West trifft Ost – Ende der Eiszeit?
Nach zweijähriger Funkstille treffen sich Vertreter der Nato-Staaten mit Russland, um über Krisenbewältigung zu sprechen. Zwar wurden keine konkreten Ergebnisse erzielt, doch das Grundprinzip "Vertrauen durch Dialog" soll wieder in Schwung gebracht werden. Im Vorfeld machten sich beide Parteien jedoch schwere Vorwürfe.
Nato-Russland-Rat

West trifft Ost – Ende der Eiszeit?

Nach zweijähriger Funkstille treffen sich Vertreter der Nato-Staaten mit Russland, um über Krisenbewältigung zu sprechen. Zwar wurden keine konkreten Ergebnisse erzielt, doch das Grundprinzip "Vertrauen durch Dialog" soll wieder in Schwung gebracht werden. Im Vorfeld machten sich beide Parteien jedoch schwere Vorwürfe.

Der Ukraine-Konflikt und die Lage in Afghanistan – das sind die dominierenden Themen über die Vertreter der 28 Nato-Staaten und Russland in der Nato-Zentrale in Brüssel diskutierten. Die Staatsvertreter sind zum ersten Mal seit 2014 wieder zu offiziellen Gesprächen zusammengekommen. Neben der Frage, wie die beiden Krisen zu bewältigen sind, ging es um mehr Transparenz und Risikoreduzierung bei Militärmanövern. Konkrete Entscheidungen wurden laut Aussagen von Diplomaten jedoch nicht getroffen.

Abschreckung statt Partnerschaft?

Im Vorfeld des Treffens hatten sich beide Seiten heftige Vorwürfe gemacht. „Wir haben heute keine positive Agenda, es gibt keine Projekte, die uns wieder zurückführen zu verbesserten Beziehungen in Bereichen, wo wir gemeinsame Interessen haben“, sagte der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko der Welt.

Heute befinden wir uns in einer sehr gefährlichen Situation, die zu einer verschlechterten Sicherheitslage in vielen Bereichen führen kann, die über Jahre hinweg ruhig und sicher gewesen sind.

Alexander Gruschko, Nato-Botschafter Russland

Gruschko kritisierte die grundsätzliche Haltung der Nato gegenüber Russland. Das Militärbündnis setze gleichzeitig auf Abschreckung und politischen Dialog. Dieser Ansatz sei „nicht überlebensfähig“. Die Nato müsse sich entscheiden, was für ein Verhältnis mit Russland sie haben wolle. Trotzdem signalisierte Gruschko Gesprächsbereitschaft. „Wir haben eine Menge Meinungsunterschiede, aber das sollte uns nicht davon abhalten, miteinander zu sprechen. Das gehört zu den Grundprinzipien des Nato-Russland-Rates.“ Damit überging Gruschko natürlich die russische Invasion der Krim und den russischen Krieg in der Ostukraine, beides klare Völkerrechtsbrüche. Und beides ist die alleinige Ursache für die Reaktion der Nato. Denn nicht zu Unrecht befürchten gerade osteuropäische Nato-Staaten mit russischen Minderheiten, dass auch bei ihnen das schon in der Sowjetzeit (in ähnlicher Form etwa in Afghanistan 1979) gepflegte Prinzip „Unsere Brüder rufen nach russischer Hilfe“ zum Einsatz kommt. Schließlich hatte Russland seinen Krieg gegen die Ukraine (wie auch schon in Georgien) vorgeblich damit begründet, man müsse die Russen dort schützen. In Wahrheit ging es schlicht und einfach um einen Angriffs- und Eroberungskrieg gegen diese eigenständigen Länder sowie darum, deren Westbindung und Nato-Erweiterung zu unterbinden.

Die USA und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warfen den russischen Streitkräften zudem „unprofessionelles“ und „gefährliches“ Verhalten vor. Sie bezogen sich dabei darauf, dass russische Kampfflugzeuge im Tiefstflug über ein US-Kriegsschiff hinweggedonnert waren, das etwa 70 Kilometer vor einem russischen Marinestützpunkt kreuzte.

CDU will Sanktionen aufheben

In Deutschland warnte der Unionsfraktionsvize Franz-Josef Jung (CDU) vor zu hohen Erwartungen an das Treffen.

Das ist zwar ein wichtiges Zeichen, aber noch nicht der Neuanfang in den Beziehungen zu Russland.

Franz-Josef Jung (CDU), ehemaliger Verteidigungsminister

Ein Neustart sei nur Schritt für Schritt möglich, sagte der frühere Verteidigungsminister der Neuen Osnabrücker Zeitung. Entscheidend dafür sei die Aufhebung der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Sanktionen der EU gegen Russland, sagte Jung. Das Land brauche die EU dringend als Handels- und Investitionspartner, aber auch die EU habe ein Interesse an einem Ende der Sanktionen. Bedingung dafür sei allerdings die Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedung des seit 2014 in der Ost-Ukraine herrschenden Kriegs.

Vertrauen durch Dialog

Auf die Sitzung des sogenannten Nato-Russland-Rates hatten sich beide Seiten vor rund zwei Wochen geeinigt. Das Dialogformat gilt dennoch als das wichtigste zwischen dem Westen und Moskau. Der Nato-Russland-Rat war 2002 gegründet worden, um Vertrauen zwischen den Konfliktparteien des Kalten Kriegs aufzubauen. Seit Juni 2014 lag der Dialog aber wegen des Ukraine-Konflikts auf Eis.

Seehofer setzt auf Gespräche

Auch Ministerpräsident Horst Seehofer setzt auf Vertrauen durch Dialog. So reiste er Anfang Februar 2016 zu Gesprächen nach Moskau. Der CSU-Vorsitzende unterstrich mit der Reise nach Moskau seinen Willen, den Kampf gegen den Terrorismus, der den Westen und Russland gleichermaßen bedroht, weiter zu intensivieren. Mehr dazu lesen Sie im Gastbeitrag: „Es geht um Syrien, Sicherheit und Sanktionen„.

Berlin kämpfte für Treffen

Für die Wiederbelebung des Nato-Russland-Rates hatte sich vor allem die Bundesregierung eingesetzt. Vor allem osteuropäische Partner sehen die neuen Gespräche allerdings kritisch. Ihnen wurde deswegen versprochen, dass es bis zur Lösung der Ukraine-Krise keine Rückkehr zu Normalität in den Beziehungen zu Russland geben werde. Die praktische militärische Zusammenarbeit mit Russland soll ausgesetzt bleiben.

(dpa/AS/avd)