Mays erste dicke Überraschung
Theresa May gilt als resolut und durchsetzungsfähig. Wie rigoros sie vorgehen kann, zeigt die neue britische Premierministerin kaum zwei Stunden, nachdem sie im Amt ist.
Britisches Kabinett

Mays erste dicke Überraschung

Theresa May gilt als resolut und durchsetzungsfähig. Wie rigoros sie vorgehen kann, zeigt die neue britische Premierministerin kaum zwei Stunden, nachdem sie im Amt ist.

Großbritannien hat eine neue Premierministerin. Am späten Mittwochnachmittag wurde Theresa May von Queen Elizabeth zur Nachfolgerin von David Cameron ernannt. Was dann folgte, war eine kurze Regierungserklärung – und die erste dicke Überraschung. Boris Johnson, der prominente Brexit-Wortführer, der Mann mit den weißblonden Strubbelhaaren, wird Außenminister. Eine dicke Überraschung allemal – aber ist das auch eine gute Entscheidung?

Johnson-Nominierung als „Zuckerl“ für die Brexit-Befürworter?

Johnson, der zunächst als Favorit für das Premiers-Amt galt, hatte erst kürzlich das Handtuch geworfen. Der Populist gilt vielen Abgeordneten als sprunghaft, windig und wenig verlässlich. Der undiplomatischste Politiker von allen wird nun der Oberdiplomat?

Doch auch Theresa May selbst hat in den Augen der Brexit-Befürworter einen Makel: Zwar feierte das Brexit-Lager vor drei Wochen einen historischen Sieg, Großbritannien soll aus der EU – doch die neue Premierministerin plädierte im Wahlkampf gegen den Brexit, gehörte zum Pro-EU-Lager. Will sie diesen Makel jetzt dadurch wettmachen, dass sie den wortmächtigen Brexit-Mann ins Kabinett holt? Schließlich bemüht sich die 59-Jährige um das Image der „Versöhnerin“, die die tiefen Gräben zwischen Brexit-Lager und Pro-EU-Lager zuschütten will – nicht nur in ihrer eigenen Partei, sondern im ganzen Land. Leicht wird das ohnehin nicht – ob es mit Johnsons Hilfe leichter wird, bleibt abzuwarten.

Neuer Minister für die Brexit-Verhandlungen

Was die Brexit-Verhandlungen betrifft, scheint Theresa May ihrem neuen Chefdiplomaten jedenfalls nicht sonderlich weit über den Weg zu trauen. Für die Gespräche mit der EU hat May sogar ein neues Ministerium geschaffen – und es mit dem treuen Abgeordneten David Davis besetzt. Davis gilt als juristischer und politischer Fachmann bei den vielschichtigen Beziehungen zwischen London und Brüssel. Glaubt man der Berichtslage auf der Insel, ist Davis das personifizierte Versprechen Mays, mit „Vernunft und Selbstbewusstsein einen guten Deal für Großbritannien herauszuholen“, wie sie es formulierte.

Weitere Überraschungen im Kabinett

Und auch bei der restlichen Besetzung des neuen Kabinetts überraschte die neue Premierministerin sogar Insider: Mit Liam Fox wird der ehemalige Verteidigungsminister neuer Handelsminister. Fox war 2011 wegen der Verquickung privater und beruflicher Interessen zurückgetreten – jetzt feiert er in anderer Position ein Comeback. Mays Nachfolgerin im Innenministerium wird die Abgeordnete Amber Rudd. Michael Fallon bleibt wie schon unter David Cameron Verteidigungsminister des Königreichs. Den zweitwichtigsten Posten im Kabinett, das Finanzministerium, übernimmt Philipp Hammond. Zunächst war spekuliert worden, der bisherige Amtsinhaber George Osborne könnte seinen Posten behalten. Allerdings galt Osborne als treuer Weggefährte Camerons.

May ist die 13. Vereidigung der Queen

Für die 90 Jahre alte Queen ist die Vereidigung eines neuen Regierungschefs bereits Routine: Mit Theresa May ernannte Elizabeth II. schon den 13. Premierminister, nach Margaret Thatcher ist May die zweite Frau.

Brexit bleibt wichtigste politische Aufgabe

Auch wenn Theresa May in ihrer Antrittsrede keinen Zweifel daran ließ, dass es auf der Insel auch noch andere politische Herausforderungen gebe als den Brexit, werden die Austrittsverhandlungen dennoch die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre bleiben: „Unser Ziel ist es, eine enge und freundschaftliche Partnerschaft mit der Europäischen Union zu erreichen“, hatte May betont. Ziel sei dabei es, weiterhin den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt zu sichern. Das geht aber nach den Aussagen aller EU-Spitzen nur, wenn auch die Freizügigkeit der Menschen garantiert wird – also die ungehinderte Migration aus EU-Staaten. Das wiederum will May nicht, die schon als Innenministerin eine harte Linie in Sachen Einwanderung vertrat.

Unser Ziel ist es, eine enge und freundschaftliche Partnerschaft mit der EU zu erreichen.

Theresa May

Wie groß die Brexit-Risiken für die britische Wirtschaft sind, zeigt das Verhalten der Bank of England seit dem Referendum. Jetzt wird erwartet, dass die Zentralbank an der Zinsschraube drehen und den Leitzins senken wird, um die Konjunktur anzukurbeln. Unsicherheit über die Zukunft herrscht vor allem am Finanzplatz London.

Heißes Pflaster Schottland

Das heißeste Pflaster für die neue Regierungschefin könnte aber Schottland werden. Dort hatte sich eine Mehrheit der Bevölkerung für einen EU-Verbleib ausgesprochen – und Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon drohte im Falle des Brexits schon deutlich mit einem neuen Unabhängigkeitsreferendum. Die Union der britischen Länder nahm daher einen großen Teil in Mays Antrittsrede ein. „Der volle Name meiner Partei lautet Konservative Unionistenpartei“, erklärte May. „Ich möchte alles für den Erhalt des großen Bandes zwischen England, Schottland, Wales und Nordirland tun.“ Viele Baustellen also für die neue britische Regierung, die nun ihre Arbeit aufnimmt.