Wahlen vor Weihnachten
Die britische Labour-Partei hat ihren Widerstand gegen eine vorgezogene Parlamentswahl aufgegeben. Damit scheint eine Neuwahl im Dezember so gut wie sicher. Auch einer neuer Brexit-Termin steht: der 31. Januar − spätestens.
Brexit

Wahlen vor Weihnachten

Die britische Labour-Partei hat ihren Widerstand gegen eine vorgezogene Parlamentswahl aufgegeben. Damit scheint eine Neuwahl im Dezember so gut wie sicher. Auch einer neuer Brexit-Termin steht: der 31. Januar − spätestens.

Großbritannien wird im Zuge des Brexit-Streits voraussichtlich im Dezember ein neues Parlament wählen. Die größte Oppositionspartei Labour gab ihren Widerstand gegen eine Neuwahl auf.

Sie wollte noch am Dienstag dem von Premier Boris Johnson eingebrachten Wahlgesetz zustimmen, wie Labour-Chef Jeremy Corbyn mitteilte. Damit scheint eine vorgezogene Parlamentswahl so gut wie sicher.

Wahlrecht ab 16?

„Ein No Deal ist vom Tisch, daher wird Labour heute Abend einer Parlamentswahl zustimmen”, schrieb Corbyn auf Twitter. In einem BBC-Interview gab er sich demonstrativ kämpferisch. Er könne es gar nicht erwarten, sich in den Wahlkampf zu stürzen, sagte der 70-Jährige.

Unklar war zunächst jedoch, ob die Opposition den von Johnson vorgeschlagenen Wahltermin am 12. Dezember beibehalten will. Auch weitere Bedingungen sind nicht auszuschließen. Eine Absenkung des Wahlalters forderte beispielsweise Londons Bürgermeister Sadiq Khan. „Diejenigen, deren Zukunft am meisten betroffen ist, müssen auch das Sagen haben − inklusive der 16- und 17-Jährigen und der EU-Bürger, die in Großbritannien leben”, schrieb der Labour-Politiker auf Twitter.

Junge Briten gelten als sehr viel proeuropäischer als ihre Eltern und Großeltern. Anders als sehr viele Labour-Wähler in alten Labour-Hochburgen im Norden des Landes ist Bürgermeister Khan ist ein strikter Brexit-Gegner.

SNP will frühen Termin

Zuvor hatten bereits die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei SNP signalisiert, dass sie eine Neuwahl im Dezember unterstützen könnten. Sie hatten sich allerdings zunächst für den 9. Dezember als Wahltermin ausgesprochen. Sie wollten damit die Zeit, die Johnson für die Ratifizierung seines Brexit-Deals bleibt, möglichst verkürzen.

Außerdem erhoffen sie sich von einer Wahl vor Beginn der vorlesungsfreien Zeit an der Universität mehr Stimmen. Beide Parteien wollen den Brexit verhindern. Sie befürchten, dass es Johnson doch noch gelingen könnte, sein Brexit-Abkommen vor einer Neuwahl durchs Parlament zu bringen und das Land aus der EU führen.

Entscheidung ohne Zweidrittel-Mehrheit

Johnson, der über keine Mehrheit im Parlament verfügt, will mit der Wahl eines neuen Parlaments eine eigene Mehrheit erringen und einen Brexit nach seinen Vorstellungen durchsetzen. Dafür wollte er noch am Dienstag ein Gesetz für eine vorgezogene Abstimmung durch das Unterhaus bringen. Mit dem Kniff möchte der Premier die eigentlich für eine solche Wahl notwendige Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten umgehen. An der Hürde war Johnson am Montag bereits zum dritten Mal gescheitert, weil sich Labour weigerte zuzustimmen.

Mit der Unterstützung der kleineren Parteien für das Wahlgesetz hatte Labour sein Veto verloren, weil schon eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung ausreicht. Die Sozialdemokraten hatten eigentlich so spät wie möglich wählen wollen. Denn in den Umfragen stehen sie derzeit relativ schlecht da. Die Traditionspartei versprach sich darum von einer Neuwahl erst im kommenden Jahr bessere Chancen.

Ungewollte zweite Verschiebung

Zuvor hatte Premierminister Johnson einer erneuten Verschiebung der Brexit-Frist bis spätestens zum 31. Januar 2020 zustimmen müssen. Das geht aus einem Schreiben Johnsons an EU-Ratspräsident Donald Tusk hervor, das die Regierung in London am Montagabend veröffentlichte.

Am Morgen hatte Tusk mitgeteilt, dass die bleibenden EU-Staaten dem Antrag aus London stattgeben wollten und eine flexible Verlängerung bis spätestens Ende Januar anböten. Gegen seinen Willen hatte der britische Premier den Antrag auf Verlängerung stellen müssen, weil es ihm nicht gelungen war, sein Austrittsabkommen rechtzeitig durchs Parlament zu bringen. Auch zur Annahme der Verlängerung war Johnson gesetzlich verpflichtet.

„Ich muss meine Sichtweise klar machen, dass diese ungewollte Verzögerung der britischen EU-Mitgliedschaft unsere Demokratie und die Beziehung zwischen uns und unseren europäischen Freunden beschädigt”, schrieb Johnson in dem Brief an Tusk. Er warnte die EU zudem vor einer weiteren Verschiebung.

Brexit am 31. Dezember − spätestens

Ursprünglich war der Brexit schon für den 29. März 2019 vorgesehen gewesen. Doch Johnsons Vorgängerin Theresa May war mit ihrem mit Brüssel vereinbarten Brexit-Deal im Parlament drei Mal gescheitert. Und auch Johnson scheiterte mit einem nachverhandelten Deal.

Die Europäische Union hatte hatte sich daher am Montag auf eine flexible Brexit-Fristverlängerung („Flextension”) um bis zu drei Monate geeinigt. Demnach soll der EU-Austritt spätestens am 31. Januar erfolgen. Er ist aber auch eher möglich, wenn eine Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingt.

Die Briten hatten vor über drei Jahren − am 23. Juni 2016 − in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt.