Geschichtsvergessen und auf dem linken Auge vollständig blind: SPD-Linksaußen Ralf Stegner. Bild: Imago/Hoffmann
Abstruse Vorwürfe

Stegner im Abseits

Kommentar Einen Ausrutscher der besonders geschichtsvergessenen Art hat sich mal wieder SPD-Bundesvize Ralf Stegner geleistet. Er warf der Union vor, sie wolle die "Rechten" in Deutschland etablieren. Die Feinde der Demokratie dürften keinen Zutritt zu Parlamenten erlangen, sagte Stegner. Dieser Vorwurf ist nicht nur falsch. Er kommt auch ausgerechnet aus der Partei, die die Linke hoffähig gemacht hat.

Der immer missmutig aussehende SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat die Haltung der Union zur Alternative für Deutschland (AfD) kritisiert. Allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz hoffe die Union nach seiner Einschätzung „klammheimlich“ auf den Einzug der AfD in möglichst viele Parlamente. „Mein Gefühl ist: Die Union setzt darauf, dass die AfD bei den kommenden Landtagswahlen in die Parlamente einzieht und damit progressive Mehrheiten dort nicht mehr möglich sind“, sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Die CSU, so verstieg sich der offenbar ahnungslose SPD-Linke, biedere sich ganz offensiv bei den Rechtspopulisten an, übernehme teilweise sogar deren Parolen. Das ist natürlich blanker Unsinn.

  • Erstens würde der Einzug der AfD auch der Union Stimmen kosten. Welches Interesse sollten CDU und CSU daran haben?
  • Zweitens hätten CDU/CSU dann für eine Regierungsbildung nur noch die Möglichkeit einer Großen Koalition, da die Union jede Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat und es mit der FDP (sofern die die Fünfprozent-Hürde schafft) nicht reichen würde.
  • Drittens hat gerade die CSU seit den Zeiten von Strauß immer nach dem Motto „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“ gehandelt. Sie hat schon mit den Republikanern in den 90er Jahren eine ähnliche Situation dadurch gelöst, dass sie den Rechtspopulisten den Nährboden entzogen hat, ganz einfach, indem sie sich der Sorgen der Bürger annahm. Das Asylrecht wurde damals übrigens mit Zustimmung der SPD geändert, wie auch jetzt wieder. „Beim Thema Zuwanderung müssen die Sorgen und Probleme der Bürger ernst genommen werden“, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer schon 2010 beim JU-Deutschlandtag. Ganz nebenbei hat Stegner mit seinen Äußerungen – mal wieder – die Sorgen der Bürger über den enormen Zustrom von Flüchtlingen, der zudem noch viele Jahre anhalten wird, ins „rechte“ Licht gerückt. Dabei müsste sogar ihm klar sein: Wenn sich ein großer Teil der Bürger, nach jüngsten Umfragen mehr als die Hälfte, nicht ernst genommen fühlt, dann werden sie erst recht die Rechtspopulisten wählen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nannte vor ein paar Tagen „gute Politik“ als bestes Mittel gegen ein Sammelbecken für Unsichere und Unzufriedene wie in der AfD: „Wir müssen die Sorgen und Bedenken ernst nehmen, die anstehenden Probleme lösen und die Flüchtlingskrise meistern.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
  • Und viertens: CDU und CSU werden sich auch an ihren Nichtkoalitionsbeschluss halten, ganz im Gegensatz zur Umfallerpartei SPD, die ganz ungeniert dafür gesorgt hat, dass die Linkspartei in Deutschland hoffähig wurde – und sich etabliert hat. Die Linkspartei, die sich ihren Status als Rechtsnachfolger der Diktatorenpartei SED sogar eingeklagt hat. Die Linkspartei, bei der Teile vom Verfassungsschutz beobachtet werden (Kommunistische Plattform) und andere Teile ehemalige Stasi-Spitzel und SED-Funktionäre sind. Die Linkspartei, die immer wieder linksextreme Schläger verniedlicht und verteidigt. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Fakt ist: Die SPD hat dabei kläglich versagt, dieser Gruppierung den dauerhaften Einzug in die Parlamente zu verwehren. Was für Rechtspopulisten gilt, muss auch für Linkspopulisten gelten.

Die SPD als Retter der Menschheit?

Sodann vermengte Stegner seinen Unsinn auch noch mit den Landtagswahlen im kommenden Jahr: „Es geht dabei auch um die Frage, ob sich in Deutschland die Rechte etabliert. Und tut sie das mit Hilfe und Duldung der Konservativen oder verhindern wir das?“ (Randnotiz über den damit verbundenen Unterton: Rechts ist schlecht, links ist gut, wie oft haben wir das eigentlich schon gehört?) Damit wird aber auch klar, worum es dem SPD-Linksaußen eigentlich geht: Einen Wahlsieg der Union in den Ländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit dem Totschlagargument der Nazikeule zu verhindern. Die Union als vermeintlicher Steigbügelhalter von Rechtspopulisten oder gar Neonazis und braunen Dumpfbacken, dieser offensichtliche Unfug soll der SPD Stimmen bringen? Wenn es nach Stegner geht, anscheinend ja: „Dieses Liebäugeln mit den Symbolthemen der Rechtspopulisten, wie es CDU-Bundesvize Julia Klöckner macht, geht nicht.“ Nebenbei sei bemerkt: Wenn wir jedes Thema totschweigen, das Rechtspopulisten ebenfalls aufgreifen, dann dürfte die SPD nie mehr über ursozialdemokratische Themen wie die Begrenzung wirtschaftlicher Machtkonzentration, die soziale Verantwortung von Unternehmern, die Bekämpfung von Niedriglöhnen oder die Hilfe für sozial Bedürftige sprechen, dann dürfte in Deutschland niemand mehr über die Achtung des Rechtsstaats und der Meinungsfreiheit reden – denn auch das steht alles im Wahlprogramm der AfD.

Die Feinde der Demokratie

Die Feinde der Demokratie, zu denen Stegner auch die AfD zählt, dürften keinen Zutritt zu den Parlamenten erlangen. „Offiziell sagt die Union natürlich: Wir haben mit denen nichts am Hut. Aber schauen Sie sich Frau Klöckner an: Da mal ein Burka-Verbot, hier mal eine Integrationspflicht. Man spielt damit. Man hofft etwas zu gewinnen, weil man den Stammtisch mobilisiert.“ Nun, abgesehen davon, dass die Union nicht nur sagt, dass sie mit Rechtspopulisten nichts am Hut hat, sondern auch entsprechend handelt, sind Dinge wie ein Burka-Verbot nicht demokratiefeindlich, wie der SPD-Linksaußen unterstellt, sondern im Gegenteil demokratiefördernd. Gegen die Burka ist, man glaubt es kaum, auch die SPD, auch wenn sie ein Verbot bisher ablehnt:

Klar ist: Die Burka diskriminiert Frauen, die sie tragen müssen, und verhindert ihre gleichwertige Integration in unsere Gesellschaft. Kein Mensch, keine Glaubensrichtung kann ernsthaft wollen, dass sich eine Frau nur in Ganzkörper-Verschleierung außer Haus bewegen darf.

Aydan Özoğuz, SPD, Integrationsbeauftragte

Kein Mensch kann also laut SPD ernsthaft eine Burka wollen. Bis auf Stegner? Eine Burka ist nach Ansicht der Union jedenfalls ein Symbol der Unterdrückung und der Feindschaft gegen die westlichen Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung. Deshalb wollen CDU und CSU ein Verbot, auch wenn tatsächlich auf deutschen Straßen noch nicht viele Burkas anzutreffen sind. Wenn wir unsere Werte nicht offensiv verteidigen, wer soll uns denn dann noch glauben, dass wir diese selbst ernst nehmen? Ja, es besteht die Gefahr, dass betroffene Frauen dann das Haus gar nicht mehr verlassen dürfen, weil ihr moslemischer Mann das verhindert. Doch zum einen dürften gerade solche moslemischen Machos die Anstrengungen scheuen, dann alle außerhäuslichen Besorgungen und Aktivitäten selber erledigen zu müssen. Und zum anderen ist ein Burkaverbot ein wichtiges Signal nach außen, ein Signal, dass Gleichberechtigung bei uns von allen zu achten und ein hohes Gut ist. Ein solch erbärmliches Kleidungsstück verhindert jede Integration, das sagt sogar die SPD. Und ohne Integration entstehen Parallelgesellschaften, über deren Nachteile hoffentlich nicht mehr gestritten werden muss. Die Pflicht zur Integration hat im Übrigen nicht nur die Union gefordert, sondern auch immer wieder die SPD:

Wir wollen Integration fördern, wir müssen sie aber auch einfordern.

„Integrationsplan Deutschland“ der SPD vom 1.12.2015

Oder auch in dieser Form:

Integration ist kein Selbstläufer und keine einseitige Verpflichtung, sondern bedarf umfangreicher Anstrengungen von allen Seiten.

Christine Lambrecht, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, zum Integrationsplan

Das ist dem missmutigen Stegner offenbar auf seinem Ritt ins linke Abseits entgangen.

Stammtische sind liebenswert

Zum Schluss sei mir noch ein Plädoyer für den Stammtisch gestattet, den Stegner und viele andere immer wieder derart abqualifizieren. Zunächst: Stammtische sind regelmäßig keine Ansammlungen von üblen Neonazis. Stammtische spiegeln im Gegenteil durchaus die Bevölkerung wieder, ihre Zusammensetzung ist ebenso vielschichtig wie ihr Bildungsniveau oder ihre Parteipräferenzen. Frauenstammtische haben sich längst etabliert, Vereinssportlerstammtische ohnehin. Oft treffen sich alte Freunde, um ihre Freundschaft nicht erkalten zu lassen. Sie treffen sich zum Ratschen, zum Karteln, zum Biertrinken und auch, um die eine oder andere Diskussion zu führen, über Sport, Autos oder Politik. Das Niveau dabei ist meistens eben nicht „Stammtisch-Niveau“, sondern vielfältig und differenziert. Stammtische sind Teil insbesondere der bayerischen Gesellschaft, sie sind liebenswert und sichern obendrein vielen Wirtshäusern nicht unwesentlich das Überleben. „Die Lufthoheit über die Stammtische“, die die CSU immer wieder für sich reklamiert hat, ruht genau auf diesem Verständnis. Dass dies alles Ralf Stegner abgeht, dem in Rheinland-Pfalz geborenen Landesvorsitzenden der schleswig-holsteinischen SPD (ohne ihn als „Fischkopf“ schmähen zu wollen), ist – neben seinen anderen Wissenslücken – offensichtlich.