Erdogans Stärke ist die Schwäche der anderen
In der Türkei ist die Frist zur Regierungsbildung abgelaufen - jetzt muss das Land neu wählen. Staatspräsident Erdogan setzt damit darauf, dass seine AKP wieder die absolute Mehrheit erringt - und ihm selbst damit die so erhoffte Machterweiterung ermöglicht. Die Uneinigkeit der Kurden könnte ihm dabei in die Karten spielen.
Wahlen in der Türkei

Erdogans Stärke ist die Schwäche der anderen

In der Türkei ist die Frist zur Regierungsbildung abgelaufen - jetzt muss das Land neu wählen. Staatspräsident Erdogan setzt damit darauf, dass seine AKP wieder die absolute Mehrheit erringt - und ihm selbst damit die so erhoffte Machterweiterung ermöglicht. Die Uneinigkeit der Kurden könnte ihm dabei in die Karten spielen.

Rund zehn Wochen nach der Parlamentswahl ist in der Türkei die Frist zur Regierungsbildung am Sonntag abgelaufen – jetzt steht das Land vor Neuwahlen. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon zum Wochenende angekündigt, dass voraussichtlich am 1. November ein neues Parlament gewählt wird.

Dabei hofft Erdogan, dass die einst von ihm gegründete islamisch-konservative Partei AKP wieder die absolute Mehrheit im türkischen Parlament erringt – bei den Wahlen Anfang des Jahres hatte die AKP eben diese nach über zehn Jahren verloren. Größter Gewinner des damaligen Urnengangs war die pro-kurdische Partei HDP – sie hatte auch einen beträchtlichen Stimmenanteil unter Nicht-Kurden erhalten. Der türkischen Verfassung zufolge wäre sie jetzt an der Reihe gewesen, einen Versuch zur Regierungsbildung zu starten, nachdem die AKP daran gescheitert war.

Erdogans Medienkrieg gegen die HDP

Beobachter befürchten, das die stark repressive Politik Erdogans gegenüber der HDP das Image der Partei soweit angekratzt haben könnte, dass eine erneute Alleinregierung der AKP durchaus möglich wäre. Seit Monaten bezeichnen AKP-Vertreter die HDP als den „politischen Arm der terroristischen PKK“ – jene Organisation, gegen die die Türkei auch in Syrien und dem Irak Angriffe fliegt. Da hilft es auch wenig, dass sich die HDP-Führung immer wieder von den Gewalttaten der PKK distanziert und zu friedlichen Verhandlungen aufruft.

Hinzu kommt die Uneinigkeit unter den Kurden und pro-kurdischen Kräften in der Türkei: Denn auch die PKK kritisiert die Politik der HDP immer wieder für deren Kurs. Die Schwäche der anderen könnte Erdogans einzige Stärke sein, sagen Experten – denn eigentlich hat sich die Stimmung unter den Türken gegenüber der AKP während der letzten Monate kaum verändert. Womöglich könnte das neue Parlament also eine ganz ähnliche Zusammensetzung haben wie das alte.

Doch obwohl Erdogan alles daran setzt, die HDP so klein wie möglich zu machen, zeigen sich die Kurden dort verhandlungsbereit: Bis zu den geplanten Neuwahlen muss das Parlament eine Übergangsregierung, in der alle gewählten Partei gemäß ihre Stärke vertreten sein müssen. Während die CHP und die MHP ihre Teilnahme an einer Interimsregierung schon abgelehnt haben, hat HDP-Chef Selahattin Demirtas mitgeteilt, seine Partei sei dazu bereit, die ihnen zustehenden Ministerposten zu besetzen.