Ralf Stegner, der stets übellaunige Lautsprecher der SPD-Linken. (Bild: Imago/Stefan Zeitz)
Ralf Stegner

Störenfried CSU? Von wegen!

Kommentar SPD-Vize Ralf Stegner hat mal wieder verbal daneben gegriffen. "Die CSU betätigt sich als Störenfried", jammerte er. Die Partei von Horst Seehofer führe sich derzeit "bockig" auf und blockiere wichtige Vorhaben, die man im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Wie bitte? Falschen Politikansätzen darf man schlichtweg nicht zustimmen! Außerdem: Wenn jemand blockiert, dann die SPD - siehe Asylpaket 2!

Als Beispiele nannte Stegner den Widerstand der CSU gegen den Gesetzentwurf aus dem CDU-geführten Bundesfinanzministerium zur Reform der Erbschaftssteuer und gegen das vor allem von der SPD vorangetriebene Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen. Die Menschen erwarteten, dass die Regierung nicht nur streitet. „An der SPD liegt das nicht, wie jeder sehen kann“, meinte der SPD-Vize. Er forderte oberlehrerhaft ein Machtwort der Kanzlerin: „Frau Merkel muss sich jetzt durchsetzen gegen Herrn Seehofer.“ Stegner wiederholte seinen falschen Vorwurf, die CSU leiste durch eine angebliche Lähmung der Koalitionsarbeit der Politikverdrossenheit Vorschub und treibe rechtspopulistischen Parteien die Wähler zu (der Bayernkurier berichtete). „Die Rechtspopulisten haben nur dann eine Chance, wenn die Regierungen nicht ordentlich regieren“, sagte er. Und krönte dann seine gesammelten „Wahrheiten“ mit dem Satz: „Für die SPD ist wichtig, dass wir ordentlich regieren.“ Stegner bootete damit auch mal wieder die neue SPD-Generalsekretärin Katarina Barley aus, ein Amt, das der Parteilinke offenbar selber gerne gehabt hätte.

Verdrehung der Tatsachen

Das alles ist – sorry, aber man kann es einfach nicht anders nennen – absoluter Blödsinn! Das Gespräch der drei Vorsitzenden am Mittwoch fand in einer sachlich-konstruktiven Atmosphäre statt, berichteten alle Teilnehmer. Von dem ernsthaften Versuch wurde gesprochen, die anstehenden Streitigkeiten auszuräumen und die Probleme zu lösen. Am kommenden Mittwoch beim sogenannten „Koalitionsgipfel“ werde man weiter sehen. Am kommenden Sonntagabend wollen sich Merkel, Seehofer mit einem größeren Kreis von Parteifreunden treffen, um die Runde am Mittwoch vorzubereiten. Dabei wird es dann erneut um die Sachfragen gehen, die zwischen CDU und CSU oder mit der SPD streitig sind: die Flüchtlingspolitik, die Erbschaftsteuer, die Regulierung von Leiharbeit und Zeitverträgen sowie die finanzielle Förderung der Elektro-Mobilität.

Zu Stegners und Barleys Kritik im Einzelnen:

Bockiger Störenfried: Hier reicht bereits die Antwort von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: „Die Ferndiagnosen von SPD-Stegner sind peinlich und falsch. Wer nach einem sachlichen und konstruktiven Gespräch von Union und SPD im Kanzleramt von Störenfrieden spricht, gesteht ein, dass er von der Realität keine Ahnung hat.“ Und ganz nebenbei: Wie miserabel würde unser Land in Punkto Flüchtlinge dastehen, wenn nicht die CSU Merkels Willkommens-Frieden gestört hätte? Dann wären alle notwendigen Maßnahmen aus den beiden Asylpaketen, wie schnellere Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsländer und Leistungskürzungen für Asylbewerber, gar nicht oder nur mit vielen Monaten Verspätung auf den Weg gebracht worden. Das entkräftet übrigens auch den Vorwurf, die CSU würde nichts bewirken – und solle die Koalition deshalb verlassen. Ohne CSU wäre bis zum jüngsten EU-Gipfel mit dem unzuverlässigen Partner Türkei in der Asylpolitik nichts oder nur wenig passiert.

Die Ferndiagnosen von SPD-Stegner sind peinlich und falsch. Wer nach einem sachlichen und konstruktiven Gespräch von Union und SPD im Kanzleramt von Störenfrieden spricht, gesteht ein, dass er von der Realität keine Ahnung hat.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Blockadepolitik: Dies ist eine Erfindung des ehemaligen SPD-Chefs Oskar Lafontaine in den 90er Jahren. Der CSU geht es dagegen nur um Sachfragen, die sie auch nicht miteinander vermischt. Nach dem bürokratischen Murks um den Nahles-Mindestlohn und der fatalen „Rente mit 63“ auf Kosten der jungen Generation will die CSU ihre Schwesterpartei CDU dazu bringen, bei SPD-Wünschen, aber auch bei eigenen Projekten wieder mehr auf Qualität als auf Geschwindigkeit zu achten. Für Änderungen an der geplanten Erbschaftssteuerreform gibt es gute Gründe (der Bayernkurier berichtete), ebenso bei den Werkverträgen und der Leih-/Zeitarbeit (der Bayernkurier berichtete). Das tief sitzende Misstrauen der Sozialdemokraten gegenüber allen Unternehmern und den bösen, weil laut SPD stets reichen Erben sollte nicht dazu führen, dass man unzureichend durchdachte Schnellschüsse durch den Bundestag peitscht. Mittelständische Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, Garant der Stabilität und verlässliche Arbeitgeber. Diese zu schwächen, wäre ein fataler Fehler, den nur neidgetriebene Sozialdemokraten begehen könnten. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung von Werkverträgen und Zeitarbeit geht überdies in vielen Punkten über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus. Die Flexibilisierung der Instrumente Werkverträge und Zeitarbeit ist, wer hätte das gedacht, ein Werk der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahre 2003. Wenn die SPD damals den möglichen Missbrauch dieser Instrumente nicht gesehen hat, hat sie womöglich genau den Fehler „Schnelligkeit vor Qualität“ begangen. Das sollte man doch besser nicht wiederholen. Und nicht die CSU, sondern die SPD hat monatelang das dringend notwendige Asylpaket 2 blockiert.

Das tief sitzende Misstrauen der Sozialdemokraten gegenüber allen Unternehmern und den bösen, weil laut SPD stets reichen Erben sollte nicht dazu führen, dass man unzureichend durchdachte Schnellschüsse durch den Bundestag peitscht.

Streit in der CDU, aber nicht in der SPD: Hier liegen in der Tat Differenzen unter den Unionsparteien in einer überaus wichtigen Sachfrage vor. Kurz vor dem Treffen hatte CSU-Chef Seehofer abermals eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik gefordert und die vom Bundesinnenminister angedachte Aufhebung der Grenzkontrollen scharf kritisiert. Man kann unter Schwesterparteien aber durchaus erwarten, dass man über solche Ideen rechtzeitig vorab informiert wird. Zumal dann, wenn Bayern das Hauptankunftsland für Flüchtlinge war und ist, dem der Bund obendrein zu großem Dank verpflichtet sein sollte. Denn welches andere Bundesland hätte diese enorme Flüchtlingslawine so gut wie das hervorragend aufgestellte Bayern managen können, auch wenn natürlich nicht alles sofort klappte? Und wenn man die seit Monaten anschwellende SPD-interne Kritik an Parteichef Gabriel hört, dann erscheint eine nicht zerstrittene SPD so wahrscheinlich wie ein lächelnder Ralf Stegner. Zudem ist und bleibt die Ankündigung, die Grenzkontrollen aufzuheben, das völlig falsche Signal. Das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger ist zunehmend gestört, eine Mehrheit wünscht sich inzwischen sogar wieder nationale Grenzen zurück.

Mittelständische Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, Garant der Stabilität und verlässliche Arbeitgeber. Diese zu schwächen, wäre ein fataler Fehler, den nur neidgetriebene Sozialdemokraten begehen könnten.

Machtwort: Trotz der großen inhaltlichen Differenzen in der Flüchtlingspolitik arbeiten die Kanzlerin und der bayerische Ministerpräsident gut zusammen. Eines Machtwortes bedarf es nicht, man kann sich alles offen sagen kann. In Demokratien lassen sich Meinungen auch nicht so einfach verbieten, dies sollte mal jemand Herrn Stegner nahe bringen. Ein Machtwort ist auch deshalb überflüssig, weil der Bund für die Flüchtlingspolitik zuständig ist, das ist allen Beteiligten klar. Merkel hat auch mehrmals klar geäußert, dass sie an ihrem „Wir schaffen das“-Macht-Wort festhalten will. Auch wenn sie das längst nicht mehr tut, wie sich in Mazedonien zeigt: Die Flüchtlinge in Idomeni wurden von Merkel nicht wie im September 2015 in Budapest per Kanzlerin-Order nach Deutschland transportiert. Merkel hat begriffen, dass es eine faktische Obergrenze bei der Aufnahmefähigkeit unseres Landes gibt und dass jedes weitere unbedachte Wort oder jede weitere Handlung den Zustrom nochmals verstärkt. Und wahrscheinlich hat sie auch mitbekommen, dass alle anderen europäischen Länder in den deutschen Handlungen von damals ein völlig falsches Signal sehen, das das Flüchtlingsproblem erst explodieren ließ. Europa ist zerrissen, Deutschland isoliert, Rechtspopulisten im Aufschwung, das sind die Ergebnisse eines Macht-Wortes. Auch hier behält am Ende also die CSU recht, auch wenn Merkel leider immer noch nicht das gewünschte neue Signal gesetzt hat: „Wir schaffen das nicht mehr!“

Die SPD, allen voran Parteichef Gabriel, hat fast alle von der CSU vorgeschlagenen Maßnahmen zur Regelung der Asylkrise immer zuerst in Bausch und Bogen verurteilt, ja sogar als rechtspopulistisch verunglimpft, um sie wenige Monate oder Wochen später still und leise zu übernehmen, sie mitzutragen und sich dann dafür zu rühmen.

Vorschub für Politikverdrossenheit und Rechtspopulisten: Für den Vize einer Partei, die Linkspopulisten hoffähig gemacht hat, ist dieser Vorwurf ein Eigentor. Und falsch obendrein: Die Rechtspopulisten haben nur deshalb Auftrieb, weil die Regierung bei deren einzigem Wahlkampfthema, der Flüchtlingskrise, viel zu spät oder gar nicht auf die Warnungen und Forderungen der CSU reagierte. Dies kann man schon an der Zustimmung für die CSU in Bayern, aber auch im Bund sehen (der Bayernkurier berichtete). „Wir müssen die Sorgen und Bedenken ernst nehmen, die anstehenden Probleme lösen und die Flüchtlingskrise meistern“, sagte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt schon im Dezember. Wenn das Volk so verdrießlich wählt, wie Stegner dreinblickt, dann ist das jedenfalls nicht die Schuld der CSU. Außerdem ist der immerwährende Versuch linker Politiker, die Union als vermeintlichen Steigbügelhalter von Rechtspopulisten hinzustellen, nicht nur falsch, sondern mittlerweile auch noch mächtig ausgelutscht, sodass selbst ein Stegner dieses ausgebrannte Totschlagargument nicht mehr wiederholen sollte.

„Die SPD will ordentlich regieren“: Die SPD, allen voran Parteichef Gabriel, hat fast alle von der CSU vorgeschlagenen Maßnahmen zur Regelung der Asylkrise immer zuerst in Bausch und Bogen verurteilt, ja sogar als rechtspopulistisch verunglimpft, um sie wenige Monate oder Wochen später still und leise zu übernehmen, sie mitzutragen und sich dann dafür zu rühmen. Das zeigt zum Einen, dass ordentliches Regieren in der SPD offensichtlich eine gewisse Zeit braucht. Zum Anderen müsste man Stegner die Frage stellen, ob ordentliche Politik tatsächlich so aussehen soll. Glaubt man den aktuellen Umfragen in denen die SPD auf Bundesebene so schlecht da steht wie noch nie, hat der Wähler ernsthafte Zweifel am guten (Mit-)Regieren der SPD. Die daraus resultierende Nervosität sollten die Genossen aber nicht an der CSU abreagieren. Deren Zustimmungswerte in der Bevölkerung sind im Übrigen hervorragend.