„Gemeinsamer Gefahrenraum“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Kontrollen an den deutschen Grenzen für sechs Monate verlängert. Begründung: Terrorgefahr. In diesem Jahr wurden in Deutschland schon 140.000 Asylbewerber gezählt − 500 pro Tag.
Grenzkontrollen

„Gemeinsamer Gefahrenraum“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Kontrollen an den deutschen Grenzen für sechs Monate verlängert. Begründung: Terrorgefahr. In diesem Jahr wurden in Deutschland schon 140.000 Asylbewerber gezählt − 500 pro Tag.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Kontrollen an den deutschen Binnengrenzen für weitere sechs Monate verlängert. Die Sonderregelung auf Grundlage des Schengener Abkommens wäre am 11. November ausgelaufen. Betroffen sind nach Angaben des Innenministeriums nur die deutsch-österreichische Landgrenze sowie Flugverbindungen von Griechenland nach Deutschland.

Anhaltende Terrorgefahr

In einer Pressemitteilung verwies De Maizière verwies zur Begründung auf die Serie von Terroranschlägen in Deutschland und Europa und: „Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten haben dramatische terroristische Anschläge erlebt.“ Die Sicherheitslage im „gemeinsamen europäischen Gefahrenraum“ sei nach wie vor angespannt.

Ein erhebliches Maß illegaler Migration innerhalb des Schengenraums.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière

De Maizière weiter: „Es bestehen auch weiterhin Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen sowie ein erhebliches Maß illegaler Migration innerhalb des Schengenraums.“ Es sei Aufgabe der Innenminister, auf diese andauernde Lage angemessen zu reagieren. Deshalb habe er mit seinen Amtskollegen aus den hauptbetroffenen Mitgliedstaaten beschlossen, die Binnengrenzkontrollen im Rahmen des Schengenrechts „in nationaler Souveränität“ über den 11. November 2017 hinaus anzuordnen.

Eine vollständige Rückkehr zu einem Schengenraum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen ist erst möglich, wenn die Entwicklung der Gesamtlage dies zulässt.

Thomas de Maizière

Das soll zunächst für sechs Monate gelten. Tatsächlich aber ist ein Ende derzeit nicht abzusehen, so de Maizière recht deutlich: „Eine vollständige Rückkehr zu einem Schengenraum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen ist erst möglich, wenn die Entwicklung der Gesamtlage dies zulässt.“ EU-Kommission und Mitgliedstaaten arbeiteten mit Nachdruck daran, so der Minister. „Aber es liegt noch ein längerer Weg vor uns, den wir zuende gehen müssen.“ Die Verlängerung der Kontrollen sei mit den betroffenen Staaten abgesprochen, die EU-Gremien seien informiert. Interessant: Auch Dänemark verlängert seine Kontrollen an der Grenze zu Deutschland um weitere sechs Monate.

EU-Kommission verlangt neue Begründung

Vor zwei Jahren, im September 2015, hatte de Maizière die Wiedereinführung von Grenzkontrollen mit der „außergewöhnlichen Migrationslage“ begründet. Laut Schengenvertrag kann die Kontrollfreiheit aber nur für maximal zwei Jahre suspendiert werden. Die EU-Kommission hatte denn auch die Ausnahmereglung eigentlich zum Ende des Jahres auslaufen lassen wollen.

Nach Protest aus München, Berlin sowie anderen EU-Ländern machte sie zur Auflage, dass eine Weiterverlängerung anders begründet werden müsse. Dem ist de Maizière gefolgt, indem er nun die weitere Verlängerung der Grenzkontrollen mit Terrorgefahr „im gemeinsamen europäischen Gefahrenraum“ begründet.

2017: 500 Asylbewerber jeden Tag

Die deutsch-österreichische Grenze sei nach wie vor Schwerpunkt illegaler Migration nach Deutschland, berichtet das Bundesinnenministerium. Zudem würden vermehrt unerlaubte Einreisen auch auf dem Luftweg – mit gefälschten Pässen – aus Griechenland festgestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat im September 14.688 Asylsuchende verzeichnet, im August 16.312 und im Juli 15.069.

Zwischen Januar und September 2017 zählte das Bundesamt insgesamt 139.635 Asylbewerber – im Schnitt etwa 500 jeden Tag. Die zehn wichtigsten Herkunftsländer sind Syrien (35.383), Irak (15.425), Afghanistan (9503), Eritrea (7365), Iran (5864), Türkei (5447), Nigeria (5177), Somalia (4665), Russland (3645, zumeist Tschetschenen) und 4889 sogenannte Ungeklärte.

Wieder mehr Migranten aus Tunesien

Für Beunruhigung sorgt unter Beobachtern, dass in den vergangenen Monaten plötzlich wieder Tausende von Migranten von Tunesien aus über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. In diesem Jahr wurden auf dieser Route schon 3100 Migranten registriert gegenüber 574 im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch aus Marokko kamen in diesem Jahr schon 1463 Migranten, doppelt so viele wie im Vorjahr. Bei den Migranten aus Tunesien handele es sich vor allem um junge Tunesier, „die vor der wachsenden Armut im Lande fliehen“, schreibt die NZZ. Beunruhigend für Italiens Nachbarländer, denn Rom ist überfordert. Alle Auffanglager und Asylbewerberheime sind überfüllt. Ankommende Migranten würden mit oder ohne Ausweisungsbescheid einfach auf freien Fuß gesetzt, so die NZZ. Seit Anfang 2016 sind fast 300.000 Migranten nach Italien gekommen.

In Rom befürchtet man vor allem auch, dass aus Tunesien vermehrt islamische Extremisten nach Italien gelangen.

Neue Zürcher Zeitung

In Rom befürchte man vor allem, „dass aus Tunesien vermehrt islamische Extremisten nach Italien gelangen“, schreibt das Schweizer Blatt. Die Sorge ist begründet: Mit über 6000 Dschihadisten hat Tunesien das größte nationale Kontingent für die Terrorarmee des Islamischen Staats in Syrien und Irak gestellt. Die Terroranschläge in Nizza, Berlin und zuletzt in Marseille wurden von Tunesiern verübt.