Die Spitzen der Großen Koalition haben sich unter anderem auf die EIführung eines bundesweiten Integrationsgesetzs geeinigt. (Foto: IPON/imago)
Koalitionsgipfel

Große Fortschritte, großer Redebedarf

Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte soll es ein bundesweit geltendes Integrationsgesetz geben. Das ist eines der Ergebnisse des Gipfeltreffens der Großen Koalition. Auch bei der Rente herrscht Einigkeit. Bundeskanzlerin Merkel, Bayerns Ministerpräsident Seehofer und Vizekanzler Gabriel sprechen von wichtigen Ergebnissen und einem "guten Abend" für die Bundesregierung.

„Ich denke schon, dass man da von einer historischen Entscheidung sprechen kann“, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu Beginn seiner Ausführungen bei der Pressekonferenz der Großen Koalition in Berlin. Nach dem abendlichen Spitzentreffen aus CDU, CSU und SPD zeigten sich neben Seehofer auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zufrieden mit den Gesprächen. „Das war ein guter Abend für die Koalition“, stellte dann auch SPD-Chef Gabriel fest. Er hoffe, dass die offene Atmosphäre der Gespräche bis zum Ende der gemeinsamen Legislaturperiode anhalten werde. Dem pflichteten auch Bundeskanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer bei. Bayerns Ministerpräsident betonte dabei: „Ich denke, wir haben gestern Abend viel bewirkt für unser Land. Aber ich möchte auch nicht verschweigen, dass wir noch gigantisch viel zu tun haben bis zur Sommerpause.“

Neues Integrationsgesetz: Fördern und Fordern

Dennoch: Ein wichtiges Projekt nahm bei der abendlichen Sitzung konkrete Formen an: Ein bundesweites Integrationsgesetz. In ihm enthalten sein sollen Regelungen für Flüchtlinge und Asylbewerber, aber auch für Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben. „Dabei leitet uns auch weiterhin der Grundsatz: Fördern und Fordern“, stellte CDU-Chefin Merkel klar. Besonders auf dem Arbeitsmarkt soll das neue Gesetz Verbesserungen für die Integrationswilligen, aber auch für deren Arbeitgeber bringen.

Wer Integrationsangebote ablehnt oder abbricht,  muss auch mit Konsequenzen für die Sozialleistungen rechnen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Horst Seehofer

Dabei sieht die Regelung beispielsweise einen Schutz für diejenigen vor, die hierzulande eine Berufsausbildung begonnen haben. Sie sollen die Ausbildung auf jeden Fall beenden können. Möchte der Ausbildungsbetrieb den Azubi danach übernehmen, kann dies für eine Dauer von bis zu zwei Jahren geschehen. Verzichtet der Betrieb auf eine Übernahme, bleiben dem Ex-Azubi sechs Monate Zeit, um eine neue Stelle zu finden. Für jene, die eine Ausbildung vorzeitig abbrechen, gelten diese Regeln aber nicht, wie Angela Merkel betonte.

Horst Seehofer sprach von einem „sehr umfangreichen Angebot, dass die Chance eröffnet, dass wir von einem Land der gelingenden Integration werden reden können.“ Dies sei wichtig, damit ein gesellschaftliches Miteinander zustande käme, stellte der CSU-Chef fest. „Wer Integrationsangebote ablehnt oder abbricht,  muss auch mit Konsequenzen für die Sozialleistungen rechnen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, sagte Seehofer.

Fortschritte bei Terrorabwehr

In der Frage, wie sich Deutschland noch besser auf die Bedrohung durch internationalen Terrorismus vorbereiten könnte, kamen die Koalitionsspitzen ebenfalls einen Schritt voran. So einigten sich die drei Parteichefs auf die Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs, in dem Verpflichtungen und Sanktionen gebündelt werden sollen. Darin enthalten sein sollen auch klare Regelungen für deutsche Unternehmen.

Wahlkampfthema Rente?

Bundeskanzlerin Merkel nannte die Debatte um eine Reform des deutschen Rentensystems „eine der vordringlichsten Aufgaben der kommenden Zeit“. In diesem Bereich werde die Große Koalition weitere Gespräche führen. Die Koalitionspartner wollen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern einen Dialog über eine Rentenreform starten, die zwei Probleme angeht: Geringverdiener nutzen die staatlich geförderte private Altersvorsorge (Riester-Rente) nicht ausreichend, gleichzeitig sinkt das gesetzliche Rentenniveau.

Ich denke nicht, dass die Rentenpolitik sich als Thema zur parteipolitischen Profilierung eignet.

Horst Seehofer

Ob vor der Bundestagswahl noch Neuerungen beschlossen werden, ließen Seehofer und Gabriel offen. Seehofer sagte allerdings, es bestehe „breiter Konsens, dass es hier Handlungsbedarf gibt“. Der CSU-Chef betonte aber auch, wie wichtig eine breite Unterstützung für Veränderungen im Rentensystem sei. „Ich denke nicht, dass die Rentenpolitik sich als Thema zur parteipolitischen Profilierung eignet“, sagte Seehofer in Richtung der SPD.

Gesprächsbedarf in vielen Bereichen

Trotz der Fortschritte in einigen Bereichen waren sich Merkel, Seehofer und Gabriel einig, dass es in vielen anderen Feldern noch erheblichen Gesprächsbedarf zwischen den Koalitionspartnern gibt. Ein Thema wird dabei die Elektro-Mobilität sein: Entgegen Erwartungen in SPD und CSU wurden noch keine Kaufanreize für Elektro-Autos beschlossen, um deren Absatz zu fördern. Darüber soll nun auf einem vom Kanzleramt ausgerichteten Auto-Gipfel am 26. April beraten werden. „Wir werden im April Entscheidungen treffen für die Förderung der Elektromobilität“, sagte Kanzlerin Merkel zu. Nach Medienberichten sträubt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble gegen eine solche Förderung.

Und auch die Erbschaftsteuer bleibt weiter ein Diskussionspunkt. Im Kern geht es darum, welche Privilegien Firmenerben zugestanden werden, wenn sie Betrieb und Arbeitsplätze erhalten. Die bisherigen Verschonungsregeln laufen nur noch bis Ende Juni, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen im Dezember 2014 gekippt hatte. „Auch bei der Erbschaftsteuer wird weiter gesprochen, da sind wichtige Gemeinsamkeiten identifiziert“, sagte Merkel. Einige Punkte seien offen. „Das haben wir gestern nicht in der Tiefe erörtert.“ Seehofer betonte, es gebe hier noch besonderen Gesprächsbedarf.