Athen im Schneckentempo
Sechs Jahre Rettungspolitik für Griechenland - doch wie geht es weiter? Der IWF fordert Schuldenerleichterungen und zeigt in einer Analyse, warum in Athen Reformen zu langsam voran gehen. Mit ihren Lösungsvorschlägen bekräftigt die Organisation die Meinungsunterschiede mit Deutschland. Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnt bedingungslose Schuldenerleichterungen für Griechenland strikt ab.
Finanzkrise

Athen im Schneckentempo

Sechs Jahre Rettungspolitik für Griechenland - doch wie geht es weiter? Der IWF fordert Schuldenerleichterungen und zeigt in einer Analyse, warum in Athen Reformen zu langsam voran gehen. Mit ihren Lösungsvorschlägen bekräftigt die Organisation die Meinungsunterschiede mit Deutschland. Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnt bedingungslose Schuldenerleichterungen für Griechenland strikt ab.

Griechenland braucht bis zum Sommer neues Geld, sonst droht die Staatspleite. Die Euro-Finanzminister beraten in Brüssel über neue Hilfsmilliarden für das pleitebedrohte Griechenland. Die Voraussetzungen sind gut, denn das Parlament in Athen billigte ein neues Paket mit harten Sparmaßnahmen. Doch dem Internationalen Währungsfonds (IWF) reicht es – was seine Engagement in Athen betrifft. Die Organisation zweifelt am Reformwillen der Griechen. Deshalb ist auch nicht sicher, ob er sich am jüngsten Kreditpaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro beteiligt.

Zieht der IWF Konsequenzen?

In der neuesten Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA) listen die Experten aus Washington auf, in welchen Bereichen die Euro-Partner aus ihrer Sicht realitätsfern handeln. Kommt Berlin den Forderungen des IWF nach weitreichenden Schuldenerleichterungen für Griechenland nicht entgegen, müsste er seine Beteiligung als theoretische Konsequenz an den Rettungsprogrammen endgültig abbrechen.

Reformen im Schneckentempo

Hauptkritikpunkt des IWF ist das Tempo, mit dem Griechenland seit vergangenem Sommer Reformen vorantrieb, um aus der Finanzkrise zu kommen. Es verlief in den Augen des Fonds so schleppend, dass man mit den Hilfen nicht einfach weitermachen könne. Die Welt zitiert aus der Analyse des IWF: „Die Regierung war nicht in der Lage, politische Unterstützung für ein Reformtempo zu mobilisieren, das nötig wäre“, um die ambitionierten Annahmen des Juni 2015 zu schaffen. „In allen politischen Schlüssel-Gebieten – fiskalisch, Finanz-Sektor-Stabilität, Arbeitsmarkt, Produkt- und Dienstleistungsmärkte – bleiben die Pläne der Behörden weit hinter dem zurück, was nötig wäre um die ehrgeizigen Fiskal- und Wachstumsziele zu erreichen.“

Masse bleibt verschont

So habe auch die Schulden-Disziplin des Landes seit Mitte 2014 nachgelassen. Denn der Schuldenabbau durch massive Steuererhöhungen basiert auf einer relativ kleinen Anzahl an Steuerzahlern. Griechenland habe weder die Basis der Steuerzahler wesentlich vergrößert, noch bei Löhnen und Renten ausreichend gekürzt. Um das von den Europäern bestätigte Etat-Ziel für Griechenland zu erreichen, müsste Griechenland zusätzlich Kürzungen in Höhe von 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung umsetzen. Der IWF plädiert daher für realistischere Maßnahmen: 1,5 Prozent Primärüberschuss.

Privatisierung keine Lösung

Wenig hält man beim IWF von den Privatisierungsplänen des Landes. Obwohl die Europäer auf Druck von Wolfgang Schäuble einen Privatisierungsfonds im Volumen von 50 Milliarden Euro beschlossen haben, bliebe der Fonds bei Einnahmen von fünf Milliarden Euro bis 2030 schreibt die Welt. Bis 2018 – dem Ende des jetzigen Hilfsprogramms – rechnet man sogar nur mit zwei Milliarden Euro an Einnahmen.

Puffer für Kapitalbedarf der Banken

5,4 Milliarden Euro hat Europa in die griechischen Banken gesteckt. Doch da die griechischen Banken in den kommenden Jahren sehr schwache Bilanzen vorweisen werden, erwarten die Fonds-Experten, dass das nicht ausreichen wird. „Es sollte ein Puffer von ungefähr zehn Milliarden Euro geschaffen werden, um einen möglichen weiteren Kapitalbedarf der Banken abzudecken“, empfiehlt der IWF.

Vier Vorschläge für Griechenland

Der IWF schätzt, dass die Verschuldung von 174 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 zwar zunächst bis auf 160 Prozent im Jahr 2030 sinken wird. Dann droht allerdings bis 2060 ein scharfer Anstieg auf 250 Prozent. Der Grund sei, dass Griechenland zu früh die günstigen Kredite der europäischen Partner mit teurem Geld privater Investoren ablösen müsse.

Was empfiehlt der IWF?

  1. Die Laufzeiten der europäischen Kredite an Griechenland um zehn bis 30 Jahre zu verlängern und die Tilgung strecken
  2. Einführung einer Zins-Bremse
  3. Maximalzins von 1,5 Prozent bis 2040
  4. Schuldenerleichterungen nicht an weitere Bedingungen knüpfen, die über die laufende Programmperiode (endet 2018) hinausgehen

Athen verabschiedet Sparpaket

Um neue Kredite zu erhalten, verabschiedete das griechische Parlament zuletzt ein weiteres Sparpaket. So soll die Mehrwertsteuer für viele Lebensmittel und Getränke von 23 auf 24 Prozent steigen; Benzin, Diesel und Heizöl werden ebenso teurer wie Strom, Pay-TV, Internet, Mobiltelefonie, Zigaretten und Alkohol. Auch die Touristen werden zur Kasse gebeten – durch eine Übernachtungspauschale für Hotels und höhere Eintrittspreise für Museen.

Diese Opfer werden die letzten sein.

Alexis Tsipras, Griechischer Ministerpräsident

Griechische Medien haben ausgerechnet, dass die neuen indirekten Steuern jeden Griechen künftig rund ein Monatsgehalt jährlich kosten werden, etwa 810 Euro. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 850 Euro. Neben den Steuererhöhungen wurde auch die Gründung eines neuen Privatisierungsfonds gebilligt, der unter der Kontrolle der Gläubiger des Landes stehen und staatseigene Firmen sowie Immobilien verkaufen soll. Umstritten war bei der Parlamentsdebatte die geplante Schuldenbremse, die automatisch greift, falls Griechenland seine Sparziele nicht erfüllt. In diesem Fall würden querbeet Staatsausgaben zusammengestrichen. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger weiteren Hilfsmilliarden für Griechenland zustimmen.

dpa/Welt/AS