diesem Schluss kommt eine Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Eine besorgniserregende Zahl, wie Bayerns Innenminister Herrmann betont. Unterdessen wird klar: Die Mehrheit der bislang illegal angekommenen Flüchtlinge hatte keinerlei Papiere dabei.
Asylpolitik

500.000 Familiennachzügler?

Durch den Nachzug von Familienmitgliedern könnten noch einmal Hunderttausende Menschen nach Deutschland kommen. Zu diesem Schluss kommt eine Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Eine besorgniserregende Zahl, wie Bayerns Innenminister Herrmann betont. Unterdessen wird klar: Die Mehrheit der bislang illegal angekommenen Flüchtlinge hatte keinerlei Papiere dabei.

Beinahe eine halbe Million Flüchtlinge könnten in den kommenden Jahren zu ihren vorausgezogenen Verwandten nach Deutschland nachreisen. Zu dieser Zahl kommt ein Prognosepapier des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), aus dem unter anderem die Süddeutsche Zeitung zitiert.

Im Schnitt ein Nachzug pro Flüchtling

In dem Papier ist zu lesen, dass das BAMF unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie etwa das Alter der Flüchtlinge oder die Anzahl der Kinder mit einem Nachzügler pro bereits angekommenem Flüchtling aus dem Kriegsgebiet in Syrien rechnet. Zu den 428.000 Syrern, die im letzten Jahr nach Deutschland gekommen sind, sowie den knapp 72.000, die im ersten Halbjahr 2016 ankamen, kämen dann also noch einmal beinahe 500.000 Menschen hinzu.

Allerdings wird sich der Nachzug erst in einiger Zeit bemerkbar machen. Grund hierfür ist das vor einigen Wochen von der Bundesregierung verabschiedete Asylpaket II. In diesem ist nicht nur geregelt, dass mehr syrische Flüchtlinge hierzulande nur noch subsidiären Schutz – und damit keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung – erhalten. Der Familienzuzug wurde zusätzlich für zwei Jahre ausgesetzt.

Zusätzliche Kosten und Aufgaben für Sozialkassen?

Eine explosionsartige Vergrößerung der Flüchtlingszahlen, wie sie von vielen befürchtet wird, wird es also möglicherweise vorerst nicht geben. Allerdings sagen BAMF-Verantwortlichen weitere Kosten und Aufgaben für die deutschen Sozialkassen voraus. Hinzu kommt dann noch, dass in etwa zwei Jahren der Familienzuzug doch noch in größerem Stil eintreten könnte. Um ein Visum für Deutschland zu bekommen, müssten die Verwandten der Asylbewerber aber in den deutschen Vertretungen, etwa in der Türkei, aktuell bis zu vier Monate warten. Sicher ist die Zahl von einer halben Million Nachzügler keineswegs, andere Schätzungen gingen von weit höheren Nachzugszahlen aus. Dennoch, so das BAMF, müsse man sich schon jetzt auf diese Größenordnung einstellen.

Innenminister Herrmann zeigt sich besorgt – und kritisiert das BAMF

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete die Prognose des BAMF als „überaus besorgniserregend“. Dies sei die Folge einer falschen Entscheidungspraxis des Bundesamtes: „Es werden immer noch zu viele Syrer als politische Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt“, so der CSU-Politiker. Wer lediglich vor den akuten Auswirkungen eines Bürgerkriegs fliehe, habe nach europäischem und deutschem Asylrecht lediglich Anspruch auf einen subsidiären Schutzstatus, für den das europäische Recht keinen Familiennachzug vorsieht. „Die darüberhinausgehende deutsche Sonderregelung ist zunächst für zwei Jahre ausgesetzt“, betonte der Minister. 

Diese Prognose ist überaus besorgniserregend und die Folge der Entscheidungen des Bundesamts. Es werden immer noch zu viele Syrer als politische Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt.

Joachim Herrmann

Herrmann erkennt zwar an, dass die vor allem auf bayerischen Druck Mitte März 2016 erfolgte Verfahrensänderung beim BAMF endlich Auswirkungen zeigt. Wurden bis dahin nahezu alle syrischen Flüchtlinge lediglich nach Ausfüllen eines Formblatts ohne mündliche Anhörung als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, müssen sich diejenigen, die seitdem einen Asylantrag stellen, wieder einer mündlichen Anhörung unterziehen, in der die Fluchtgründe im Einzelnen nachgeprüft werden können. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der subsidiär schutzberechtigten Syrern von März mit lediglich 2,3 Prozent auf 28,5 Prozent im Mai bundesweit deutlich gestiegen ist, in Bayern von 1,4 Prozent auf 18,3 Prozent (jeweils bezogen auf die in diesem Monat ergangenen Asylentscheidungen).

Es ist unverständlich, wie es sein kann, dass der Anteil subsidiär Schutzberechtigter in Bayern deutlich niedriger ist als bundesweit.

Joachim Herrmann

Herrmann ist dennoch irritiert: „Unverständlich ist mir, wie es sein kann, dass der Anteil subsidiär Schutzberechtigter in Bayern deutlich niedriger ist als bundesweit. Die Verfolgungssituation kann hier nicht anders sein.“ Anders als Menschen mit Asyl- oder Flüchtlingsstatus bekommen subsidiär Schutzberechtigte nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert werden kann. Der Innenminister kündigte an, die nach wie vor unbefriedigende Entscheidungspraxis beim BAMF in der kommenden Woche auch auf der Innenministerkonferenz im saarländischen Mettlach zu thematisieren.

Mehrheit der Flüchtlinge ohne Papiere unterwegs

Unterdessen belegen neue Zahlen der Bundespolizei, dass die überwiegende Mehrheit der illegal nach Deutschland eingereisten Migranten im Frühjahr 2016 ohne Papiere ins Land gekommen ist.  Dem Bericht zufolge waren etwa 80 Prozent der Migranten, die im Zeitraum Januar bis April nach Deutschland kamen, nicht im Besitz eines Passdokuments. Von den 114.255 von der Bundespolizei an der Grenze aufgegriffenen Menschen waren knapp 91.000 Flüchtlinge ohne Papiere unterwegs.

Außerdem verzeichneten die Behörden im ersten Quartal diesen Jahres 1.306 gefälschte Dokumente, 145 von ihnen bei Syrern. 2015 konfiszierte die Polizei insgesamt 4.973 gefälschte Ausweisdokumente bei illegal eingereisten Migranten, davon 834 gefälschte Ausweise bei Syrern. In den ersten vier Monaten des Jahres 2016 waren weit mehr als 4.000 eingereiste Personen bei der Polizei zur Fahndung ausgeschrieben.

(dos/dpa)