Finden sie doch noch zusammen? Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l.) und CDU-Fraktionschef Guido Wolf. Allerdings würde Grün-Schwarz die Südwest-CDU vor eine Zerreißprobe stellen. (Foto: Lichtgut/imago)
Koalitionsbildung

Jede Option ist schwierig

Nach den Landtagswahlen stellt sich die Frage nach den Koalitionsoptionen. In Baden-Württemberg hat die SPD in falsch verstandener Treue zu den Grünen ein Bündnis mit CDU und FDP ausgeschlossen. Doch mit Grün-Schwarz könnte die Südwest-CDU vor einer Zerreißprobe stehen. In Rheinland-Pfalz zieht die SPD eine Ampel einem Bündnis mit der CDU vor.

In Baden-Württemberg deutet nach den Absagen von SPD und FDP an mögliche Dreierbündnisse Vieles auf die bundesweit erste grün-schwarze Koalition hin – da mit der neu in den Landtag eingezogenen AfD niemand sprechen will. Der SPD-Landesvorstand lehnte in wahrer Nibelungentreue zum grünen Wahlsieger und deren Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Beteiligung an einer „Deutschland“-Koalition mit CDU und FDP ab. Das Votum sei einstimmig ausgefallen, sagte SPD-Landeschef Nils Schmid in Stuttgart. Die Bürger wollten, dass Kretschmann Ministerpräsident bleibe.

„Alles andere wäre eine Missachtung des Wählerwillens“, behauptete Schmid unter Anspielung auf die Bestrebungen von CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, eine Koalition aus CDU, SPD und FDP zu schmieden. Bei ihrer Ablehnung allerdings vergisst die Südwest-SPD, die am Sonntag die Hälfte ihrer Wähler verlor und auf historisch schwache 12,7 Prozent abstürzte, dass ein derartig existenzbedrohendes Ergebnis geradezu zu Neuanfang und Neuausrichtung zwingt. Blinde Treue und weitere Demutsgesten gegenüber dem bisherigen Koalitionspartner wirken in dieser Situation wie Sargnägel.

CDU-Angebot an SPD ist „außerordentlich ernst gemeint“

In jedem Fall braucht die von 35 auf 19 Sitze geschrumpfte SPD-Koalition eine neue Führung, da der bisherige Fraktionschef Claus Schmiedel aus dem Landtag flog. Die CDU im Südwesten appellierte an die SPD, sich nicht von vornherein gegen eine schwarz-rot-gelbe Koalition zu stellen. „Ich kann nachvollziehen, dass die SPD in einer ganz schwierigen Situation ist, und möglicherweise geht’s da auch drunter und drüber. Vielleicht ist es ja nach einmal Drüber-Schlafen dann auch wieder eine andere Situation“, sagte Landeschef Thomas Strobl nach einer Vorstandssitzung.

Keine Lust, dem Kretschmann die Aktentasche hinterherzutragen.

CDU-Politiker

Das Gesprächsangebot der CDU sei außerordentlich ernst gemeint, so Strobl. Er und Fraktionschef Guido Wolf wollten SPD und FDP ein Angebot für ein erstes Gespräch unterbreiten. Nach der Wahlniederlage könnte die CDU ausschließlich in einer schwarz-rot-gelben „Deutschland“-Konstellation den Ministerpräsident stellen. Wahlsieger Kretschmann hatte zu ersten Gesprächen mit CDU, SPD und eigentlich auch mit der FDP geladen. Bei den konstituierenden Fraktionssitzungen von CDU und FDP hatten sich die Spitzenkandidaten Guido Wolf und Hans-Ulrich Rülke wieder zu Vorsitzenden wählen lassen.

FDP lehnt „Ampel“ entschieden ab

Die FDP wiederum will keine „Ampel“ mit Grünen und SPD bilden und nicht einmal Sondierungsgespräche darüber führen. Dies hatte FDP-Parteichef Christian Lindner bereits vor der Wahl eindeutig ausgeschlossen. Der Beschluss sei mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung gefasst worden, teilte ein Parteisprecher in Stuttgart mit. In dem Beschluss heißt es: „Wir schließen eine grün-geführte Ampelkoalition in Baden-Württemberg aus.“ Die FDP will demnach mit den Grünen auch kein Sondierungsgespräch führen. „Wir sind aber bereit zu einer Aussprache mit dem Ministerpräsidenten über die Lage des Landes Baden-Württemberg“, sagte der Sprecher.

Bleibt es dabei, wäre ein grün-schwarzes Regierungsbündnis unter Kretschmann die einzige Möglichkeit einer festen Koalition. Auf beiden Seiten gibt es jedoch Vorbehalte. Zum einen herrscht in der CDU nur geringe Lust, „dem Kretschmann die Aktentasche hinterherzutragen“, wie ein führender Parteifreund stöhnte. Die Südwest-CDU ist mehrheitlich recht konservativ. Grüne Politik mitzutragen könnten sowohl Abgeordnete wie Stammwähler nur schwer akzeptieren. Man stelle sich vor, der CSU würde in Bayern ein Bündnis mit den Grünen zugemutet. Dazu kommt, dass die neuen Abgeordneten in der von 60 auf 42 Sitze geschrumpften CDU-Fraktion mehrheitlich vom Land stammen und die Fraktion damit tendenziell noch konservativer wurde.

Bosbach sieht Gefahr der Marginalisierung

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sieht Grün-Schwarz in Baden-Württemberg als riskant für die gesamte CDU an. Grün-Schwarz, das bundesweit einzigartig wäre, sei zwar denkbar, sagte Bosbach im ZDF-„Morgenmagazin“. „Aber meine Begeisterung für ein solches Modell hält sich in Grenzen, weil dann die Gefahr besteht, dass die CDU dort in der Koalition mit den Grünen als stärkerer Partner genauso marginalisiert wird wie aktuell die SPD.“

Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) wies darauf hin, dass der Wahlsieg der Grünen nicht unbedingt zur Folge haben müsse, dass sie wieder den Ministerpräsidenten stellen. In Deutschland sei nicht immer der Spitzenkandidat der stärksten Partei Regierungschef geworden, sagte er. Er erinnerte an die letzte Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011, als die CDU mit 39 Prozent eindeutig stärkste Kraft im Ländle wurde, aber Grüne und SPD eine Regierung bildeten. Auch Willy Brandt (SPD) wurde 1968 nicht Bundeskanzler der stärksten Fraktion – dies war die CDU/CSU.

Palmer stellt Bedingungen für Grün-Schwarz

Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, hält eine Koalition seiner Partei in Baden-Württemberg für machbar, wenn die CDU sich mit der Rolle eines Junior-Partners begnügt. „Wenn nur Grün-Schwarz, bleibt eben Grün-Schwarz“, sagte Palmer im Deutschlandfunk. Nachdem in Baden-Württemberg die bisherige grün-rote Konstellation nicht möglich sei, müsse man eben mit der Union reden.

CDU-Spitzenkandidat Wolf müsse aber von seiner Aussage vor der Wahl abrücken, dass Grün-Schwarz nur möglich sei, „wenn die CDU stärker ist als die Grünen“. Zudem müssten Probleme auf der persönlichen und inhaltlichen Ebene überwunden werden. Palmer äußerte aber die Hoffnung, dass Koalitionsabsagen, etwa von der FDP im Lande, noch nicht das letzte Wort sind. Ansonsten wäre Grün-Schwarz in Baden-Württemberg nicht zwingend ein Modell, das auch für den Bund nachgemacht werden müsse.

Rheinland-Pfalz: Dreyer macht der FDP Avancen

Die SPD Rheinland-Pfalz hat die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit Grünen und FDP beschlossen. Dazu setzte der Landesvorstand der Partei eine fünfköpfige Sondierungsgruppe um Ministerpräsidentin Malu Dreyer ein, wie der Landesvorsitzende Roger Lewentz mitteilte. Die Gespräche sollen noch in dieser Woche beginnen – zunächst getrennt, dann auch gemeinsam mit Blick auf die Aufnahme regulärer Koalitionsverhandlungen. Dreyer sagte: „Wir haben einen klaren Regierungsauftrag und wir möchten jetzt schnellstmöglich verantwortlich eine Regierung bilden.“ Eine große Koalition mit der CDU sei nur „Ultima Ratio“ (letztes Mittel), sagte Dreyer. Sie werde aber mit allen, außer der AfD, Gespräche führen.

Dreyer zeigte sich optimistisch, dass eine Verständigung mit der FDP erzielt werden kann. Da die Zeit der sozialliberalen Koalition in Rheinland-Pfalz von 1991 bis 2006 gute Jahre gewesen seien, „ist die Brücke eigentlich leicht begehbar“, sagte Dreyer im SWR. Bislang kenne sie den FDP-Landesvorsitzenden Volker Wissing nicht so gut, sagte Dreyer. Die sozialliberale Zeit sei aber eine Verbindung, und „wir haben natürlich jetzt miteinander gesprochen“. Auch hätten die Liberalen durchaus ein Interesse daran, „dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft funktioniert“, schmeichelte Dreyer.

Klöckner bleibt Partei- und Fraktionschefin

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner bleibt nach der verlorenen Wahl vom Sonntag Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion. Die 35 Abgeordneten – darunter vier neue – votierten in Mainz einstimmig für die 43-Jährige. „Ich nehme diese Wahl gerne an“, sagte Klöckner. „Jetzt erst recht und jetzt in großer Verantwortung.“ Sie sagte auf die Frage, ob sie möglicherweise nur bis zur Bundestagswahl 2017 in Mainz bleiben werde: „Ich bin für die ganze Legislaturperiode heute gewählt.“ Die Fraktion hatte vor der Wahl 41 Mitglieder, nun sind es sechs weniger.

Wir hätten noch mehr verloren an die AfD, wenn wir uns nicht klar positioniert hätten in dieser Frage.

Julia Klöckner, zur Flüchtlingspolitik

Klöckner will auch an der Spitze der Landes-CDU Rheinland-Pfalz bleiben. Nach einer Sitzung des Landesvorstands sagte sie, „dass die Mitglieder des Landesvorstands mich gebeten haben, an Bord zu bleiben – und zwar als Kapitän“. Klöckner fügte hinzu: „Ich stehe zur Verfügung.“ Klöckner verteidigte ihr Abrücken von Merkels Asylpolitik in ihrem Wahlkampf: „Wir hätten noch mehr verloren an die AfD, wenn wir uns nicht klar positioniert hätten in dieser Frage.“ In der Tat hat die AfD in Rheinland-Pfalz mit 12,6 Prozent am Sonntag ihr schlechtestes Ergebnis aller drei Länder erzielt.

Sachsen Anhalt – jetzt irgendwo zwischen Kenia und Afghanistan?

In Sachsen-Anhalt ist nach dem Aus für Schwarz-Rot nur eine in den Ländern noch nie erprobte Dreierkoalition von CDU, SPD und Grünen realistisch, die wegen der Farbkombination auch „Kenia“- oder „Afghanistan-Koalition“ genannt wird. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Wir werden eine Regierung der Mitte bilden, und der Wähler hat uns ins Stammbuch geschrieben, wie diese Mitte derzeit auszusehen hat.“

Die bei der Wahl abgestrafte SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde zog sich von der Führung der Landespartei und Landtagsfraktion zurück. Die SPD hatte auch in Sachsen-Anhalt die Hälfte ihrer Wähler verloren und stürzte von 21,5 auf 10,6 Prozent. Auch Linke-Spitzenkandidat Wulf Gallert kündigte nach dem Debakel seiner Partei an, nicht wieder als Fraktionschef zu kandidieren. Die SED-Erben stürzten von 23,7 auf 16,3 Prozent, während die AfD aus dem Stand 24,2 Prozent erreichte.

(dpa/wog)