Kontrolle ist günstiger als Durchwinken
Regelmäßig warnen Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften vor den vermeintlich verheerenden Folgen von Grenzkontrollen in Europa. Das Münchner ifo-Institut hat jetzt nachgerechnet und kommt zu einem anderen Ergebnis: Geschlossene Schlagbäume kosten deutlich weniger als die Folgen der ungebremsten Zuwanderung.
Flüchtlingspolitik

Kontrolle ist günstiger als Durchwinken

Regelmäßig warnen Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften vor den vermeintlich verheerenden Folgen von Grenzkontrollen in Europa. Das Münchner ifo-Institut hat jetzt nachgerechnet und kommt zu einem anderen Ergebnis: Geschlossene Schlagbäume kosten deutlich weniger als die Folgen der ungebremsten Zuwanderung.

Was hatte es nicht alles für Warnungen gegeben. „Zehn Milliarden“ im Jahr könnten Grenzkontrollen allein die deutsche Wirtschaft kosten, behauptete etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. „Nicht auszudenken“ wären die „Konsequenzen von Behinderungen oder gar geschlossenen Grenzen für die europäische Wirtschaft mit ihrer ausgeklügelten Arbeitsteilung und Logistik“ prophezeite der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer. Und für den Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, stand fest: Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen seien „Gift“.

Die bisherigen Grenzkontrollen kosten maximal 30 Euro pro Kopf

Nun, ganz so dramatisch ist es dann wohl doch nicht. Eine Untersuchung des renommierten Münchner ifo-Instituts kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass eine systematische Kontrolle von Personen an allen Schengen-Grenzen die Wirtschaftsleistung der in diese Berechnung einbezogenen 27 EU-Länder im Jahr um 0,19 bis 0,47 Prozent dämpfen würde. Das wären insgesamt für alle diese Länder 26,65 bis 65,8 Milliarden Euro oder 52,74 Euro bis 130,28 Euro pro Kopf. „Diese Kosten machen nur einen kleinen Teil jener Summen aus, die durch unkontrollierte Massenzuwanderung entstehen könnten“, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft. Zum Vergleich: Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte prognostiziert, dass Unterbringung, Verpflegung sowie Integrations- und Sprachkurse für Flüchtlinge allein Deutschland in diesem und im nächsten Jahr knapp 50 Milliarden Euro kosten werden.

Wahrscheinlicher sind ohnehin Kontrollen an den Außengrenzen.

Ifo-Forscher Felbermayr hält einen vollständigen Kollaps des Schengen-Raumes für unwahrscheinlich. Viel eher sei mit Kontrollen ausschließlich an den Grenzen entlang der Flüchtlingsrouten zu rechnen. „In einem weiteren Szenario haben wir daher die Kosten für Kontrollen an jenen Grenzen berechnet, an denen seit Sommer 2015 gemäß Schengen-Grenzkodex Artikel 23 fokussierte Grenzkontrollen an die EU gemeldet worden sind“, so Felbermayr. „Wir kommen dabei auf 0,06 bis 0,11 Prozent des BIP. Das sind 9,0 bis 15,4 Milliarden Euro oder 17,83 Euro bis 30,39 Euro pro Kopf.“

Folgen für Bayern sind überschaubar

Unberücksichtigt blieb bei der ifo-Studie, dass ein beträchtlicher Teil der Handelsströme gar nicht über die Straße geht und dass auch der Interkontinentalhandel Europas mit dem Rest der Welt von Grenzkontrollen an Schengen-Grenzen betroffen sein kann. Personenkontrollen wirkten, so die ifo-Experten, wie ein Zoll von 0,5 Prozent im Güterhandel und 0,8 Prozent im Dienstleistungshandel. Erfahrungen an den Grenzen der USA zu Kanada und Mexiko zeigten, dass dort Lastwagen im Durchschnitt 20 Minuten warten müssen.

Bei systematischen Personenkontrollen nur an der bayerischen Grenze zu Österreich fiele die bayerische Jahres-Wirtschaftsleistung um 240 bis 580 Millionen Euro.

Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft

Wie hoch die Kosten von Grenzkontrollen für Bayern wären, haben die Münchner Forscher ebenfalls berechnet. Die systematische Überprüfung von Personen an der Grenze zu Österreich, am Brenner sowie auf der Balkan-Route würde die Wirtschaftsleistung des Freistaats demnach um 400 bis 990 Millionen Euro im Jahr mindern. Das wären 0,07 bis 0,18 Prozent oder 31 bis 77 Euro pro Kopf der bayerischen Bevölkerung. Die bayerischen Waren-Exporte fielen in diesem Szenario um 1,7 Milliarden Euro im Jahr niedriger aus, die Waren-Importe wären um 2,2 Milliarden Euro geringer. „Bei systematischen Personenkontrollen nur an der bayerischen Grenze zu Österreich fiele die bayerische Jahres-Wirtschaftsleistung um 240 bis 580 Millionen Euro, das sind 0,04 Prozent bis 0,11 Prozent. Das sind Ausfälle von 18 bis 45 Euro pro Kopf im Jahr“, sagt ifo-Fachmann Felbermayr. Bei systematischen Personenkontrollen an allen europäischen Schengen-Grenzen würde die bayerische Jahreswirtschaftsleistung um 0,79 bis 1,93 Milliarden Euro sinken, also um 0,15 bis 0,36 Prozent. „Das wären 61 bis 151 Euro pro Kopf und Jahr“, ergänzt Felbermayr.  Auch hierzu die Vergleichszahlen: Allein im vergangenen und in diesem Jahr gibt der Freistaat 4,5 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise aus.