Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi sprachen in Berlin unter anderem über die Flüchtlingskrise. Foto: Imago/Metodi Popow
Renzi in Berlin

Italien ist wieder zurück

Deutschland und Italien wollen nach den Dissonanzen der vergangenen Monate enger bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zusammenarbeiten. Unter anderem sei eine gemeinsame Trainingsmission zur Stärkung libyscher Sicherheitskräfte in Tunesien geplant, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Gespräch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi in Berlin.

Renzi, der Merkel bei dem gemeinsamen öffentlichen Auftritt immer wieder duzte, betonte, sein Land wolle künftig wieder mehr Verantwortung in der EU übernehmen – besonders in der Flüchtlingspolitik. Italien sei nicht mehr das Problem Europas, sondern habe seine Hausaufgaben gemacht. Im Streit um die italienische Beteiligung an den der Türkei von der EU zugesagten drei Milliarden Euro versicherte Renzi, sein Land werde seinen Teil an der Finanzierung übernehmen. Er hoffe, dass die EU-Kommission die von Rom erbetenen Antworten noch vor dem Gebertreffen in London am 4. Februar liefern werde, so dass Italien seinen zugesagten Beitrag dann auch leisten könne.

Wir müssen Illegalität bekämpfen und in Legalität überführen.

Angela Merkel

Merkel betonte, Deutschland und Italien hätten ein „maximales Interesse“, dass die staatlichen Strukturen und die Sicherheitskräfte in Libyen wieder gestärkt würden, um gegen den illegalen Flüchtlingsstrom anzugehen. „Wir müssen Illegalität bekämpfen und in Legalität überführen“, betonte sie. Die Kanzlerin bescheinigte Renzi einen erfolgreichen Kurs vor allem bei den Arbeitsmarktreformen. Beide Länder wollten auch in diesem Bereich ihre Zusammenarbeit „verstärken und neu beleben“.

Merkel und Renzi demonstrierten Harmonie

Die Kanzlerin und Renzi bemühten sich sichtlich darum, einen Eindruck der Zerstrittenheit zu vermeiden. Renzi hatte in den vergangenen Monaten eine „deutsche Dominanz“ in der EU kritisiert – etwa in der Flüchtlingspolitik oder beim Umgang mit Russland. Mit Verärgerung reagierte er auch auf Kritik, wonach die in Italien geplanten Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen größtenteils noch nicht einsatzfähig seien. An die deutsche Öffentlichkeit gewandt versicherte Renzi nun, Italien tue alles, um in der Flüchtlingskrise Sicherheit zu gewährleisten. Alle Flüchtlinge würden mittlerweile registriert, es würden Fingerabdrücke abgenommen und Fotos gemacht. Seit Jahren kämen Hunderttausende Schutzsuchender nach Italien. „Und heute wollen wir Teil einer gemeinsamen Arbeit sein“, sagte er und ergänzte: „Natürlich sind wir bereit, unseren Teil zu vollbringen.“ Es sei klar, dass nicht alle Flüchtlinge nach Europa kommen könnten. Dazu brauche es europäische Regeln.

Wenn Europa Schengen aufgibt, dann bedeutet das, dass es sich selbst aufgibt.

Matteo Renzi

Renzi mahnte europäische Solidarität an. Jahrelang habe es so ausgesehen, als sei das Flüchtlingsproblem allein ein italienisches. „Heute wissen wir, dass es ein europäisches Problem ist“, sagte der 41-Jährige. Zum Kampf gegen populistische Bestrebungen sei Wirtschaftswachstum nötig. Europa müsse einen anderen Kurs einschlagen und wieder stolz auf sich selbst und seine Vergangenheit sein. Eindringlich warnte Renzi vor einem Scheitern der Schengen-Vereinbarungen für offenen EU-Binnengrenzen: „Wenn Europa Schengen aufgibt, dann bedeutet das, dass es sich selbst aufgibt.“

Renzi hat Italien angeschoben

Tatsächlich ist es dem 41-Jährigen seit seinem Amtsantritt Anfang 2014 offenbar gelungen, Italien aus einem lähmenden Dornröschenschlaf zu wecken. Allerdings gab es in dem Land immer schon den Widerstreit zwischen Schein und Sein, es ist also Vorsicht angebracht. „Italien musste in den vergangenen Jahren großen Herausforderungen begegnen und hat viel geleistet“, sagt die Direktorin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Italien, Caroline Kanter. Dazu gehörten vor allem die zahlreichen Bemühungen um Reformen etwa des Arbeitsmarktes, des Senats und des Wahlrechts. „Und das alles in einem Land, das sich – wirtschaftlich gesehen – erst seit Mai 2015 langsam von der langen Rezession zu erholen scheint“, so Kanter. Gleichzeitig leidet Italien nicht nur unter der Flüchtlingswelle aus Afrika, sondern auch unter der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen. „Diese Probleme üben einen enormen Druck auf die italienische Regierung aus; die Erwartungen sind hoch“, ergänzte Kanter. Wohl auch deshalb ballt Renzi in letzter Zeit die Fäuste. Er muss Stärke zeigen, damit Italien in der EU vorne mitspielen kann. „Für Deutschland ist ein starkes Italien nur gut. Wir sind ja nicht bei der Fußball-WM, wo wir gegeneinander spielen, sondern es geht darum, gemeinsam zu gewinnen“, schwächte der Regierungschef seine Kritik vor der Berlinreise etwas ab. Aber er habe es satt, wie ein Schuljunge behandelt zu werden, der noch seine Hausaufgaben machen und dabei überwacht werden müsse. Ähnliche Töne hatte Renzi zuvor bereits in Brüssel angeschlagen: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, Italien verdient Respekt“, forderte er da. „Italien ist wieder zurück, solider und ehrgeiziger denn je zuvor.“ Das war wohl eher an die Heimat gewandt.