EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den Euro in der gesamten Europäischen Union einführen, also auch in den ärmeren osteuropäischen Ländern. Außerdem sollen alle EU-Länder der Schengenzone ohne Grenzkontrollen beitreten, wie EU-Diplomaten vor Junckers Grundsatzrede im Europaparlament sagten. Zudem soll die EU weiter wachsen: Bis 2025 könnte sie um die 30 Mitglieder haben.
Vorschläge mit Zündstoff
Kurz vor der Bundestagswahl macht Juncker damit Vorschläge, die erheblichen Streit auslösen dürften. So bedeutet die gewünschte Ausweitung der Eurozone, dass auch EU-kritische Länder wie Ungarn oder Polen die Einheitswährung einführen sollen. Auch soll sie dann in armen EU-Ländern wie Rumänien oder Bulgarien gelten, die die Konvergenzkriterien für einen Euro-Beitritt nicht erfüllen – ähnlich wie Griechenland, das seine Aufnahme 2001 geschönten Zahlen und insbesondere der rot-grünen deutschen Bundesregierung verdankte. Der langjährige Bundesfinanzminister Theo Waigel (1989-1998; CSU) hatte wie viele Experten eine Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone immer vehement abgelehnt, wie sich zeigte, zu Recht. Das Land hatte nämlich falsche Angaben über das staatliche Haushaltsdefizit sowie weitere massiv geschönte Statistiken an die EU gemeldet. Dies führte letztlich zur schweren Finanz- und Bankenkrise in Europa.
Euro für alle: CSU mahnt zur Vorsicht
In 19 der 28 Staaten der Europäischen Union wird derzeit mit dem Euro bezahlt. Seit 1999 haben Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien die Gemeinschaftswährung. Später kamen nach und nach Griechenland, Slowenien, Malta und Zypern, Slowakei, Estland, Lettland und Litauen dazu.
Als offizielles Zahlungsmittel ist der Euro nicht eingeführt in den EU-Staaten Bulgarien, Dänemark, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Großbritannien, das derzeit seinen Austritt aus der EU verhandelt, war nie Teil des Euroraums.
Die Europäische Kommission darf hier nicht erneut beide Augen zudrücken.
Markus Ferber, CSU-Finanzexperte zu übereilten Euro-Beitritten
Der CSU-Finanzexperte und erste stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament, Markus Ferber, erklärte dazu: „Für den Beitritt zum Euro gibt es klare Kriterien. Solange die Kandidatenländer diese Kriterien nicht erfüllen, darf der Beitritt nicht per politischem Dekret erzwungen werden.“ Ferber weist auf das Beispiel Griechenlands hin. Das habe gezeigt, was passiert, wenn man im politischen Übereifer die wirtschaftlichen Realitäten ignoriert und einem Euro-Beitritt leichtfertig grünes Licht gibt. „Dieser Fehler darf sich keinesfalls wiederholen“, teilt Ferber mit. Er betont: „Es muss ganz klar sein, dass Euro-Beitrittskandidaten die Maastricht-Kriterien erfüllen müssen. Die Europäische Kommission darf hier nicht erneut beide Augen zudrücken.“
Herrmann zu Schengen
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht den Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für eine Ausweitung der Schengenzone ohne Grenzkontrollen kritisch. „Eine Ausweitung des Schengen-Raums kann es allenfalls nach einer sehr strengen Überprüfung der Beitrittskandidaten geben“, betonte Herrmann am Mittwoch.
Rückschritte in Sachen Sicherheit sind in Zeiten gewachsener terroristischer Bedrohung absolut inakzeptabel.
Joachim Herrmann (CSU), Bayerischer Innenminister
„Auf Kosten der Sicherheit der deutschen Bevölkerung darf der Schengen-Raum keinesfalls größer werden.“ Herrmann warnte, schon jetzt gibt es Schengen-Länder wie etwa Griechenland, „die nicht in der Lage und willens sind, ihre Außengrenzen ordentlich zu schützen“. „Aufgrund dieser Schlamperei an den Außengrenzen können wir in Deutschland derzeit auch nicht auf Binnengrenzkontrollen verzichten.“ Man müsse beim Schutz der EU-Außengrenzen endlich vorwärts kommen. „Rückschritte in Sachen Sicherheit sind in Zeiten gewachsener terroristischer Bedrohung absolut inakzeptabel.“
Europaministerin Merk übt Kritik
Auch Europaministerin Beate Merk (CSU) hat sich entschieden gegen die Vorschläge von Juncker ausgesprochen. Merk: „Europa leidet seit Jahren an den Folgen einer zu schnellen Ausweitung sowohl der Eurozone als auch des Schengenraums.
Weder in der Eurozone noch im Schengenraum erfüllten alle Staaten die geltenden Voraussetzungen. Wer den Euro und Schengen jetzt trotzdem auf alle EU-Staaten ausdehnen wolle, der schlage ein riskantes Experiment vor, das die Probleme in Europa gewaltig verschärfen würde. „Das ist genau das Gegenteil von dem, was sich die Menschen in Europa von der Europäischen Union erwarten: Mehr Sicherheit und Stabilität, nicht weniger.“
Juncker gegen Macron
Junckers Rede zur Lage der Union im Straßburger Europaparlament war mit Spannung erwartet worden. Nach Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt hatte er eine Reformdebatte angestoßen und im März fünf Szenarien zur EU der Zukunft vorgelegt. Doch Juncker will nach Angaben der EU-Diplomaten keine neuen Strukturen und auch keine Änderung der Europäischen Verträge – anders als der französische Präsident Emmanuel Macron, der einen Euro-Finanzminister mit eigenem Milliarden-Budget verlangt.
Hier kommt Juncker Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegen, die skeptisch gegenüber einem weitreichenden Umbau der Gemeinschaft ist. Neben der Ausweitung der Schengen-Zone und der möglichen EU-Erweiterung nannte Juncker als Kompromissformel, dass ein Vizepräsident der Kommission hauptamtlicher Chef der Eurogruppe wird – eine Art „Mr. Euro“ ohne neuen Apparat. Im EU-Haushalt soll ein eigener Titel für die Eurozone vorgesehen werden. Daraus will Juncker unter anderem Hilfen für EU-Staaten wie Rumänien oder Bulgarien finanzieren, um sie fit für den Euro zu machen.
Transparenter Freihandel
Die EU-Kommission will zudem bis 2019 Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abschließen, wie Juncker ankündigte. Die Abkommen sollten dabei unter größtmöglicher Transparenz ausgehandelt werden, nationale und regionale Parlamente vom ersten Tag an umfassend informiert werden. Zudem schlägt die Brüsseler Behörde vor, Investoren aus Drittstaaten künftig genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit sollen Übernahmen aus Ländern wie etwa China strenger geprüft werden können. Der EU-Kommissionschef stellt jedes Jahr im September seine Agenda für die kommenden Monate vor.
(dpa/PM)