USA: Proteste in Washington gegen das Einreiseverbot, das Präsident Trump verhängt hatte. (Bild: Imago/Xinhua)
Einreiseverbot

Mauer des Widerstands

Top-Manager aus den USA, Bürgermeister liberaler Westküsten-Hochburgen und Politiker aus aller Welt kritisieren Trumps Einreiseverbot für viele Muslime. Doch trotz des Widerstandes gibt sich der US-Präsident unbeirrt.

CSU-Chef Horst Seehofer hat das von Donald Trump verhängte Einreiseverbot für viele Muslime kritisiert. Er halte die Entscheidung nicht für richtig, sagte er vor der CSU-Vorstandssitzung in München. Trump hatte als ein Kernstück seines Anti-Terror-Kampfes einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Syrien, dem Iran, dem Irak, dem Sudan, Somalia, Libyen und dem Jemen verfügt. Flüchtlinge aus aller Welt sind für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Zeit. Der US-Präsident will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn „angemessene“ Überprüfungsmechanismen sicherstellten, dass keine „radikalen islamischen Terroristen“ in die USA gelangten.

Mit seiner Kritik an dieser Entscheidung steht der bayerische Ministerpräsident nicht alleine da.

Ich halte diese Entscheidung – es gibt ein paar andere auch – nicht für richtig.

Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident

Kanzlerin Angela Merkel änderte für ihre Kritik Ablauf eines geplanten Statements mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor einer gemeinsamen Unterredung in Berlin. Sie äußerte sich zu Beginn „aus aktuellem Anlass“ zum Vorgehen Trumps – ein solches Vorgehen ist äußerst ungewöhnlich. Das Bundeskanzleramt setzte gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt alles daran, besonders für die betroffenen Doppelstaatler „die rechtliche Lage zu klären und deren Interessen mit Nachdruck zu vertreten“. Es müsse Rechtssicherheit hergestellt werden. Die Bundesregierung sei bei dem gesamte Thema mit den europäischen Partnern in engem Gespräch.

Der notwendige und auch entschiedene Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt in keiner Weise einen Generalverdacht gegen Menschen bestimmten Glaubens, in diesem Falle Menschen muslimischen Glaubens oder einer bestimmten Herkunft.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Auch Unternehmer etablierter US-Konzerne sorgen sich – von der Medien- bis zur Automobilbranche. Unter ihnen Howard Schultz, der Chef der Kaffeehauskette Starbucks. Er bezeichnete Trumps Erlass als verwirrend und kündigte Pläne an, um in den nächsten fünf Jahren 10.000 Flüchtlingen Jobs bei Starbucks anbieten zu können. „Viele Menschen, die negativ von dieser Politik betroffen sind, sind starke Unterstützer der USA“, twitterte Tesla-Chef Elon Musk. Das Einreiseverbot für Staatsangehörige einiger überwiegend muslimischer Länder sei „nicht der beste Weg“, um mit den Herausforderungen des Landes umzugehen.

Uber-Chef Travis Kalanick bezeichnete das Dekret in einem Facebook-Post als „verkehrt und ungerecht“. General-Electric-Chef Jeff Immelt erklärte in einem Firmen-Blog, aus dem verschiedene US-Medien zitierten, er teile die Sorgen seiner Mitarbeiter. Zuvor hatte es bereits Kritik und Reaktionen etwa von Google, Facebook, Microsoft und Twitter gegeben. Die Tech-Konzerne setzen besonders stark auf Experten aus dem Ausland. Google rief noch vor dem Inkrafttreten des Erlasses über 100 Mitarbeiter, die aus muslimischen Ländern stammen und sich gerade im Ausland aufhielten, in die Vereinigten Staaten zurück.

Appell zur Wachsamkeit

Auch die größte US-Bank JPMorgan Chase richtete sich im Zuge von Trumps Entscheidung laut US-Medienberichten an ihre Mitarbeiter. Vorstandschef Jamie Dimon versprach demnach in einem Statement allen Angestellten, die von dem Einreiseverbot betroffen sein könnten, dass sich das Unternehmen standhaft für sie einsetzen werde. Immelt, Kalanick, Musk und Dimon zählen zu einer Reihe von Top-Managern, die Trump in Wirtschaftsfragen beraten wollen.

Die deutsche Industrie ist angesichts der Entwicklung in den USA nach dem Amtsantritt Trumps ebenfalls beunruhigt. Der neue BDI-Präsident Dieter Kempf empfiehlt deutschen Unternehmen Wachsamkeit. Die Politik Trumps sei „unkalkulierbar“ – daher bestehe „die große Gefahr, dass sich Investoren massiv zurückhalten, weil die Unsicherheit steigt“.

Kritik aus den eigenen Reihen

Trotz wachsendem Widerstand gegen sein Einreiseverbot für viele Muslime gibt sich US-Präsident Donald Trump unbeirrt. Es gehe ihm darum, die USA zu schützen, erklärte Trump in einer Mitteilung. Warum er dann beispielsweise die als Förderer und Brutstätten des Islamismus aufgefallenen Länder wie Saudi-Arabien, Katar, Pakistan oder Afghanistan nicht ebenfalls auf die Liste setzte, erklärte er nicht.

Tausende Menschen gingen am Wochenende gegen Trumps Dekret in New York, Boston und Los Angeles auf die Straße und demonstrierten. Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich hunderte Demonstranten. Kritik kam auch aus Trumps eigenen republikanischen Reihen: Die prominenten US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham warnten, Trumps Erlass könnte Terroristen neue Munition liefern, anstatt die USA sicherer zu machen. Bob Corker, Republikaner und Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik im Senat, erklärte, der Erlass sei schlecht umgesetzt worden. Die Regierung müsse unverzüglich Änderungen daran vornehmen.

Chaos an den Flughäfen

Trumps Verfügung hatte Hunderte Menschen in Verzweiflung gestürzt und zu chaotischen Szenen auf zahlreichen Flughäfen geführt. Bürgerrechtsorganisationen erreichten in der Nacht zum 29. Januar aber einen wichtigen Teilsieg vor einem Bundesgericht. Demnach dürfen nach der Trump-Verfügung vom 27. Januar auf US-Flughäfen gestoppte und festgehaltene Menschen zumindest vorerst nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Der New Yorker Richterspruch gilt landesweit. Er legt auch nahe, dass der Erlass zumindest in Teilen gegen die US-Verfassung verstoßen könnte.

Trump verteidigte sich damit, dass sein Vorgänger Barack Obama 2011 sechs Monate lang Visa für irakische Flüchtlinge verweigert und damit einen ähnlichen Schritt unternommen habe. Die in seiner Direktive genannten – mehrheitlich muslimischen – Staaten seien bereits zuvor von der Obama-Regierung als Quellen des Terrorismus identifiziert worden.

Um es klar zu machen, dies ist kein muslimischer Bann, wie die Medien es falsch berichten. Hier geht es nicht um Religion – es geht um Terror und darum, unser Land zu schützen.

Donald Trump, amerikanischer Präsident

Es gebe weltweit über 40 mehrheitlich muslimische Länder, die nicht von seiner Direktive betroffen seien. Gegner der Maßnahme führen dagegen an, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt würden.

Das Weiße Haus war bemüht, die Folgen des Einreiseverbots herunterzuspielen. „Tatsache ist, dass gestern 325.000 Menschen aus dem Ausland in die Vereinigten Staaten gekommen sind, und 109 wurden zwecks weiterer Befragung festgehalten. Die meisten wurden herausgelassen“, sagte der Stabschef im Weißen Haus, Reince Priebus, dem Sender NBC. Schätzungen von US-Medien lagen etwa doppelt so hoch.

Kampfansage der Sanctuary-Cities

Eine Kampfansage kam auch von den Bürgermeistern der Städte San Francisco, New York, Boston und Los Angeles. Die liberale Westküsten-Hochburg San Francisco ist eine von Dutzenden Sanctuary Cities, sogenannten Zufluchtsstädten, deren Verwaltungen nicht gegen Immigranten ohne Papiere vorgehen. Die örtliche Polizei fragt nicht nach dem Einwanderungsstatus, sie würde Illegale bei einer Festnahme nicht den Bundesbehörden überstellen. Die Sanctuary-Bewegung kam schon in den 1980er Jahren mit der Welle von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsregionen in Lateinamerika auf. Neben Städten und Kommunen haben es sich auch Kirchen und andere Gruppen auf die Fahne geschrieben, illegalen Einwanderern zu helfen, auch wenn dies mit den Vorschriften der Bundesbehörden kollidiert.

Trump will nun im Rahmen seiner verschärften Einwanderungspolitik diesen Städten den Geldhahn zudrehen. Er droht mit der Kürzung von Bundesmitteln, wenn sie nicht mit Washington und den Einwanderungsbehörden kooperieren. Auch diese Androhung kam sofort unter Beschuss. Er würde Immigranten notfalls im Rathaus und in seinem Büro Unterschlupf gewähren, sagte Bostons Bürgermeister Martin J. Walsh. New York würde sich hinter alle Einwohner stellen, „egal welchen Einwanderungsstatus“ sie haben, bekräftigte Bill de Blasio.

Tausende Einwanderer ohne Papiere

Landesweit soll es in den USA rund elf Millionen Migranten ohne Aufenthaltsberechtigung geben, etwa die Hälfte davon Mexikaner. Allein in San Francisco leben schätzungsweise 44.000 Einwanderer ohne Papiere. Die Stadt erhält jährlich rund eine Milliarde Dollar Zuschüsse vom Bund, das macht ein Zehntel des städtischen Budgets aus. Die Zuwendungen aus Washington fließen unter anderem in Sozialprogramme, ins Gesundheitswesen und auch in die Kassen der Polizei.

Wir müssen uns wehren. Wir bauen eine Mauer des Widerstands.

David Campos, Rechtsanwalt

„Wir werden vor Gericht ziehen, wenn Trump uns die Gelder kürzt“, sagt der Rechtsanwalt und frühere Stadtverordnete David Campos der Deutschen Presse-Agentur. Die Rechtslage für Kürzungen ist strittig, unklar ist auch, in welchem Umfang die Trump-Regierung vorgehen will. Der Schutz, den die Sanctuary Cities bieten, sei für alle Einwohner wichtig, meint Campos. „Wenn Leute Angst haben, abgeschoben zu werden, dann könnten sie es meiden, mit den Behörden zu kooperieren, ihre Kinder in die Schule zu schicken oder ein Krankenhaus aufzusuchen“. Für den Rechtsanwalt gibt es nur einen Weg. „Wir müssen uns wehren. Wir bauen eine Mauer des Widerstands.“