Herausforderer für Tsipras
Griechenlands radikalsozialistischer Premier Alexis Tsipras erhält endlich einen ernsthaften Herausforderer: Ziemlich überraschend ist Kyriakos Mitsotakis an die Spitze der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia gewählt worden. Im letzten Kabinett Samaras hat er eine gute Figur gemacht. Jetzt will er gegen den „Populismus einer unfähigen Regierung“ entschlossene Oppositionspolitik machen.
Griechenland

Herausforderer für Tsipras

Griechenlands radikalsozialistischer Premier Alexis Tsipras erhält endlich einen ernsthaften Herausforderer: Ziemlich überraschend ist Kyriakos Mitsotakis an die Spitze der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia gewählt worden. Im letzten Kabinett Samaras hat er eine gute Figur gemacht. Jetzt will er gegen den „Populismus einer unfähigen Regierung“ entschlossene Oppositionspolitik machen.

Kyriakos Mitsotakis (47 Jahre alt) ist überraschend zum neuen Vorsitzenden der größten griechischen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) gewählt worden. Mit mehr als 52 Prozent der Stimmen setzte er sich bei der Stichwahl am 10. Januar  gegen den ehemaligen Parlamentspräsidenten Evangelos Meimarakis durch. Gut 325.000 Parteimitglieder und sogenannte Parteifreunde hatten an der zweiten Runde der Urabstimmung teilgenommen. Notwendig geworden war die Wahl, weil Meimarakis nach der Niederlage der Nea Dimokratia bei der vorgezogenen Parlamentswahl im September 2015 sein Amt als geschäftsführender Vorsitzender der ND zur Verfügung gestellt hatte.

Heute Abend wurde der Populismus besiegt. Jetzt schlägt die Stunde der großen Verantwortung. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir wirklich etwas verändern können in diesem Land.

Kyriakos Mitsotakis

Der Wahlsieg vom Mitsotakis im Kampf um die Führung der Nea Dimokratia gilt als große Überraschung. Denn beim ersten Wahlgang am 20. Dezember 2015 hatte keiner der ursprünglich vier Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit erreicht. Evangelos Meimarakis, der in der Partei als Traditionalist gilt, belegte im ersten Wahlgang mit 39,8 Prozent der Stimmen Platz eins. Kyriakos Mitsotakis, der als Reformer gilt, folgte damals mit lediglich 28,5 Prozent der Stimmen auf Rang zwei − mit 11,3 Prozentpunkten Abstand zu Meimarakis. „Heute Abend wurde der Populismus besiegt. Jetzt schlägt die Stunde der großen Verantwortung. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir wirklich etwas verändern können in diesem Land“, so Mitsotakis in einer ersten Stellungnahme vor Journalisten.

Ernst zu nehmender Herausforderer für Tsipras

Die Tatsache, dass Kyriakos Mitsotakis einer alteingesessenen Politikerfamilie entstammt – sein Vater war Anfang der 90er-Jahre griechischer Ministerpräsident – und er damit zum politischen Establishment gehört, wirkte sich für ihn entgegen allen Erwartungen nicht negativ aus. Vielmehr überzeugte er durch sein Charisma, seine Fähigkeit, auf Menschen zugehen zu können und sein konstruktives Reformprogramm. Der 47-jährige Mitsotakis gilt als Hoffnungsträger: Als Minister für Verwaltungsreform im Kabinett des letzten Ministerpräsidenten Antonis Samaras hat er gezeigt, dass er sich nicht scheut, schwierige Reformen umzusetzen − auch gegen großen Widerstand. So senkte er etwa in seiner Amtszeit die Zahl der Staatsbediensteten um 25 Prozent, was in Brüssel und Berlin großes Lob fand. Seine Wahl zum Vorsitzenden der Partei gilt als ein Generationenwechsel und als eine politische Wende, welche die Nea Dimokratia wieder ins Zentrum der politischen Entwicklungen in Griechenland bringen kann.

Mitsotakis verspricht die Modernisierung und inhaltliche Neuaufstellung der Nea Dimokratia. Er will das Leistungsprinzip in Staat und Gesellschaft verankern, den Staatsdienst weiter umstrukturieren, gegenüber den europäischen und internationalen Kreditgebern Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Nur unter diesen Voraussetzungen könne laut Mitsotakis die Krise überwunden werden und das Land zum Wachstumskurs zurückkehren, was wiederum zu Investitionen und neuen Arbeitsplätzen führen soll.

Die Nea Dimokratia wird alle Kräfte vertreten, die gegen den Populismus einer unfähigen Regierung sind.

Kyriakos Mitsotakis

Nun muss Kyriakos Mitsotakis die Griechen davon überzeugen, dass er eine echte politische Alternative zur Koalitionsregierung „Syriza-Anel“ von Tsipras darstellt. Die Zeichen stehen günstig: Analysten kommentierten im griechischen Rundfunk, Tsipras habe nun einen starken Gegner bekommen. Die beiden Politiker seien „jung und dynamisch” und ihre Duelle werden „hochspannend” sein, hieß es. Mitsotakis selber hat wiederholt erklärt, er werde einen harten, aber konstruktiven Oppositionskurs im Parlament verfolgen. Noch am Wahlabend schlug der neue Oppositionsführer einen kämpferischen Ton an: Die Nea Dimokratia werde alle Kräfte vertreten, die gegen „den Populismus einer unfähigen Regierung sind”. Mitsotakis betonte, dass die Zustimmung der Nea Dimokratia zum dritten Reformprogramm im Parlament (August 2015) nicht als Blanko-Scheck für die Tsipras Regierung missverstanden werden dürfe.

Erste Bewährungsprobe: Debatte über die umstrittene Rentenreform

Seine erste wichtige Bewährungsprobe als neuer Oppositionsführer und Herausforderer von Premier Tsipras steht ihm bei der Debatte über die umstrittene Rentenreform bevor. Die Regierung von Tsipras verfügt nur über eine Mehrheit von drei Stimmen. Der neue ND-Vorsitzende Mitsotakis lehnt die Rentenreform ab, da ein Drittel der Einsparungen über höhere Beträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert werden soll. Das gehe zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, warnt Mitsotakis – ein Argument, das im Prinzip auch von den europäischen Gläubigern geteilt wird.