Noch immer ist der Genozid an den Armeniern ein Thema, das die Türkei gerne totschweigen würde. (Bild: Fotolia, Rawpixel.)
Armenien

Genozid an Christen

Kommentar Zum hundertjährigen Gedenken hat Papst Franziskus deutlich vom Genozid an den Armeniern gesprochen - und Schweigen über den aktuellen Genozid an den Christen des Orients scharf kritisiert.

„Unsere Menschheit hat im vergangenen Jahrhundert drei große, unerhörte Tragödien erlebt: die erste, die allgemein als ‚der erste Genozid des 20. Jahrhunderts‘ angesehen wird; diese hat euer armenisches Volk getroffen – die erste christliche Nation – zusammen mit den katholischen und orthodoxen Syrern, den Assyrern, den Chaldäern und den Griechen.“ Mit klaren Worten hat Papst Franziskus in seinem Gruß zu Beginn einer Heiligen Messe für die Gläubigen des armenischen Ritus an den türkischen Völkermord an bis zu 1,5 Millionen Armeniern vor genau 100 Jahren erinnert und zur Pflicht zum Gedenken gemahnt: „Wo es kein Gedenken gibt, hält das Böse die Wunde weiter offen.“

In der türkischen Hauptstadt Ankara haben die Worte von Papst Franziskus im Petersdom Wut ausgelöst. Die Aussagen des Papstes seien „falsch und widersinnig“ erklärte Premierminister Davutoglu. Weil Türken und Muslime kollektiv bezichtigt würden, trüge Franziskus „zum steigenden Rassismus in Europa bei“, so der türkische Premier. Ankara zog seinen Botschafter aus dem Vatikan ab.

Vernichtung des armenischen Volkes als Ganzes

Schon 2001 hatte Papst Johannes Paul II. in einer gemeinsamen Erklärung mit dem armenischen Patriarchen vom „Völkermord“ an den Armeniern gesprochen. Papst Franziskus zitierte diese Erklärung 2013. Die türkische Regierung warnte damals den Vatikan vor „irreparablen Konsequenzen für unsere Beziehungen“.

Gegen massiven türkischen Widerstand haben etwa zwanzig Länder und die Uno den Völkermord an den Armeniern als solchen anerkannt. Die historischen Fakten erlauben keinen Zweifel: Im Mai 1915 verabschiedete die nationalistische jungtürkische Regierung ein Gesetz über die Deportation der Armenier, um das in türkischen Geschichtsbüchern noch heute so genannte „Armenier-Problem“ zu lösen. Die lange geplante türkische Reaktion auf angebliche armenische Sabotageakte „hatte die Vernichtung des armenischen Volkes als Ganzes zum Ziel“, analysiert die Neue Zürcher Zeitung.

Das Blatt zitiert einen Schweizer Augenzeugenbericht der Deportationsmärsche, denen bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen: „Die Kinder welken hin, die Männer werden meist vom Zuge getrennt, in einem Felstal abgeschlachtet oder im Euphrat ertränkt, wie Augenzeugen berichten, zu zweien zusammengebunden. Ganze Züge von Leichen sieht man schwimmend den Fluss bedecken, ganze Züge von Frauen sieht man alleine ihren Schmerzensweg wandern, bis die jungen, geraubt, in den Hütten der Kurden oder Beduinen sich einer weiteren Beobachtung entziehen.“

Massenhafter Mord an Christen heute: Dritter Weltkrieg stückchenweise

Die Schilderung erinnert an Verfolgung und massenhaften Mord, den heute Christen in Irak, Syrien und anderen Teilen der islamischen Welt erleiden. Im Petersdom hat Franziskus das ausgesprochen: „Leider hören wir auch heute noch den erstickten und vernachlässigten Schrei vieler unserer wehrlosen Brüder und Schwestern, die wegen ihres Glaubens an Christus oder ihrer ethnischen Herkunft öffentlich und grausam getötet werden – enthauptet, gekreuzigt, lebendig verbrannt – oder die gezwungen werden, ihr Land zu verlassen.“ Franziskus spricht von einer „Art Genozid“ heute, sogar vom „dritten Weltkrieg stückchenweise“, und verurteilt das „komplizenhafte Schweigen anderer, die Zuschauer bleiben“.