Ozan Iyibas leitet den CSU-Arbeitskreis Migration. Die aktuellen Ereignisse in der Türkei beunruhigen ihn sehr. (Foto: Ozan Iyibas)
Türkei

„Wir sind sehr besorgt“

Interview Ozan Iyibas ist bayerischer Sohn türkischer Eltern - und Chef des CSU-Arbeitskreises Migration und Integration. Der Ausgang des Referendums in der Türkei erschüttert ihn, er sieht eine düstere Zukunft auf das Land zukommen. Auch für Deutschland fordert Iyibas Konsequenzen. Den Doppelpass hält er für gescheitert.

Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie mit dem Ausgang des Referendums?

Für mich und meine Familie ist das sehr befremdlich. Wir sind erschüttert darüber, dass das Präsidialsystem mit all seinen Auswirkungen kommen soll. Wir fürchten, dass die Türkei sich in ein islamisches Land wie Irak oder Iran verwandelt. Wir sprechen jetzt über Themen wie die Todesstrafe – und das ist erst der Anfang. Mein Cousin ist Journalist in der Türkei. Er fürchtet noch mehr Verfolgung. Sie sehen: Wir sind sehr besorgt.

Der Ausgang war knapp – könnte man das Referendum auch als Schwächung Erdogans lesen?

Dieses Referendum hat das Land gespalten. Es trägt dazu bei, dass die Türkei in den Abgrund stürzt. Ich kenne Freunde, die sich zerstritten haben, weil sie unterschiedlicher Meinung beim Referendum waren. Die türkische Politik hat einen Keil in die Gesellschaft getrieben. Das ist auch unabhängig von Erdogans Macht katastrophal.

Zwei Drittel der Deutschtürken haben für Erdogan gestimmt. Ist das ein Zeichen gescheiterter Integration?

Ja, das ist es. Das liegt auch daran, dass wir als deutsche Gesellschaft in der Vergangenheit nicht klar genug gemacht haben, was wir uns von Migranten wünschen. Wir haben viel gefördert und wenig gefordert. Viele aus der Generation meiner Eltern, die Gastarbeiter also, haben sich allein durch Arbeit integriert. Aber eben weder gesellschaftlich noch kulturell. Daraus sollten wir für die Zukunft lernen. Wir müssen bei der Integrationsherausforderung klarmachen: Es geht hier nicht um ein „du kannst“, sondern um ein „du musst“.

Spaltet das Referendum auch Türken und Deutsche?

Es hat auf jeden Fall einen Keil in die Integrationsarbeit getrieben. Nicht nur zwischen Deutsche und Türken, sondern auch zwischen gut integrierte Migranten und diejenigen, die unsere freiheitlich-demokratischen Werte offensichtlich nicht anerkennen. Es ist mir unbegreiflich, wie man in Deutschland in einer Demokratie leben und all ihre Vorzüge genießen kann – und gleichzeitig für Unfreiheit in der Türkei stimmen kann. Wer die Ideologie Erdogans will, hat in Deutschland nichts zu suchen.

Welche Konsequenzen sollte das Referendum haben?

Diese Wahl hat gezeigt, dass der Doppelpass gescheitert ist. Es geht eben nicht, sich als Türke zu fühlen, seine Kinder türkisch zu erziehen, aber gleichzeitig alle Vorzüge des deutschen Passes haben zu wollen. Und für die Zukunft der Integrationsarbeit sollten wir uns trauen, Probleme klar zu benennen. Toleranz gegenüber den Intoleranten führt eben nicht zu mehr Toleranz.

Das Interview führte Heike Hampl.

Zur Person

Ozan Iyibas wurde 1982 in Freising geboren. Seit seiner Geburt wohnt und lebt er in Neufahrn. Seine Eltern kommen ursprünglich aus der Türkei und haben alevitische Wurzeln. Sie kamen 1975 als Gastarbeiter nach Deutschland. Sein Vater war von Beruf Schweißer, die Mutter Krankenschwester. Ozan Iyibas ist Landesvorsitzender des Arbeitskreises Migration und Integration der CSU.