Besuch beim Zahnarzt in einer Münchner Praxis. (Bild: imago/MITO)
Flüchtlingskrise

Krankenkassen droht Milliardendefizit

Den gesetzlichen Krankenkassen droht durch die vielen Flüchtlinge ein steigendes Defizit. Das erhöht sich, wenn anerkannte, aber arbeitslose Flüchtlinge nach 15 Monaten ebenfalls Hartz-IV-Leistungen bekommen. Für deren Gesundheitsversorgung kommen dann die Kassen auf. Auch bezahlte Taxifahrten zum Doktor und der Zahnersatz für Asylbewerber stehen in der Kritik.

Ohne mehr Zuschüsse aus Steuergeldern droht den gesetzlichen Krankenkassen ein hohes Defizit. Bereits in diesem Jahr werde eine Lücke von mehreren hundert Millionen Euro entstehen. Grund dafür ist, dass der Bund für Flüchtlinge und andere Hartz-IV-Empfänger viel zu geringe Krankenkassenbeiträge überweisen, schreibt die Frankfurter Rundschau.

Noch gibt es nur Schätzungen

Flüchtlinge werden im Sozialsystem nach einer Wartezeit von 15 Monaten normalen Arbeitnehmern gleich gestellt. Wenn sie arbeitslos sind, erhalten sie Hartz-IV-Leistungen. Die meisten anerkannten Flüchtlinge werden aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und Qualifikationen zumindest eine gewisse Zeit arbeitslos sein. Sie haben dann Anspruch auf die vollen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kassenbeiträge zahlt der Bund. Bei Hartz-IV-Beziehern seien dies rund 90 Euro im Monat. Die Zeitung räumt ein, dass noch verlässliche Zahlen fehlten, wie hoch die von Flüchtlingen verursachten Gesundheitskosten tatsächlich seien. Erste Erfahrungswerte aus Hamburg gingen von Kosten von 180 bis 200 Euro im Monat aus. Auch Nordrhein-Westfalen hält diesen Wert für realistisch.

Kassen fehlen über 100 Euro Millionen

Die monatliche Lücke zwischen Beitrag und tatsächlichen Kosten für die Krankenversicherung beträgt also unterm Strich um die 100 Euro im Monat. Pro Hunderttausend Flüchtlinge entsteht so in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit von 120 Millionen Euro im Jahr. Geht man davon aus, dass im Verlauf des Jahres 2017 eine Million Flüchtlinge die Wartezeit von 15 Monaten überschritten haben, wächst das Loch auf über eine Milliarde Euro.

Korrekturbedarf soll ausgehandelt werden

Derzeit werden laut Gesundheitsministerium Gespräche darüber geführt, wie hoch der Korrekturbedarf ist. Es wird damit gerechnet, dass wegen des Flüchtlingszuzugs die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in diesem Jahr um 270.000 Menschen steigt. Davon seien rund 200.000 erwerbsfähig.

Es kann nicht sein, dass die Krankenkassenleistungen für Flüchtlinge über eine Erhöhung von Zusatzbeiträgen der Versicherten in der GKV finanziert
werden. Die Zahlungen des Bundes an die Gesetzliche Krankenversicherung müssen hier kostendeckend sein, damit die Kosten nicht an den
Beitragszahlern hängen bleiben. Es wird dabei immer deutlicher, dass diese Pauschale bei weitem nicht kostendeckend ist.

Stephan Stracke (CSU), gesundheitspolitische Sprecher im Deutschen Bundestag

Eine Sprecherin des Finanzministeriums erläuterte, die Beitragsentwicklung der Kassen gestalte sich derzeit weiter positiv. Zudem werde der Bundeszuschuss, der aus dem Haushalt für die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt wird, von derzeit 14 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 14,5 Milliarden angehoben. Auch sei nicht seriös abzuschätzen, wieweit sich der Zuzug von Flüchtlingen für die Krankenversicherung auswirke.

Per Taxi zum Doktor

In Sachsen gab es bereits Diskussionen darüber, vom Land bezahlte Taxifahrten für Flüchtlinge zu reduzieren. Laut MDR Sachsen hat das Land für Taxifahrten zu Ärzten und Behörden in den Monaten November und Dezember rund 51.000 Euro ausgegeben. Seniorenverbände protestierten daraufhin gegen die bezahlten Fahrten zum Arzt. Sie verwiesen darauf, dass selbst Rentner, die ihre niedrigen Einkünfte mit Hartz IV aufstocken müssten, solche Fahrten oft aus der eigenen Tasche bezahlen müssten. Doch die bezahlten Taxen zum Arzt soll es weiterhin geben. Dem MDR Sachsen sagte Abteilungsleiter Peter Darmstadt von der Landesdirektion, damit solle gesichert werden, dass die Flüchtlingen pünktlich zum vereinbarten Termin beim Facharzt erscheinen. Denn durch Verspätungen entstünden dem Land für die Dienste des Dolmetschers, der beim Arzt anwesend sei, erhebliche Mehrkosten.

Zahnsanierung auf Staatskosten?

Auch die Höhe der Erstattung von Zahnarztkosten wird diskutiert. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, schildert auf Spiegel Online das Problem: Kosten für akut nötige Zahnbehandlungen werden zwar erstattet. Doch unklar ist, ob nötige Folgebehandlungen, die den Erfolg der Behandlung langfristig sichern, ebenfalls bezahlt werden. Laut Stuttgarter Nachrichten kommen auf die Kassen Kosten von 10.000 Euro pro Komplettbehandlung zu. Sowohl die Bundeszahnärztekammer als auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung sagen, dass solche Summen derzeit reine Spekulation sind. „Sicher werden Kosten entstehen, aber momentan verfügen wir schlicht nicht über belastbare Daten, um seriöse Prognosen abgeben zu können“, sagt Kai Fortelka, Sprecher der KZBV.

(dpa/AS)