„Wir müssen an einer Festung Europa bauen“
Zehntausende wenn nicht Hunderttausende Menschen sind von Griechenland bis zur slowenisch-österreichischen Grenze unterwegs, um dann vor allem möglichst schnell nach Deutschland zu gelangen. An der slowenisch-österreichischen Grenze droht Eskalation. Wien entsendet Militär. Der Ministerpräsident der Steiermark warnt vor einer Explosion im Lande.
Österreich

„Wir müssen an einer Festung Europa bauen“

Gastbeitrag Zehntausende wenn nicht Hunderttausende Menschen sind von Griechenland bis zur slowenisch-österreichischen Grenze unterwegs, um dann vor allem möglichst schnell nach Deutschland zu gelangen. An der slowenisch-österreichischen Grenze droht Eskalation. Wien entsendet Militär. Der Ministerpräsident der Steiermark warnt vor einer Explosion im Lande.

Die Flüchtlings-Situation auf der Balkanroute hat sich in den letzten Tagen wieder zugespitzt. Jetzt wird der Ruf nach einem massiven Schutz der EU-Außengrenze auch auf offizieller Regierungsseite in Österreich immer eindringlicher. Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) preschte mit der Forderung nach einer „Festung Europa“ vor.

Die Berichterstattung der letzten Tage macht es deutlich. Knapp vor Wintereinbruch verstärkt sich noch einmal der Zug der Flüchtlinge in Richtung Mitteleuropa. Zehntausende wenn nicht Hunderttausende Menschen sind von Griechenland bis zur slowenisch-österreichischen Grenze unterwegs, um dann vor allem möglichst schnell nach Deutschland zu gelangen. Vor allem Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien sind mit der Bewältigung der Situation überfordert, rufen nach europäischer Hilfe.

Alarmruf aus der Steiermark: Vor der Explosion im Land

Begonnen hatte es am vergangenen Wochenende. Nachdem Ungarn auch die grüne Grenze zu Kroatien dicht gemacht, Kroatien die Grenze zu Serbien geöffnet hatte, begann sich der Flüchtlingsstrom umzuorientieren. Nun führt die Völkerwanderung zur slowenisch-österreichischen Grenze. Betroffen davon ist vorerst vor allem der Grenzort Spielfeld an der Strecke von Maribor nach Graz. In der Nacht auf Mittwoch begann die Situation zu eskalieren, als weit mehr als tausend Flüchtlinge die Sperren durchbrachen und sich zu Fuß auf den Weg in Richtung der steirischen Landeshauptstadt machten, in der Meinung, die deutsche Grenze sei nah.

Es ist eine Hauptaufgabe des Staates, seine Grenzen für die Bürger zu schützen – und das ist nicht mehr der Fall. Wir fordern, dass wir mehr Polizei und Bundesheer an die Grenze bekommen.

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP)

Erst nach stundenlangen Bemühungen gelang es der Polizei, diese wieder zurück zur Sammelstelle zu bringen und für einen geregelten Abtransport in verschiedene Flüchtlingslager zu sorgen. Angesichts dieser Situation platzte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) der sprichwörtliche Kragen. Ohne rasche Entscheidungen der EU könnte es zu einer „Explosion“ im Land kommen, warnte er in einem ORF-Interview. „Es ist eine Hauptaufgabe des Staates, seine Grenzen für die Bürger zu schützen – und das ist nicht mehr der Fall. Wir fordern, dass wir mehr Polizei und Bundesheer an die Grenze bekommen, um die Grenzen nicht dicht zu machen, aber zu sichern.“ Und er verwies auch noch darauf, dass die Last der Völkerwanderung nicht auf den Schultern einiger weniger EU-Länder abgeladen werden darf.

Polizei und Militär am Grenzübergang und in den umliegenden Gemeinden

Der Alarmruf aus der Steiermark wurde in Wien verstanden, Polizei und Militär nicht nur am Grenzübergang sondern auch in den umliegenden Gemeinden verstärkt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner machte sich auf den Weg zum Flüchtlingssammelpunkt in Spielfeld. Nach dem Lokalaugenschein sparte sie nicht mit einer klaren Ansage: „Wir müssen an einer Festung Europa bauen“.

Wir müssen an einer Festung Europa bauen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)

Dazu bedarf es eines verstärkten und wirksamen Schutzes der Außengrenze, der raschest möglichen Einrichtung an Hotspots in Italien und Griechenland sowie einer Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas. Letzteres hat zur Folge, dass sich die Schutzsuchenden damit begnügen müssen, den „sicheren Hafen EU“ erreicht zu haben, sich aber nicht das Land aussuchen können, das ihnen eine Heimstatt bietet.

Von Bundeskanzler Faymann (SPÖ) nur Allgemeinplätze

Bei Allgemeinplätzen beließ es Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), wenngleich er mit seiner Äußerung offenbar auf ein ins Haus stehendes Gipfeltreffen anspielte: „Nach der Finanzkrise trifft nun die Flüchtlingskrise unseren Kontinent. Die Krise wurzelt in wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit und in unserem Scheitern, globale Konflikte friedlich zu lösen. Darum müssen wir uns bemühen, rasch ein Ende des Krieges in Syrien herbeizuführen“. Genau darum geht es auch am Freitag im Wiener Hotel Imperial. Zu Gast sind US-Außenminister John Kerry und seine Amtskollegen aus Russland, Saudi-Arabien und der Türkei, um, wie es im Diplomatendeutsch heißt, die Lage zu beraten und nach Lösungsansätzen zu suchen.