Äthiopien: Kinder sitzen in einem ausgetrockneten Flussbett. Bild: Imago/Zuma Press
Neue Flüchtlingswelle

Tausenden droht Hungertod

Millionen Menschen in Afrika droht wegen anhaltender Dürre eine Hungersnot. Und das Ausmaß der Krise wird sich vermutlich verschärfen, da der Regen ausbleibt. So zwingt nicht nur Krieg, sondern auch eine schwere Umweltkatastrophe weitere Millionen Menschen zur Flucht. Dass auch immer mehr versuchen, über die Ägäis Europa zu erreichen, zeigt, dass eine Entspannung der Krise nicht in Sicht ist.

Wegen der vom globalen Klimaphänomen El Niño ausgelösten Dürre in Ostafrika und in den Ländern im Süden des Kontinents sind insgesamt bis zu 50 Millionen Menschen von Hunger bedroht, rund 18 Millionen davon allein in Äthiopien. Am Horn von Afrika und im Süden des Kontinents müssen Unicef zufolge nahezu eine Million Kinder wegen akuter Mangelernährung ärztlich behandelt werden. Hilfsorganisation warnen, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird. Denn das Ausmaß der Hungerkrise werde in den kommenden Monaten wegen des ausbleibenden Regenfalls noch weiter zunehmen, warnt das UN-Kinderhilfswerk. Allein in Äthiopien seien derzeit 435.000 Kinder betroffen, in Angola und Mosambik müssten jeweils etwa 70.000 Kinder behandelt werden.

Sex für Nahrungsmittel

In Malawi etwa verdoppelte sich die Zahl der akut unterernährten Kinder allein von Dezember bis Januar, wie Unicef-Landesdirektor Mahimbo Mdoe erklärte. Im Januar mussten rund 26.500 Kinder unter fünf Jahren wegen Mangelernährung behandelt werden. Die Regierung sei überfordert, weil in Malawi dieses Jahr 2,8 Millionen Menschen von Hunger bedroht seien. „Wir beobachten, dass es bereits zu sexuellen Handlungen im Austausch für Essen kommt“, sagte Mdoe.

Angesichts weltweiter Krisen und Konflikte wird die Situation im Osten und Süden Afrikas zu wenig beachtet. Dort droht eine schleichende Katastrophe, wenn die internationale Gemeinschaft nicht rechtzeitig handelt. Mehrere Millionen Kinder brauchen unsere Hilfe, und sie benötigen sie schnell, damit es nicht zu einer Hungerkrise wie 2011 in Somalia kommt.

Christian Schneider, Geschäftsführer UNICEF Deutschland.

Doch nicht nur die Dürre, auch Gewalt zwingt die Menschen zur Flucht. Am Horn von Afrika leben in Äthiopien und Kenia rund 1,3 Millionen Flüchtlinge. Innerhalb Somalia sind weitere 1,1 Millionen Menschen auf der Flucht. Und auch im Südsudan flüchten mehr als 2,3 Millionen Menschen vor Gewalt. Der erst 2011 unabhängig gewordene Südsudan wird seit Ende 2013 von einem Bürgerkrieg erschüttert. Jetzt wird der Krisenstaat zu Beginn der Trockenzeit zusätzlich von einer schweren Hungersnot bedroht.

Tausende vom Hungertod bedroht

Rund 2,8 Millionen Menschen – etwa ein Viertel der gesamten Bevölkerung des Südsudans – benötigen dringend Nahrungsmittelhilfe, wie drei Organisationen der Vereinten Nationen (UN) erklärten. Mindestens 40.000 Menschen seien akut vom Hungertod bedroht. Besonders betroffen seien Binnenflüchtlinge in der umkämpften Provinz Unity State im Norden des Landes, wie das Welternährungsprogramm, das UN-Kinderhilfswerk Unicef und die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft mitteilten. Viele Vertriebene dort ernährten sich bislang von Fischen und Wasserlilien, doch „wegen des sinkenden Wasserpegels verlieren sie ihre letzten Nahrungsquellen“, warnten die UN-Organisationen.

Immer mehr wagen Flucht über Ägäis

Anzunehmen, dass sich auch die Flüchtlingskrise durch Umweltkatastrophen wie die Dürre in Afrika verschärfen wird. Indiz dafür ist unter anderem die steigende Zahl der Menschen, die aus der Türkei zu den griechischen Inseln übersetzen. Wagten am 14. und 15. Februar 232 Migranten die Überfahrt, so waren es in den beiden Tagen zuvor knapp 6400. Das berichtet laut Welt das Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen. Den zwischenzeitlichen Rückgang führt das UNHCR auf schlechtes Wetter zurück. Diese Ansicht vertritt ein Offizier der griechischen Küstenwache auf der Insel Chios. „Der Rückgang hing mit dem Wetter und nicht mit türkischen Einschränkungsmaßnahmen zusammen“, sagte er. In den kommenden Wochen sollen Nato-Schiffe gegen die Schlepper im Seegebiet zwischen Griechenland und der Türkei eingesetzt werden.

Über 320 Tote seit Jahresbeginn

Die Gesamtzahl der angekommenen Flüchtlinge ist im Vergleich zum Vorjahr sehr hoch. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk haben seit Jahresbeginn bis zum 13. Februar 76.607 Migranten aus der Türkei auf die griechischen Inseln in der Ostägäis übergesetzt. Die meisten waren Syrer. In den ersten zwei Monaten des Vorjahres waren nur 4567 Migranten angekommen. Mindestens 320 Menschen starben seit Jahresbeginn in der Ägäis bei dem Versuch, über das Meer zu fliehen, nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration. Mit dem Winter ist die Zahl der Migranten aus der Türkei in Griechenland gesunken. Im Oktober 2015 hatten mehr als 211.000 Menschen von der türkischen Ägäisküste auf griechische Inseln übergesetzt, im November mehr als 151.000 und im Dezember mehr als 108.000.