Bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten in Österreich zeichnet sich eine politische Richtungsentscheidung ab. Wenige Tage vor der Abstimmung kristallisieren sich in den Umfragen zwei Favoriten heraus: Der frühere Chef der österreichischen Grünen, Alexander van der Bellen, und der Kandidat der Freiheitlichen Partei (FPÖ), Norbert Hofer. Dem interessierten Beobachter fällt sofort auf: Keiner der beiden Kandidaten stammt aus dem Lager der Volksparteien ÖVP und SPÖ – also nicht aus den Parteien, die in Wien die Regierung bilden.
Seit Jahrzehnten schon besteht die österreichische Bundesregierung zumeist aus ÖVP und SPÖ – mit jeweils wechselnden Mehrheiten und Bundeskanzlern aus verschiedenen Lagern. Meinungsforscher berichten seit Langem schon von einer immer größer werdenden Frustration der Österreicher mit dieser Situation – zwar ist das Land wirtschaftlich erfolgreich und auf einem guten Weg“, wie SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann bei jeder Gelegenheit betont. Dennoch: Die Wahlergebnisse anderer Parteien auf Länderebene – allen voran der rechtspopulistischen FPÖ sowie der Grünen – scheinen sich jetzt auch bei der Entscheidung über ein neues Staatsoberhaupt zu wiederholen. Denn weder der Kandidat der ÖVP, Andreas Khol, noch der Sozialdemokrat Rudolf Hundstorfer haben jüngsten Umfragen zufolge Chancen auf das Bundespräsidentenamt.
Nur ein Kandidat jünger als 60
Stattdessen zeichnet sich am kommenden Sonntag eine Stichwahl zwischen FPÖ-Mann Hofer und dem Grünen van der Bellen ab. Van der Bellen, langjähriger Vorsitzender seiner Partei, tritt zwar offiziell als unabhängiger Kandidat an, wird aber von den Grünen unterstützt. Hofer ist bislang dritter Nationalratspräsident in Wien – und der einzige aller Kandidaten unter 60 Jahren. Ende Mai könnte die Stichwahl zwischen den beiden stattfinden – vorausgesetzt, die jüngsten Umfragen bestätigen sich auch in der Wahlkabine. Dort liegt Alexander van der Bellen mit 25 Prozent vorne, gefolgt von Norbert Hofer mit 24 Prozent. Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss (69), ehemals oberste Richterin des Landes, kommt auf 22 Prozent und könnte eine grün-blaue Stichwahl doch noch verhindern. Es folgen ÖVP-Mann Khol und SPÖ-Kandidat Hundstorfer. Abgeschlagenes Schlusslicht ist der frühere Wiener Bauunternehmer und Trash-TV-Promi Richard Lugner.
Gravierender Unterschied zum deutschen Amtskollegen
Wie sein deutscher Amtskollege hat auch der österreichische Bundespräsident in erster Linie repräsentative Aufgaben. Einen gravierenden Unterschied gibt es aber doch: In der Alpenrepublik beauftragt der Bundespräsident die Parteien mit der Regierungsbildung.
Weder van der Bellen noch Hofer sind typisch für ihre jeweiligen politischen Lager. Im Gegensatz zu seinem höchst umstrittenen Parteichef H.C. Strache betont FPÖ-Kandidat Hofer stets seinen Willen zum Konsens – er wolle „verbinden und nicht spalten“, teilte Hofer mit. Der seit einem Flugunfall körperbehinderte Luftfahrtingenieur will jedoch beim Thema Flüchtlinge „knallhart“ sein und gilt als programmatischer Kopf der Partei.
Van der Bellen dagegen tritt als unabhängiger Kandidat an und konnte neben seiner eigenen grünen Partei auch Unterstützer bei den NEOS gewinnen – dort teilen sich die Unterstützer zwischen Van der Bellen und Irmgard Griss auf. Einen FPÖ-Kanzler würde er nicht vereidigen, versprach van der Bellen.
Die mögliche Stichwahl zwischen den beiden sich in tiefer Abneigung verbundenen Kandidaten dürfte jedenfalls mit harten Bandagen geführt werden.
Ende der „ewigen Koalition“?
Den traditionellen Volksparteien in Österreich droht an diesem Sonntag also ein Debakel. Sollte tatsächlich keiner der Kandidaten zumindest in die Stichwahl kommen, könnte dies, so mutmaßen mehrere österreichische Zeitungen, sogar eine Regierungskrise auslösen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die sich von der Wahl eine erzwungene Öffnung von ÖVP und SPÖ für andere Bündnisse – etwa schwarz-grün oder rot-grün – erhoffen, und damit das Ende der mit wenigen Ausnahmen immerfort regierenden Großen Koalitionen in Wien eingeleitet wird.