Demonstranten protestieren vor dem Griechischen Parlament gegen beschlossene Sparmaßnahmen. (Bild: imago/Zuma Press)
Griechenlandkrise

Staatspleite vertagt – Rettung verschoben

Geld aus dem Rettungsschirm und ein Versprechen für Griechenland. Die Euro-Finanzminister sagen Athen Schuldenerleichterungen zu. Konkrete Maßnahmen beschließen sie aber erst 2018. Der Bund begrüßt die Einigung. So verschiebt sich das Problem vorerst auf die Zeit nach den Bundestagswahlen im Jahr 2017. Bayerns Finanzminister Söder zweifelt, "ob die Gläubiger das Geld jemals wieder sehen werden".

Griechenland erhält 10,3 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm der Europartner. Darauf haben sich die Finanzminister geeinigt. Elf Stunden dauerte der Verhandlungsmarathon in der Nacht in Brüssel. Allerdings müssen zuvor noch einige nationale Parlamente zustimmen – auch der Bundestag. Mit dem Beschluss ist die Gefahr einer Staatspleite im Sommer zunächst gebannt. Die Regierung von Linkspremier Alexis Tsipras hatte in den vergangenen Wochen Rentenkürzungen und eine Einkommensteuerreform durch das Parlament gebracht. Damit schaffte Athen die Basis für weitere Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM.

IWF knickt ein

Auch der IWF sagt zu. Und das, obwohl er im Vorfeld eindringlich darauf bestand, dass die Euro-Partner verbindliche Schuldenerleichterungen für Griechenland beschließen. Dazu veröffentlichten die Experten aus Washington eine Schuldentragfähigkeitsanalyse (lesen Sie hierzu: Athen im Schneckentempo). Hauptkritikpunkt des IWF ist das Tempo, mit dem Griechenland seit vergangenem Sommer Reformen vorantrieb, um aus der Finanzkrise zu kommen. Es verlief in den Augen des Fonds so schleppend, dass man mit den Hilfen nicht einfach weitermachen könne.

Es gibt Grund zum Optimismus, dass das den Teufelskreis aus rezessiven Maßnahmen bricht.

Euklid Tsakalotos, Griechischer Finanzminister

Der erste Teil der versprochenen Milliarden soll im Juni überwiesen werden. Die zweite Rate folgt im Sommer. Sie hängt von Bedingungen ab, wie der Einrichtung eines Privatisierungsfonds.

Bund lobt Einigung, CSU bleibt skeptisch

Die Entscheidung kann als ein Erfolg von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewertet werden. Er forderte, dass sich der IWF weiterhin am griechischen Rettungsprogramm beteilige. Sie gilt bei CDU und CSU als Garant dafür, dass Athen streng überwacht wird. Finanzminister Markus Söder ist skeptisch, ob die Bemühungen Griechenlands letztendlich das Land aus der Krise führen werden.

Gut ist, dass der IWF beim Griechenland-Programm wohl im Boot bleibt. Vor allem aber zählt, dass es keinen Schuldenschnitt gibt. Dennoch ist das Problem nur vertagt. Denn Athen kann die im Juli fälligen 3,67 Milliarden Euro an seine Gläubiger nur mit Hilfe der neuen Kredite leisten. Ob die Gläubiger das Geld jemals wieder sehen, bleibt offen. Griechenland bemüht sich, aber der Ausgang ist offen.

Markus Söder, Bayerischer Finanzminister

Eurogruppe kündigt Schuldenmaßnahmen an

Immerhin: die Euro-Finanzminister kündigten an, im Jahr 2018 Maßnahmen für Griechenland zu beschließen, um die Last der Schulden zu mindern. Das versucht IWF-Europadirektor Thomson jetzt als Erfolg zu verbuchen. Doch wie Athen konkret unterstützt werden soll, ist nicht beschlossen. Einen klassischen Schuldenerlass darf es nicht geben, das verbieten die europäischen Regeln. Daher soll 2018 geprüft werden, bisher noch blockierte Gewinne der EZB und der nationalen Notenbanken aus griechischen Staatsanleihen auszuzahlen. Ungenutzte Gelder aus dem Hilfsprogramm in Höhe von derzeit 20 Milliarden Euro sollen zudem genutzt werden, vergleichsweise teure Griechenland-Kredite vorzeitig abzulösen – möglich ist damit der in Deutschland umstrittene Aufkauf von IWF-Krediten. Weitere Maßnahmen könnten Kredit-Laufzeitverlängerungen oder die Kappung von Zinszahlungen sein.

Wahltaktik oder demokratische Verpflichtung?

Für Bundesregierung hat die Einigung einen besonderen Vorteil. Das Schuldenproblem von Griechenland wird auf die Zeit nach den Bundestagswahlen im Jahr 2017 vertagt. Denn das Land ist mit der Geldspritze noch lange nicht aus der Krise. Für 2016 wird ein Schuldenberg von 183 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet, erlaubt sind höchstens 60 Prozent. Für Schäuble sei dies jedoch keine Wahltaktik, sondern demokratische Verpflichtung. Er verfüge doch nicht über die Legitimität, sich heute zu etwas zu verpflichten, das eine Nachfolgeregierung im Jahr 2018 umsetzen muss, stellte er gegenüber der Welt vor den Beratungen in Brüssel klar.

Eine weiterer taktischer Schachzug der EU: Die Einigung kam rechtzeitig vor dem G7-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen der Welt in Japan. Das Spitzentreffen wird am 26. Mai beginnen. Europas Spitzen wollten auf jeden Fall vermeiden, in der Toprunde wegen der Schuldenkrise wieder unter Beschuss zu geraten.

dpa/welt/AS