Schwarze Propaganda-Fahne der Terrororganisation ISIS. (Foto: imago/ZUMA Press)
Verfassungsschutzbericht

„Auch Deutschland ist im Fadenkreuz des Terrors“

Der neue bayerische Verfassungsschutzbericht zeigt: Die Terrorgefahr ist nach wie vor groß - im Freistaat und der gesamten Bundesrepublik. Bayerns Innenminister Herrmann fordert deshalb, die Zusammenarbeit der internationalen Geheimdienste und Verfassungsschützer noch weiter zu intensivieren. Zusätzlich fordert er ein Beratungssystem für Radikalisierte - und sagt dem "braunen Sumpf" den Kampf an.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht auch Deutschland im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus und warnt vor weiteren Anschlägen in Europa. Bei der Vorstellung des Bayerischen Verfassungsschutzberichts für das vergangene Jahr machte der CSU-Politiker deutlich, dass es 2015 in Europa mehr als 150 Opfer islamistisch motivierter Gewalttaten gegeben habe. „Sie alle fielen religiösen Fanatikern zum Opfer, mehr als 130 von ihnen bei den November-Anschlägen in Paris“, sagte Herrmann bei der Vorstellung des Berichts in München. Als Konsequenz aus den Vorkommnissen der vergangenen Monate forderte der Innenminister, die Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden weiter zu intensivieren. Unter anderem schlägt der CSU-Politiker ein EU-weites Informationssystem und ein sogenanntes „Ausreiseregister“ zu installieren. Durch dieses Register soll verfolgt werden können, wenn sich in Europa lebende Menschen in Richtung Syrien bewegen – beispielsweise, um sich dort Kampfgruppen anzuschließen oder an Terror-Camps teilzunehmen. Zusätzlich sollen das Schengener Informationssystem, sowie die behördlichen Zugriffsmöglichkeiten von Grenzschutz- und Sicherheitsbehörden verbessert werden sowie weitere Informationssysteme zur Schließung von Informationslücken entwickelt und die verschiedenen Datenbanken noch besser miteinander verknüpft werden. Sein strukturelles Ziel formulierte der Innenminister so: „Ein Zugriff, europaweit ein Treffer!“

IS könnte Flüchtlingsstrom für sich nutzen

Offenbar hat sich laut Verfassungsschutz auch die Befürchtung bewahrheitet, dass der sogenannte Islamische Staat die Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa dazu genutzt hat, um eigene Kämpfer auf den Kontinent zu bringen. „Unter den einreisenden Flüchtlingen könnten auch IS-Kämpfer gezielt eingeschleust werden“, warnte Herrmann daher. Polizei und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gingen zur Zeit entsprechenden Hinweisen auf Terrorgefahren „in jedem Einzelfall nach.“ Bislang habe es bundesweit Ermittlungsverfahren im „unteren zweistelligen Bereich“ gegeben, so der CSU-Politiker.

Weitere Überwachung islamistischer und rechtsextremer Szenen

Mit gezielten Präventionsmaßnahmen möchte der Innenminister versuchen, Rekrutierungs- und Anwerbeversuche radikaler Islamisten weiter zu unterbinden: „Einige islamistische Gruppierungen haben bereits gezielt dazu aufgerufen, Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte aufzusuchen oder in deren Umfeld Kontakte geknüpft.“ In einem neuen Flyer klärt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz deshalb über derartige Anwerbeversuche in Unterkünften auf.

Wie Herrmann weiter betonte, gehe die Gefahr von Gewalt und Terror aber nicht nur von der islamistischen Seite aus. Auch die rechtsextremistische und islamfeindliche Szene bleibe weiter intensiv im Visier von Polizei und Verfassungsschutz: „Angesichts steigender Agitation im Internet und Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, den braunen Sumpf auszutrocknen.“

Übergriffe auf Asylunterkünfte fast verdreifacht

Bundesweit sei auch die Zahl der Übergriffe auf Asylunterkünfte auf annähernd 1.000 Fälle angestiegen, berichtete Herrmann – „über 850 davon waren rechtsextremistisch motiviert.“ In Bayern habe sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht – in einigen Bundesländern liegt die Steigerungsrate aber noch deutlich höher.

Wer als Täter eines derartigen Übergriffes identifiziert wird, den muss die volle Härte des Rechtsstaates treffen.

Joachim Herrmann

Für selbsternannte Hilfssheriffs mit zweifelhafter Motivation sei kein Platz. „Wir müssen deshalb die rechtsextremistische Szene weiter genau im Blick haben.“ Gerade Parteien wie „Der Dritte Weg“ und „Die Rechte“ unterlägen besonderer Aufmerksamkeit durch den Verfassungsschutz.

Linksextreme Straftaten haben sich mehr als verdoppelt

Nicht aus dem Auge verloren werden dürfe auch die linksextremistische Szene, so Herrmann. Innerhalb eines Jahres habe sich die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten von 50 in 2014 auf 122 in 2015 mehr als verdoppelt. Nur ein geringer Teil stehe dabei im Zusammenhang mit dem G7-Gipfel in Elmau. Die Mehrzahl der Taten ereignete sich im Zusammenhang mit Veranstaltungen des politischen Gegners. Herrmann plädierte dafür, das Strafrecht bei Gewalttaten gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte noch einmal zu verschärfen: „Solchen Gewalttaten muss zwingend eine Freiheitsstrafe folgen.“