Schwieriges Verhältnis: Griechenland und die EU. (Bild: Fotolia/PAK Design)
Griechenland

Keine Sterne in Athen

Mit einem unerwartet deutlichen „Ochi“ (Nein) hatte die große Mehrheit der Griechen am 5. Juli im kurzfristig angesetzten Referendum die Sparauflagen der Gläubiger Griechenlands abgelehnt. Die Einigung vom Montag setzt die Syriza-Regierung auch deshalb weiter unter Druck. Ein Bericht von Polixeni Kapellou, Leiterin der Verbindungsstelle Athen der Hanns-Seidel-Stiftung.

Nur 38,69 Prozent stimmten mit „Nai“ (Ja). Die Wahlbeteiligung betrug mehr als 60 Prozent. Die Tsipras-Regierung wurde durch das Ergebnis der Volksabstimmung zweifellos gestärkt. Premierminister Tsipras hatte damit nach den Parlamentswahlen vom 25. Januar 2015 innerhalb von sechs Monaten zum zweiten Mal ein klares Mandat erhalten. Das Ja-Lager, zu dem viele Medien, vor allem aber frühere Regierungschefs, die Bürgermeister von Athen und Thessaloniki und fast die gesamte Opposition gehörten, konnte die Griechen nicht überzeugen. Denn Alexis Tsipras, der immer noch eine hohe Popularität in Griechenland genießt, hatte das „Ochi“ personifiziert und zur Chefsache gemacht. Zum anderen haben die Wähler das „Nai“–Lager mit dem alten politischen System identifiziert, das von der Mehrheit der Bürger abgelehnt worden war.

„Ich habe jetzt eine größere Verhandlungsmacht“

Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte in seiner Ansprache am Abend des 5. Juli nach der Verkündung des endgültigen Ergebnisses, dass das griechische Referendum keine Sieger und Verlierer kenne: „Die Griechen haben unter schwierigsten Bedingungen bewiesen, dass die Demokratie sich nicht erpressen lässt. Die nationale Einheit muss bewahrt werden. Das Mandat, das Sie mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine größere Verhandlungsmacht.“.

Das Ergebnis der neuen Verhandlungen ist bekannt: Über 80 Milliarden Euro an Hilfsgeldern sollen die 19 Euro-Staaten für Griechenland bereitstellen. Drei Jahre lang soll das Land so am Leben gehalten werden, um Reformen umzusetzen und sich langfristig zu stabilisieren. Griechenland muss aber noch in dieser Woche tiefgreifende Reformen anstoßen, darunter zur Privatisierung, für die Verwaltung, für die Justiz und Teile seines Steuer- und Rentensystems. Vorher hatte Tsipras noch verkündet: Erste Priorität habe jetzt die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Seine Regierung sei auch weiter zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien aber Investitionen und die Umstrukturierung der Schulden. Der griechische Ministerpräsident hatte zudem wiederholt erklärt, seiner Regierung sei bewusst, dass es keine einfachen Lösungen gebe. „Aber es gibt gerechte Lösungen, tragfähige Lösungen – solange beide Seiten dazu gewillt sind.“ Die Griechen hätten nach Tsipras‘ Ansicht eine „historische und mutige“ Entscheidung im Referendum getroffen. „Ihre Antwort wird den existierenden Dialog in Europa verändern.“ Das bleibt auch nach der Einigung fraglich. Denn jetzt muss Griechenlands Ministerpräsident am Mittwoch im Parlament um eine Mehrheit kämpfen, da viele der eigenen Abgeordneten nicht zustimmen wollen. Auch der Koalitionspartner, die rechtsnationalen „Unabhängigen Griechen“, kündigten Widerstand gegen das Abkommen mit der Eurozone an. Und die Gewerkschaft der Staatsbediensteten rief aus Protest zu einem 24-stündigen landesweiten Streik auf.

Rücktritt von Yanis Varoufakis – „Varoufexit“

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte trotz des eindeutigen Votums für den Kurs der Regierung seinen Rücktritt angekündigt. In einer kurzen  Erklärung sagte er, einige Mitglieder der Eurogruppe hätten ihm klar gemacht, dass sie es vorziehen würden, wenn er nicht mehr an ihren Treffen teilnehmen werde. Neuer Finanzminister ist Euklidis Tsakalotos, Wirtschaftsprofessor und bisheriger Stellvertretender Außenminister. Er wurde am 6. Juli 2015 vereidigt. Tsakalotos gilt als weitaus zurückhaltender als sein Amtsvorgänger. Seine Ernennung wurde daher als Zugeständnis an die Euro-Gruppe verstanden und lässt in Zukunft einen weniger konfrontativen Verhandlungsstil erwarten.

Auch Oppositionschef Antonis Samaras trat zurück

Nach dem „Nein“ gab es die erste Reaktion in der Partei „Nea Dimokratia“. Der ehemalige Ministerpräsident Antonis Samaras trat als Parteichef der konservativen „Nea Dimokratia“ noch am Wahlabend zurück. Die Partei brauche einen Neuanfang, so Samaras. Die ehemalige Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen, Dora Bakoyanni, gilt als aussichtsreichste Kandidatin für den Vorsitz der ND. Bakoyanni soll Samaras kurz vor der Durchführung der Volksabstimmung angerufen und ihn aufgefordert haben, zurückzutreten. Übergangsvorsitzender bis zum neuen Parteitag, der wahrscheinlich erst im September stattfinden wird, ist der ehemalige Parlamentspräsident Evangelos Meimarakis. Die Nea Dimokratia hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, mit „Ja“ zu stimmen. Sie sah das Referendum auch als Votum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Diese Strategie ist nicht aufgegangen.

Einigung oder Grexit?

Innerhalb der dem Referendum folgenden Tage musste die Regierung den Verhandlungsfaden mit ihren europäischen Partner wieder aufnehmen, um eine ungeordnete Insolvenz des Landes sowie den Zusammenbruch der Banken abzuwenden. Nach dem klaren „Nein“ der eigenen Bürger und den jüngsten Protesten gegen die als nationale Demütigung empfundene Einigung vom Montag stand und steht die Regierung aber vor dem Dilemma: Durchsetzung des neuen Reformprogramms oder doch noch Austritt aus der Eurozone? Denn nach wie vor setzt sich die deutliche Mehrheit der Griechen, darunter auch die Mehrheit des „Nein-Lagers“, für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone ein.