Neuwahlen in Griechenland wahrscheinlich
Nach den umkämpften Parlamentsabstimmungen über die ersten beiden griechischen Reformpakete muss sich Premier Alexis Tsipras der linken Kritiker in seiner Syriza-Partei entledigen. Die Zeichen stehen auf Parteispaltung − und auf Neuwahlen im September oder Oktober. Eine Analyse aus Athen.
Griechenland

Neuwahlen in Griechenland wahrscheinlich

Nach den umkämpften Parlamentsabstimmungen über die ersten beiden griechischen Reformpakete muss sich Premier Alexis Tsipras der linken Kritiker in seiner Syriza-Partei entledigen. Die Zeichen stehen auf Parteispaltung − und auf Neuwahlen im September oder Oktober. Eine Analyse aus Athen.

Mit den Stimmen der proeuropäischen Oppositionsparteien (Nea Dimokratia, Pasok und Potami) hat Ministerpräsident Alexis Tsipras die ersten tiefgreifenden Reformen durch das Parlament gebracht. Die Opposition billigte das Spar-und Reformpaket und unterstützte den Kurs von Tsipras, doch ein Viertel seiner eigenen Syriza-Fraktion verweigerte ihm die Gefolgschaft − darunter Linken-Anführer und Energieminister Lafazanis, Ex-Finazminister Varoufakis und die Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. 32 Abgeordnete der Syriza-Fraktion, die meisten aus der sogenannten „Linken Plattform“ haben mit „Nein“ votiert, während sich sechs Abgeordnete der Stimme enthielten.

Tiefe Kluft innerhalb der Syriza-Fraktion gefährdet die politische Stabilität

Die Abstimmung hat deutlich gezeigt, dass es zum ersten Mal seit fünf Jahren eine breite politische Mehrheit und Zustimmung dafür gibt, Griechenland gegen harte Auflagen in der Eurozone zu halten. Die Abstimmung hat jedoch auch gezeigt, dass innerhalb der Regierungspartei eine tiefe, die Stabilität des Landes gefährdende politische Kluft besteht.

Tsipras steht nun vor der Herausforderung, sowohl diese breite Mehrheit im Parlament aufrechtzuerhalten und damit den Verbleib des Landes im Euro zu sichern, als auch die deutlichen politischen Diskrepanzen und Unstimmigkeiten innerhalb seiner Partei und seiner Fraktion zu überwinden. Es ist offensichtlich, dass sich die Regierung nicht weiter auf Parlamentarier und auf Minister verlassen kann, die gegen die Vereinbarung mit der Eurogruppe und damit gegen eine zukunftsorientierte Reformpolitik gestimmt haben. Der Ministerpräsident muss nun Initiativen ergreifen, um die reibungslose Umsetzung des Reformkurses zu gewährleisten und das Abkommen mit den europäischen Partnern mit Leben zu füllen.

Tsipras‘ Befreiungsschlag: Kabinettsumbildung

Nach der Parlamentsabstimmung versuchte Alexis Tsipras darum einen Befreiungsschlag, um sich der Abhängigkeit von den 32 Abweichlern zu entledigen. Tsipras ist entschlossen, Griechenland in der Eurozone zu halten und dafür hat er den Rückhalt der proeuropäischen Parteien im Parlament. Allerdings fehlt ihm die Unterstützung eines Viertels seiner eigener Partei. Tsipras soll laut Presseberichten gegenüber engen Mitarbeitern erklärt haben, er würde die 32 Abweichler nicht mehr als Mitglieder seiner Fraktion betrachten.

Am Samstag, den 18. Juli 2015, wurde die neue Regierung vereidigt. Am Vorabend hatte der Ministerpräsident im Rahmen einer Kabinettsumbildung zahlreiche Vertreter des linken Flügels seiner Syriza-Partei entlassen. Sie wurden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs ersetzt. Das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss, übernahm Tsipras Mitarbeiter Panos Skourletis. Finanzminister bleibt Euklidis Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias behält sein Amt.

Unter den Entlassenen war der Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis, ein kompromissloser Gegner des Reformpakets. Zudem wurde der stellvertretende Minister für Sozialfragen, Dimitris Stratoulis, gefeuert. Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels der Partei von Tsipras. Sie sperrten sich gegen weitere Sparmaßnahmen und Privatisierungen und befürworteten offen den Austritt aus der Eurozone. Neben ihnen mussten auch mehrere Vizeminister gehen.

Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich

Alexis Tsipras will die Verhandlungen über das dritte Milliarden-Hilfsprogramm mit einer neuen Regierung unter Dach und Fach bringen. Der nächste Schritt sollen vorgezogene Neuwahlen voraussichtlich im September oder Oktober sein. Die Vertreter der „Linken Plattform“ von Syriza, Ex-Energieminister Lafazanis, Ex-Finanzminister Varoufakis und Parlamentspräsidentin Konstantopoulou, wollen allerdings keine Neuwahlen.

Linke Syriza-Abgeordnete nicht mehr auf der Wahlliste

Sollte es doch zu Neuwahlen kommen, hätte der Ministerpräsident laut Wahlgesetz freie Hand bei der Zusammensetzung der Wahlliste seiner Partei. Er dürfte dann nur Kandidaten aufstellen, die seine Politik unterstützen. Mitglieder der „Linken Plattform“ würden kaum mehr berücksichtigt werden.

Reformmaßnahmen: Alles wird teurer

Mit sofortiger Wirkung müssen die Griechen für viele Produkte mehr bezahlen, denn die Regierung hat die Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent angehoben. Auf viele Waren und Dienstleistungen, für die bislang der ermäßigte Satz von 13 Prozent galt, wird nun der reguläre Satz von 23 Prozent fällig. Für alle verarbeiteten Lebensmittel beträgt die Mehrwertsteuer künftig 23 Prozent. So werden unter anderem bestimmte Fleisch- und Speiseölsorten, Kaffee, Tee, Kakao, Essig, Reis, Mehl und Milchprodukte teurer Der neue erhöhte Satz trifft auch Dienstleister wie Taxifahrer, Bestattungsunternehmer und Nachhilfelehrer.

Die Mehrwertsteuererhöhung soll dem Staat allein bis Jahresende 800 Millionen Euro zusätzlich einbringen.

Anfang August dürften auch die Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr teurer werden. Die Mehrwertsteuererhöhung soll dem Staat allein bis Jahresende 800 Millionen Euro zusätzlich einbringen. Auch die griechischen Banken sind wieder geöffnet. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben aber in Kraft. Damit es nicht mehr zu langen Warteschlangen vor den Geldautomaten kommt, können die Bürger pro Woche maximal 420 Euro abheben. Bislang waren es pro Tag höchstens 60 Euro.