Nach der Blockade eines Flüchtlingsbusses durch 100 Anwohner und Rechtsradikale verurteilen rot-grüne Politiker und linke Medien ganz Sachsen als Hort von Neonazis. Dabei wird die Grfahr des Linksradikalismus systematisch ignoriert. (Foto: xcitepress/imago)
Extremismus

Entsetzen in Sachsen

Das politische Berlin diskutiert aufgeregt über die Blockade eines Flüchtlingsbusses durch Rechtsradikale im sächsischen Clausnitz. Gleichzeitig nehmen seit Monaten in Leipzig linksextreme Übergriffe zu. AfD und Linkspartei haben in ganz Ostdeutschland stark zugenommen. Das zeigt: Wenn die Bundesregierung die Flüchtlingskrise nicht in den Griff bekommt, wenden sich die Bürger den Radikalen zu.

Aufgeregt – wie immer, wenn es gegen „Rechts“ geht – debattiert das politische Berlin die fremdenfeindlichen Übergriffe von Clausnitz und Bautzen. Sachsen wiederum – und mit ihm im Grunde ganz Ostdeutschland – sieht sich wieder einmal an den Pranger gestellt. Seine Bevölkerung wird vor allem von linken Medien und rot-grünen Politikern pauschal als dumpf, fremdenfeindlich und rechtsradikal dargestellt: Westliche Klischees über das „Dunkeldeutschland“ im Osten.

Dabei zeigt ein Blick auf die jüngsten Umfragen und Wahlergebnisse, dass in Ostdeutschland der Linksradikalismus in ebenso besorgniserregendem Umfang anwächst wie der Rechtsradikalismus – und das weitgehend ignoriert oder sogar goutiert von rot-grünen Politikern und linken Medien. Darüber hinaus wuchert etwa in Leipzig-Connewitz seit Jahren eine gewaltbereite linksextreme Szene. Zuletzt im Dezember 2015 verletzten gewalttätige Linksextremisten in Leipzig bei massiven Ausschreitungen 69 Polizisten und beschädigten 50 Polizeiautos (der Bayernkurier berichtete).

Linkspartei im Osten klar stärker als SPD

Die SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ – ebenfalls alles andere als „lupenreine Demokraten“ – ist in den meisten Ländern Ostdeutschlands stärker als die SPD. Für Sachsen-Anhalt veröffentlichte das Institut INSA heute, dass 21 Prozent die Linkspartei wählen würden, nur noch 16 Prozent die SPD – allerdings bei einer klaren Führung der CDU mit 30 Prozent. Ähnlich in Sachsen: 17 Prozent Linkspartei und nur 13 Prozent SPD, so Infratest-Dimap – ebenfalls hinter der CDU mit 38 Prozent. Diese jüngste verfügbare Umfrage für Sachsen stammt allerdings vom vergangenen September und dürfte sich mittlerweile ebenfalls deutlich verschlechtert haben.

In Thüringen – ein Alarmsignal für die Demokratie allgemein – ist die SPD in der Regierung der Juniorpartner (!) der Linkspartei, die dort den Ministerpräsidenten stellen. Die jüngste Thüringen-Umfrage von Mitte Januar bestätigt diese Konstellation: 27 Prozent für die Linkspartei, nur 14,5 für die SPD ermittelte das Institut INSA. Die stärkste Partei, die CDU, sitzt mit 33,5 Prozent in der Opposition.

SPD bereit zu Rot-Rot

Die Linkspartei steht im Grunde mindestens ebenso klar außerhalb des demokratischen Spektrums wie die AfD. Teile der Partei unterhalten enge Beziehungen zu Kommunisten und Linksradikalen im eigenen Land wie auch zu linken Diktaturen auf der ganzen Welt. Und Teile der Partei werden nach wie vor vom Verfassungsschutz beobachtet.

Noch bis zur Bundestagswahl 2013 hat die SPD aus guten Gründen der politischen Hygiene Koalitionen mit den Postkommunisten abgelehnt. Doch seither macht die SPD die Postkommunisten systematisch hoffähig gemacht. Spätestens seit dem Sündenfall von Thüringen muss man damit rechnen, dass die SPD auch im Bund zu Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün bereit ist.

In Sachsen-Anhalt überholt sogar die AfD die SPD

Gleichzeitig ist die AfD in Umfragen gleichauf mit der SPD, in Sachsen-Anhalt haben die Rechtspopulisten die SPD sogar bereits hinter sich gelassen. 17 Prozent weist die heutige INSA-Umfrage in Sachsen-Anhalt für die AfD aus, 16 für die SPD. In Sachsen erhielten die Rechtspopulisten bereits im September 13 Prozent, genau gleichauf mit der SPD. Und in Thüringen lag die AfD im Januar mit 13,5 Prozent nur hauchdünn hinter der SPD mit ihren 14,5 Prozent.

Wenn die Extremen von Links und Rechts zulegen, dünnt logischerweise die Mitte des demokratischen Spektrums aus. Darunter haben CDU und SPD ebenso zu leiden wie die FDP. Und eine Diagnose ist klar: Wenn die Bundesregierung die Flüchtlingskrise nicht bald in den Griff bekommt und eine klare Immigrations-Obergrenze einzieht, werden sich immer mehr bisher gemäßigte Bürger den Radikalen zuwenden.

Bundesregierung und CDU verurteilen Anfeindungen von Flüchtlingen

Dass die CDU/CSU und die von ihr getragene Bundesregierung mit den Rechtsradikalen keinesfalls gemeinsame Sache macht, wurde heute in Berlin klar: Die Bundesregierung verurteilte die Geschehnisse von Clausnitz und Bautzen als „zutiefst beschämend“. Es sei kaltherzig, ankommende Flüchtlinge, darunter viele Frauen und Kinder, grölend und pöbelnd anzufeinden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert zu den Ereignissen in Clausnitz.

Dort hatten rund 100 grölende Anwohner und Rechtsradikale am vergangenen Donnerstag ankommende Flüchtlinge angefeindet. Von SPD, Linkspartei und Grünen würde man sich nach gewalttätigen linksextremistischen Ausschreitungen – wie eben im Dezember in Leipzig-Connewitz – ebenso klare Distanzierungen und Verurteilungen wünschen.

Der Leiter des Flüchtlingsheims, der nach Medienberichten der AfD angehört, wird ausgetauscht. „Wir haben die Entscheidung zum Schutz seiner Person und durch die bundesweite Diskussion über ihn getroffen“, erklärte Landrat Matthias Damm.

Bautzen: Designierte Flüchtlingsunterkunft in Brand

In der Nacht zum Sonntag war zudem in Bautzen eine geplante Unterkunft für Asylsuchende in Brand gesteckt worden. Die Staatsanwaltschaft Görlitz kündigte Ermittlungen gegen drei junge Männer an. Dabei geht es um den Vorwurf, die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert zu haben, wie Staatsanwältin Irene Schott am Montag auf Anfrage mitteilte. Eine solche Tat kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Im Fokus der Ermittlungen in Bautzen stehen drei Männer im Alter von 19 und 20 Jahren. Die Staatsanwaltschaft will auch prüfen, ob bei ihnen eine Beteiligung an dem Brandanschlag selbst infrage kommt. Bei den Löscharbeiten hatten etwa 20 bis 30 Gaffer zugesehen. Laut Polizei hatten einige „unverhohlene Freude“ über das Feuer gezeigt.

Auch sächsische Landesregierung verurteilt

Auch in Sachsen wurden die Vorfälle scharf verurteilt. Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) räumte im Sender N24 ein, dass Sachsen ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Die Bilder von Clausnitz seien unerträglich. Die Ereignisse von Bautzen könne man „kaum noch in Worte fassen“. Meinungsfreiheit habe ihre Grenzen da, wo Recht und Gesetz gebrochen werden. Sachsen werde seine Anstrengungen gegen Fremdenfeindlichkeit deutlich verstärken müssen.

„Die Bilder waren verstörend“, betonte auch Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) im Inforadio Berlin-Brandenburg über den Mob in Clausnitz. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte: „Es ist erschreckend und unerträglich, wie enthemmt und respektlos der Hass auf Ausländer offen zur Schau getragen wird. Hier sind die Grenzen der Humanität und des Anstandes ganz klar überschritten.“

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) kündigte eine klare Reaktion an. „Wir lassen uns das nicht gefallen. Wir lassen uns von ein paar Hohlköpfen nicht die Stadt kaputt machen“, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Die Gesellschaft müsse auch geistiger Brandstiftung wie der von Sachsens AfD-Vorsitzender Frauke Petry stärker entgegentreten. „Wir werden in Sachsen über eine gemeinsame Strategie in der Politik nachdenken müssen.“ Er hoffe, dass der Vorfall für die Mehrheit der Bevölkerung in seiner Stadt ein „Weckruf“ sei.

(dpa/wog)