Der Wahlkampf spitzt sich zu: Wahlplakate mit den Spitzenkandidatinnen Julia Klöckner (CDU, l.) und Malu Dreyer (SPD, r.). (Bild: Imago/Hoffmann)
Klöckner und Wolf

Der Druck in der CDU steigt

In 20 Tagen ist mit einem der spektakulärsten Wahlsonntage in der Geschichte der Bundesrepublik zu rechnen. Die CDU-Spitzenkandidaten im Südwesten fürchten wegen Merkels Flüchtlingspolitik Stimmverluste – und machen das mit einer gemeinsamen Erklärung deutlich. Hierin fordern sie im Wesentlichen das, was die CSU schon seit Monaten vorgeschlagen hat.

Die aktuellen Insa-Umfragen der „Bild“-Zeitung in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben es in sich: In Baden-Württemberg liegen Grüne erstmals vor der CDU. Auch in Rheinland-Pfalz gerät ihr komfortabler Vorsprung in Bedrängnis.

  • In Baden-Württemberg überholen die Grünen (30,5 Prozent) erstmals die CDU (30 Prozent) mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf. Wenn am Sonntag bereits gewählt worden wäre, hätte die SPD demnach 16 Prozent erreicht, die AfD zehn, die FDP sieben und die Linkspartei drei Prozent. Das käme einer Sensation gleich. Weder Grün-Rot noch Schwarz-Gelb erreichen aufgrund der Stärke der AfD eine Mehrheit. Die FDP könnte zum Königsmacher avancieren.
  • In Rheinland-Pfalz schmilzt der Vorsprung der CDU und ihrer Spitzenkandidatin Julia Klöckner mit 35 Prozent auf zwei Prozentpunkte zusammen – vor der SPD mit 33 Prozent. Auch Klöckner hat also Grund zur Sorge. Ihr komfortabler Vorsprung auf Amtsinhaberin Dreyer ist dahin. Das ist der geringste Abstand, seit Kurt Beck die Staatskanzlei Anfang 2013 an seine SPD-Nachfolgerin übergeben hat. Die Grünen kommen auf neun Prozent, die FDP auf sieben, die AfD auf 8,5 und die Linke auf vier Prozent.

Dann gibt es noch die große Unbekannte: Die Fehlerabweichung liegt in Baden-Württemberg laut Insa bei 2,8 Prozentpunkten, in Rheinland-Pfalz bei drei Punkten. In beiden Ländern ist aber mehr als ein Drittel der Wähler noch unentschlossen.

Die CDU-Spitzenkandidaten gehen auf Konfrontationskurs

Da völlig klar ist, dass die „Wir schaffen das“-Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel für den seit einigen Monaten andauernden Rückgang der CDU-Wähler verantwortlich ist, machen die Spitzenkandidaten das einzig Mögliche. In einer gemeinsamen Erklärung, die den Zeitungen „Bild“ und „Die Welt“ vorliegt, dringen Klöckner und Wolf nun auf nationale Maßnahmen zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs – wie es die CSU seit Monaten fordert. Laut „Bild am Sonntag“, die als Erste über den Beschwerdebrief berichtet hatte, schließt sich auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff der Kritik an, auch wenn er wegen seines SPD-Koalitionspartners nicht unterzeichnete. Nach dem weitestgehend ergebnislosen EU-Gipfel verlieren die CDU-Politiker die Geduld mit der Krisenpolitik der Bundeskanzlerin und fordern „tagesaktuelle Kontingente“ wie in Österreich und Grenzzentren als Wartezonen sowie Registrierungseinrichtungen nahe der Herkunftsländer. Guido Wolf sagte der „Bild“-Zeitung, es fehle bisher „ein Steuerungsinstrument“, deshalb brauche es tagesaktuelle Kontingente aus Grenzzentren.

Aber wir machen uns nicht allein vom Wohlwollen unsolidarischer EU-Länder abhängig.

Julia Klöckner und Guido Wolf, CDU

„Je weiter weg von Deutschland sich ein Flüchtling registrieren lässt, desto größer ist seine Chance auf Aufnahme in das Kontingent“, setzen die beiden CDU-Politiker die Anreize. Ohne Asylgrund oder Schutzstatus sollte niemand mehr in Deutschland einreisen dürfen und auf die Kommunen verteilt werden. Sie beklagen die mangelnde Solidarität innerhalb der Europäischen Union und wollen auch nicht mehr auf den EU-Sondergipfel am 6. März mit der Türkei warten, denn für die Landtagswahlen kommt er ohnehin zu spät. Daher fordern sie ein „zweigleisiges Vorgehen“. Deutschland bleibe zwar solidarisch und müsse weiter auf europäische Lösungen setzen. „Aber wir machen uns nicht allein vom Wohlwollen unsolidarischer EU-Länder abhängig“, so die Spitzenkandidaten. Unsolidarische EU-Mitglieder sollen bestraft werden, solidarische finanziell entlastet. Außerdem fordern Wolf und Klöckner deutsche Direkthilfen für die Flüchtlingslager in Jordanien, dem Libanon und der Türkei. Dabei scheinen sie ein Bayernkurier-Interview gelesen zu haben: „Wir können innerhalb von 24 Stunden jedem Erdbebenopfer auf der Welt helfen, ohne auf einen EU-Beschluss zu warten. Warum tun wir uns mit der Nothilfe rund um Syrien so schwer?“ Jeder investierte Euro habe „ein Vielfaches an Wirkung von dem, was die Versorgung von Flüchtlingen in unserem Land kostet“, so das gemeinsame Papier.

Der Druck auf Merkel steigt rapide

Damit erhöhen Klöckner und Wolf (sowie Haseloff) den Druck auf die Parteispitze und die Kanzlerin ganz erheblich:

Eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen bedeutet beides: Herz und Härte, schwierige Entscheidungen und auch Leid. Zu zögern, nicht zu handeln, wird letztlich jedoch noch mehr Schaden und Schmerz verursachen.

Auch Rot-Grün wird abgewatscht: „SPD und Grüne sind immer auf der Bremse gestanden, im Bundesrat und in den Ländern. Abgelehnt, dann widerwillig zugestimmt und die Dinge dann trotzdem nicht umgesetzt“, heißt es laut „Welt“ in der Klöckner/Wolf-Erklärung. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei es zudem nicht gelungen, Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern abzuschließen. Dies erschwert seit Jahren die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass SPD-Chef Gabriel Kritik an dem Brief übte – sollte aber umso mehr Signal für Angela Merkel sein, endlich eine öffentlichkeitswirksame Kurskorrektur zu verkünden. „Ich bin mir mit Angela Merkel völlig einig, dass wir europäische Probleme europäisch lösen müssen“, sagte CDU-Vize Klöckner der dpa zu Gabriels Kritik. Dennoch sei sie der Ansicht, dass man sich nicht vom Wohlwollen unsolidarischer EU-Länder abhängig machen könne, sondern „zweigleisig“ vorgehen müsse.

Laschet stramm auf Merkel-Kurs

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet zeigte sich „über die mittel- und osteuropäischen Staaten enttäuscht, dass sie 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung der Grenzen nicht stärker bereit sind, europäisch zu denken“. Gerade diese Länder hätten „Milliardenhilfen von der EU bekommen, und es wird immer schwerer, der deutschen Öffentlichkeit zu erklären, dass wir solidarisch sein sollen und andere nicht“. In der Zeitung „Die Welt“ warf er Österreich wegen der Asylpolitik rechtswidriges Verhalten vor: „Die Regierung will quasi die Menschen in andere Länder durchwinken. Der Gipfel hat sich gegen diese billige Durchwinkpolitik ausgesprochen.“

Die CSU setzt andere Akzente, was vielleicht auch daran liegt, dass in Bayern die Flüchtlinge zuerst ankommen und man dort eine viel größere Nähe zu den Problemen hat.

Armin Laschet, CDU

Laschet, der derzeit keine Wahlkämpfe zu bestreiten hat, kritisierte den „Trend zur Renationalisierung“ und sieht im Gegensatz zu den meisten anderen Beobachtern Erfolge bei Merkels Kampf für eine europäische Lösung. „Da inzwischen deutlich wird, dass Grenzschließungen nur Auswegrouten erzeugen, merken alle, dass nur eine europäische Lösung auf Dauer weiterhilft. Dass liegt auch im Interesse der Mittel- und Osteuropäer.“ Klar sei aber auch, dass nicht jedes Jahr eine Million Menschen nach Deutschland kommen könnten. Immerhin erkannte Laschet: „Die CSU setzt andere Akzente, was vielleicht auch daran liegt, dass in Bayern die Flüchtlinge zuerst ankommen und man dort eine viel größere Nähe zu den Problemen hat. Bei der Integration und der Bildung, auch für Flüchtlinge, wiederum ist Bayern Vorbild für ganz Deutschland.“