Die Gebäude Geigerstraße 2 bis 2c in Nürnberg-Reichelsdorf. Die ehemaligen Mieter klagen, sie seien mit „Mafia-Methoden“ aus dem Haus geekelt worden. Der Eigentümer hat der Stadt Nürnberg die Gebäude für Flüchtlingsunterkünfte angeboten. (Foto: Wolfram Göll)
Nürnberg-Reichelsdorf

Mieter raus, Flüchtlinge rein?

Hat die Stadt Nürnberg zugelassen, dass ein Hauseigentümer im Stadtteil Reichelsdorf die Mieter mit „Mafia-Methoden“ rauswarf, um das Haus für teures Geld als Flüchtlingsunterkunft an die Stadt zu vermieten? Die CSU-Stadtratsfraktion fordert in einem Antrag nun Aufklärung, Transparenz und klare Vorgaben für künftige Vertragsabschlüsse.

Der Eklat war perfekt bei einer Bürgerversammlung Mitte Mai in Nürnberger Stadtteil Reichelsdorf: Die rund 200 Besucher im Sportheim des SV Reichelsdorf ließen wegen der ursprünglich geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Geigerstraße 2 (Bild) kein gutes Haar an der Stadtverwaltung. Sozialamts-Leiter Dieter Maly (SPD) – pikanterweise gleichzeitig auch Bruder des Oberbürgermeisters Ulrich Maly (SPD) – musste massive Kritik einstecken. „Wie doof kann die Stadt denn sein, das nicht vorher zu prüfen?“, rief ein Mann laut in die Runde. Die Atmosphäre der Versammlung war aufgeheizt und „zeitweise durchaus bedrohlich“, wie die Nürnberger Nachrichten (NN) schrieben.

Hintergrund: Der neue Eigentümer des Gebäudekomplexes Geigerstraße 2, 2a und 2b hatte die bisherigen Mieter – wie diese sich gegenüber der Lokalpresse beklagten – mit „Mafia-Methoden“ aus dem Haus getrieben. „Ich habe Angst, ich bin ja ganz alleine gegen die“, zitieren die NN mehrere Mieter. „Das ist ein richtiger Clan, die waren manchmal mit bis zu zehn Männern da. Da fühlt man sich schon eingeschüchtert.“ Daraufhin bot der Eigentümer der Stadt das Haus als Flüchtlingsunterkunft an, und das Sozialamt schloss einen Vertrag mit ihm ab, der aber mittlerweile gekündigt wurde. Die Bürger geben der Stadt also nicht ganz zu unrecht eine Mitschuld an den reihenweisen Rausschmissen.

„Stadt wurde und wird abgezockt von halbseidenen Vermietern“

Sozialamtsleiter Dieter Maly versuchte sich in der Bürgerversammlung zu rechtfertigen, dass die Stadt von dem neuen Eigentümer „arglistig getäuscht“ worden sei, dass das Sozialamt nicht für das Schicksal der gekündigten, bedrohten, hinausgeekelten Mieter verantwortlich sei, dass die Geigerstraße nicht mit Flüchtlingen belegt wird und dass jetzt alle Verträge mit den Vermietern der Unterkünfte auf den Prüfstand kommen.

Die Gegend ist jedem bekannt, der schon einmal von Süden, auf der alten B2, nach Nürnberg hineingefahren ist. Dort beherrscht das Hochhaus-Ensemble „Einsteinring“, eine gigantische Wohnanlage aus den 70er Jahren mit Hochhäusern bis zu 22 Stockwerken, das Bild. Gerade im Schatten dieser gewaltigen Hochhäuser liegt das Ensemble Geigerstraße 2. Eigentlich keine schlechte Gegend, zumal direkt hinter den Häusern das Naherholungsgebiet Rednitztal liegt.

Die CSU-Stadtratsfraktion lässt das nicht ruhen. „Es scheint klar zu sein, dass die Stadt durch halbseidene Vermieter von Flüchtlingsunterkünften abgezockt wurde und abgezockt wird“, sagt CSU-Fraktionschef Sebastian Brehm zum BAYERNKURIER. Gleichzeitig kritisiert Brehm, dass das SPD-geführte Sozialamt den Mietvertrag ohne Abstimmung mit dem Rechtsamt und ohne Befassung im Bau- und Vergabeausschuss des Stadtrats geschlossen hat.

Raus aus dem Krisenmodus, zurück zum geordneten Verfahren

Um das künftig zu vermeiden, hat Brehms CSU-Fraktion einen Antrag an den Stadtrat gestellt, dass derlei Vergaben künftig wieder nach festen Kriterien abzulaufen haben. „Wir müssen raus aus dem Krisenmodus und wieder zu einem geordneten Verfahren kommen“, so Brehm zum BAYERNKURIER. Dazu gebe es jetzt die Gelegenheit, weil der Zustrom von Flüchtlingen deutlich nachgelassen habe. Brehm: „Die CSU-Stadtratsfraktion fordert in Ihrem Antrag klare Vorgaben für Vertragsabschlüsse und mehr Transparenz gegenüber den Bürgern. Auch soll die bisherige Praxis überprüft und in die üblichen städtischen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren überführt werden.“

„Durch die Ereignisse um die Entmietung eines Wohn- und Geschäftshauses im Stadtteil Reichelsdorf – um es anschließend der Stadt als Flüchtlingsunterkunft anzubieten – wurde in den letzten Wochen mehr als deutlich, wie wichtig die Einhaltung und Prüfung von Kriterien für solche Anmietungen sind“, sagt Brehm. Dazu gehöre, dass normale Standards in Mietverträgen, Vorschriften bezüglich Brandschutz und so weiter, eingehalten würden, betonte Brehm gegenüber dem BAYERNKURIER. Auch müssten normale Mietkosten eingehalten werden. „Wenn ein Vermieter diese Kriterien nicht einhält, muss man aus den Verträgen schnell auch wieder rauskommen“, sagte der Rathaus-Fraktionschef.

„Nach Ansicht der CSU-Stadtratsfraktion darf keine Marktsituation entstehen, die es Eigentümern ermöglicht, durch Kündigung bestehender Mietverhältnisse vermeintlich freie Kapazitäten für neue Flüchtlingsunterkünfte zu schaffen und gewinnbringend zu vermarkten“, so Brehm. Auch Bayerns Finanzminister Markus Söder kritisiert: „So etwas wie in Reichelsdorf darf sich nicht wiederholen.“ Es habe sich aufgrund der Unterbringungs-Notlage durch die offenen Grenzen „ein Glücksrittertum breitgemacht“. Die Unterbringung müsse jetzt jedoch so geregelt werden, „dass kein Glücksrittertum mehr möglich ist“, so Söder.