Ab Mittwoch hat Wladimir Putin für zwei Tage Besuch von Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: imago/ZUMA Press
Seehofer trifft Putin

Es geht um Syrien, Sicherheit und Sanktionen

Gastbeitrag Der Bayerische Ministerpräsident steht bei seinem geplanten Besuch in Moskaus vor einer schwierigen diplomatischen Mission. Die Krise in der Ukraine belastet die deutsch-russischen Beziehungen nach wie vor stark. Anknüpfungspunkt für eine intensivere Zusammenarbeit könnte der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus sein.

Horst Seehofers für Anfang Februar geplanter Besuch in Moskau kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Gut unterrichtete Kreise sprechen davon, dass dem Kreml in den letzten Monaten seine nachteilige Situation im Zuge der Ukraine-Politik bewusst geworden sei und deshalb ein leichtes Umdenken stattgefunden habe. Der Kampf gegen den Terrorismus werde als ein Thema gesehen, über das Russland und der Westen wieder ins Gespräch kommen könnten.

Treffen zweier hochrangiger Politiker

Seehofer wird mit Wladimir Putin einen international herausragenden Staatschef treffen, ohne den sich grundlegende Fragen der Weltpolitik nicht lösen lassen. Ein zielgerichteter Beitrag des Kremlchefs zu einer Regelung des Bürgerkriegs in Syrien würde Bayern nützen. Denn gerade den Freistaat und seine Kommunen betrifft die Flüchtlingskrise, die durch den bewaffneten Konflikt verschärft wurde, besonders stark.

Der CSU-Vorsitzende unterstreicht mit der Reise nach Moskau seinen Willen, den Kampf gegen den Terrorismus, der den Westen und Russland gleichermaßen bedroht, weiter zu intensivieren. Dafür besteht eine dringende Notwendigkeit, wie der Abschuss eines russischen Militärjets durch die Türkei im November belegt. Dieses Beispiel veranschaulicht das Eskalationspotential einer fehlenden Koordinierung der Militäreinsätze des US-geführten Bündnisses und der russischen Seite.

Für den Kreml spielt eine große Rolle, dass der Westen sich gründlich mit der Interessenlage Russlands befasst. An erster Stelle steht für Moskau die Bekämpfung des Terrorismus. Sicherheitsexperten sprechen von über 4.000 IS-Kämpfern mit russischem Pass.

Syrien als einer der wichtigen Punkte

Daneben tobt zwischen den USA und der Russischen Föderation ein Streit über grundlegende Fragen der internationalen Ordnung. Moskau wirft Washington vor, missliebige Regierungen bei Bedarf und nach Belieben ohne Wahlen auszutauschen, was stets zu Chaos geführt habe. In diesem Zusammenhang möchte Russland ein zweites „libysches Szenario“ auf jeden Fall vermeiden: 2011 verzichtete der damalige Staatspräsident Dmitrij Medwedew auf ein Veto im UN-Sicherheitsrat und ließ damit die Einrichtung einer Flugverbotszone durch den Westen zu. In der Folge haben aus der Sicht des Kremls die USA und ihre Verbündeten den rechtlichen Rahmen überdehnt, Muammar al-Gaddafi gestürzt und Russland düpiert. Ein Machtwechsel in Syrien kommt für den Kreml deshalb nur auf der Grundlage von Wahlen in Betracht.

Indem Horst Seehofer den Austausch mit Wladimir Putin über den Kampf gegen den Terrorismus verstärkt, schafft er auch eine Grundlage dafür, den Dialog über die Ukraine-Krise ohne Aufgabe westlicher Positionen auf eine konstruktivere Ebene zu bringen. Einen Fortschritt bei der Regelung des Konflikts in der Ostukraine brachte zwar die Unterzeichnung des Minsk-2-Abkommens vor einem Jahr. Die vereinbarte Waffenruhe hielt im Herbst 2014 weitgehend. Allerdings bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Seite dafür verantwortlich ist, dass der mehrstufige Friedensprozess auf der Stelle tritt.

Putins Vorgehen weckte sowohl in Polen als auch im Baltikum alte Ängste vor dem großen Nachbarn im Osten.

Keine Annäherung gibt es bezüglich der Krim-Problematik. Für den Westen handelt es sich um eine Annexion, also einen aggressiven Akt von Seiten Moskaus. Russland spricht von einer freien Meinungsäußerung der Krim-Bewohner im Rahmen einer Volksabstimmung. Dass die Durchführung des Referendums durch russische Spezialkräfte ohne Zustimmung Kiews auf ukrainischem Staatsgebiet abgesichert wurde, findet Moskau gerechtfertigt.

Mit dieser Politik brachte Staatspräsident Wladimir Putin Russland international in eine Teilisolation. Sein Vorgehen weckte sowohl in Polen als auch im Baltikum alte Ängste vor dem großen Nachbarn im Osten. Gerade in Estland, Lettland und Litauen fürchtet man, dass Russland auch dort russisch-ethnische Minderheiten in seinem Sinne instrumentalisieren könnte. Diese Besorgnis teilen mit Weißrussland und Kasachstan sogar die engsten Verbündeten Moskaus. Problematisch ist, dass der Kreml keine Anstalten macht, diese Stimmungslage ernst zu nehmen, um die Situation zu beruhigen.

Blick über der Tellerrand

Polen und Balten müssen es vielmehr als bedrohliche Provokation empfinden, dass Russland das geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes gegenwärtig verteidigt. Infolge dieser Vereinbarung erlebte Polen 1941 seine 4. Teilung, und die drei baltischen Länder verschwanden von der Landkarte. Deshalb fordern insbesondere diese NATO-Mitgliedsstaaten militärische Garantien. Moskau wiederum erachtet an seinen Grenzen stationierte Truppen eindeutig als Gefahr für seine nationale Sicherheit – ein verhängnisvoller Teufelskreis mit Eskalationspotential.

Dennoch wird Russland sein wesentliches strategisches Ziel weiterhin verfolgen: die unbedingte Verhinderung eines NATO- Beitritts der Ukraine. Das Territorium seines Nachbarstaats betrachtet Moskau als seinen Vorhof. Die Menschen in Russland haben im Bewusstsein, dass die letzten Überfälle auf ihr Land – 1812 und 1941 – vom Westen her erfolgten, also auch und gerade durch ukrainisches Gebiet. Unter anderem daraus resultiert das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis Moskaus.

Aus diesem Grund verfolgte der Kreml die Ereignisse auf dem Maidan vor zwei Jahren mit größter Aufmerksamkeit, als damalige Oppositionsführer, die heute das Land regieren, offen mit einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine liebäugelten. Für den Westen dürfte zwischenzeitlich deutlich geworden sein, dass die freimütig an die neuen Machthaber in Kiew ausgeteilten Vorschusslorbeeren nicht die erhofften Änderungen gebracht haben. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Korruption blüht unverändert, und der Ton in der innenpolitischen Auseinandersetzung wird schärfer.

Gleichzeitig geben die Sanktionen Wladimir Putin ein starkes Argument für die Erklärung der spürbaren Wirtschaftskrise an die Hand.

Gleichzeitig hängt von der Ukraine viel ab: Auch sie muss wesentliche Teile des Minsk-2-Abkommens erfüllen. Somit haben radikale Kräfte in Kiew einen Hebel, den Prozess zu torpedieren. Problematisch daran ist, dass die Europäische Union erst dann die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufheben möchte, sobald Minsk-2 erfüllt sein wird. Deshalb muss exakt geprüft werden, wer den Regelungen nachkommt und wer sie verletzt. Ein de-facto-Vetorecht für die Ukraine, was die Aufhebung der EU-Sanktionen betrifft, wäre Wasser auf die Mühlen der Falken in Moskau. Sie nutzen schon jetzt erfolgreich die westlichen Sanktionen, um eine Wagenburgstimmung zu schaffen. Gleichzeitig geben die Sanktionen Wladimir Putin ein starkes Argument für die Erklärung der spürbaren Wirtschaftskrise an die Hand. Zudem sind sie der Aufhänger für die russischen Gegensanktionen, welche insbesondere der bayerischen Wirtschaft und Landwirtschaft Schaden zufügen.

Seehofers Russland-Reise ist daher eine gute Gelegenheit, um über die Perspektiven der gegenseitigen Sanktionspolitik zu sprechen. Denn selbstverständlich geht es beim Besuch in Moskau auch darum, die trotz allem eng gebliebenen bayerisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zu pflegen. Für die Unternehmer und Landwirte aus dem Freistaat kommt es darauf an, möglichst schnell wieder ins Geschäft zu kommen und sich daneben eine gute Ausgangslage für den Aufschwung nach der Wirtschaftskrise in Russland zu verschaffen. Ob dies gelingt, hängt bei einer Staatsquote von 70 Prozent wesentlich vom politischen Willen im Kreml ab.