Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu schwenkt die Nationalflagge bei einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg. (Bild: Imago/Lars Berg)
Türkei

CSU fordert Entschuldigung

Nach den Dauer-Beleidigungen aus Ankara fordern CSU-Politiker den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Berlin muss türkischen Wahlkampf nicht dulden, sagt Justizminister Bausback: „Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz auf die Staatsbürger begrenzt." Sogar das türkische Wahlgesetz verbietet Wahlkampf im Ausland.

Klare Linie der CSU: „Erdogan ist bei uns nicht willkommen. Es wäre ein Missbrauch unserer Freiheitsrechte, wenn der Despot vom Bosporus bei uns für die Einschränkung der Demokratie wirbt.“ So formulierte es CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gegenüber dem Münchner Merkur. Der Wahlkampf türkischer Politiker zeige, dass Ankara vor dem für den 14. April anberaumten Verfassungsreferendum nervös werde, so Scheuer im Interview mit der Abendzeitung in München. Scheuer: „Wir werden es sehr, sehr klar machen, dass Erdogan als Wahlkämpfer eine unerwünschte Person in Deutschland ist.“ Der CSU-Politiker weiter: „Erdogan und seine Schergen sind unerwünschte Personen hier in Deutschland, gerade, was das Thema Wahlkampf betrifft.”

CSU-Forderung: EU-Beitrittsverhandlungen abbrechen

Die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland betrachtet Scheuer als „bewusste Provokation“ und die wiederholten Nazi-Vergleiche als „Mega-Beleidigung Deutschlands“. Von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel erwartet Scheuer, „dass er eine offizielle Entschuldigung der Türkei einfordert“. Was Gabriel in einem ZDF-Interview allerdings schon abgelehnt hat. Im Interview mit der Abendzeitung erinnert Scheuer nun an eine bislang weitgehend übersehene Wirkung der wiederholten Gleichstellung der Bundesrepublik mit dem NS-Regime durch den türkischen Präsidenten Recep Erdogan und einiger seiner Minister: Die Türkei verharmlost das NS-Regime und seine Verbrechen. Scheuer: „Der Nazi-Vergleich ist eine Beleidigung nicht nur der deutschen Bürger, sondern auch eine absolute Unverschämtheit gegenüber den Opfern der Nazi-Schreckensherrschaft.“

Die Türkei entwickelt sich in die völlig falsche Richtung. Und wer sich vorsätzlich von der Demokratie wegentwickelt, muss auch die Konsequenzen aller in der EU spüren.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Völlig klar ist für Scheuer, dass die Türkei niemals Mitglied der EU sein kann. Der CSU-Politiker fordert jetzt den sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. „Nach den letzten Tagen gehe ich sogar noch einen Schritt weiter und sage: Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei“, so der CSU-Generalsekretär. Er erwartet außerdem auch von der EU ein klares Wort über die Türkei und deren Abwendung von Demokratie und rechtstaatlichen Verhältnissen: „Die Türkei entwickelt sich in die völlig falsche Richtung. Und wer sich vorsätzlich von der Demokratie wegentwickelt, muss auch die Konsequenzen aller in der EU spüren.“

Türkische Wahlkämpfe in Deutschland nicht erwünscht

Ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fordert auch Bayerns Finanzminister Markus Söder. Deutschland solle eine europäische Initiative starten, um die Beitrittsverhandlungen zu beenden – „am besten vor dem Referendum“, so Söder im Münchner Merkur. „Das wäre eine klare Antwort Deutschlands.“ Türkische Wahlkämpfe in Deutschland seien nicht erwünscht, sagte der Minister. Wie Scheuer erwartet auch Söder vom türkischen Präsidenten eine Entschuldigung für die „unerträglichen Nazi-Vergleiche“.

Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz auf die Staatsbürger begrenzt.

Winfried Bausback, Bayerns Justizminister

Auf einen schlichten verfassungsrechtlichen Sachverhalt macht Bayerns Justizminister Winfried Bausback aufmerksam: „Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz auf die Staatsbürger begrenzt.“ Türkischen Ministern oder gar dem Präsidenten solle darum die Einreise nach Deutschland zum Zweck eines Wahlkampfauftritts nicht gestattet werden. „Der türkische Meinungskampf über die türkische Verfassung ist in der Türkei und nicht hier auszutragen.“ Der Justizminister bemerkt auch, dass von vergleichbaren Veranstaltungen türkischer Oppositioneller in Deutschland nichts bekannt sei. „Einen fremden Meinungskampf, der auf ein anderes Staatswesen bezogen ist, nur einseitig hier zuzulassen, macht erst recht keinen Sinn.“ Bausbacks Warnung an Berlin: „Wer die Toleranz nicht gegen die Intoleranz verteidigt, wird die Toleranz unseres Gemeinwesens nicht erhalten können.“ Die Schlussfolgerung des CSU-Politikers: „Ich bin dezidiert der Meinung, dass Deutschland einen Wahlkampf durch türkische Kabinettsmitglieder verhindern kann und sollte.“

Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.

Türkisches Wahlgesetz

Notiz am Rande: Wahlkampfauftritte im Ausland und in diplomatischen Vertretungen außerhalb der Türkei verstoßen sogar gegen das von der AKP 2008 erlassene türkische Wahlgesetz. Dort heißt es in Artikel 94/A: „Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.“

Außenminister Gabriel wiegelt ab

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte in ihrer Regierungserklärung die türkischen Entgleisungen „so deplatziert“, dass man es eigentlich nicht kommentieren müsse. Die Reformpläne Erdogans nannte sie „mehr als problematisch“. Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Türkei vor der „Entwicklung zu einem zunehmend autokratischen Staat“ gewarnt. „Hierzulande kann jeder seine Meinung sagen, auch ausländische Gäste. Wir aber auch“, mahnte er. Deswegen werde man auf Fehlentwicklungen in der Türkei hinweisen.

Doch von einer klaren deutschen Linie, gar einer Entschuldigung der Türkei will Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nichts wissen. Er absolvierte in Berlin ein Frühstück mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Ausgerechnet dieser enge Gefolgsmann des türkischen Diktators Recep Erdogan hatte noch am Tag zuvor Deutschland als „total repressives System“ bezeichnet, in dem „alle Praktiken denen der Nazi-Zeit ähneln“. Gabriel: „Wir waren uns einig, dass keine der beiden Seiten ein Interesse daran hat, die Beziehungen nachhaltig zu beschädigen.“ Was Cavusoglu nicht daran hinderte, schon kurz danach, auf der Berliner Reisemesse ITB, erneut scharfe Töne anzuschlagen. Er sprach von einer spürbaren Tendenz zur Islamfeindlichkeit hierzulande und betonte, Deutschland solle sich entscheiden, ob es die Türkei „als Freund oder Feind“ sehen wolle.

Dramatischer Rückgang des deutschen Türkei-Tourismus

Cavusoglus ITB-Besuch war kein Zufall. „Der Türkei-Tourismus liegt fast völlig am Boden“, titelte kürzlich die Berliner Tageszeitung Die Welt. Nach einem dramatischen Besucherrückgang im vergangenen Jahr zeichnet sich für 2017 schon der nächste Einbruch ab: Angaben der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung GfK zufolge, sind die deutschen Türkei-Frühbuchungen für das Jahr um 58 Prozent zurückgegangen. Aufschlussreich: Auf dem gesamten deutschen Touristik-Markt ist sonst kein Rückgang erkennbar.

Faktischer Boykott deutscher Urlauber.

Die Welt

Die Deutschen sind reiselustig wie eh und je. Aber die Türkei ist in der Rangfolge der Flugreiseziele der Deutschen von Rang zwei auf Rang vier zurückgefallen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Für mich wäre die Türkei zur Zeit das allerletzte Zielgebiet, in dem ich Urlaub machen würde“, zitiert zum Messeauftakt die FAZ den ehemaligen TUI-Vorstand Karl Born. Er ist offenbar nicht der einzige, der das so sieht. Vom „faktischen Boykott deutscher Urlauber” schreibt schon Die Welt. Problem für die Türkei: Der Tourismus trägt – oder besser trug – etwa 13 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Die Abwendung von der Demokratie und die Dauer-Beleidigung des wichtigsten Touristen-Herkunftslandes könnte die Türkei noch teuer zu stehen kommen.