Sonnenuntergang in Istanbul: Die Türkei ist gespalten. (Bild: Fotolia/Dario Bajurin)
Türkei

Anschlagswarnung in Ankara

Die deutschen Vertretungen in der Türkei sind wegen konkreter und sehr ernstzunehmender Hinweise auf geplante Terroranschläge geschlossen worden. Auch die deutschen Schulen und Kultureinrichtungen blieben zu. Die Sicherheitslage in der Türkei wird zunehmend instabil. Schuld daran hat auch Staatspräsident Recep Erdogan.

„Gestern Abend erreichten unsere Sicherheitsbehörden einige sehr konkrete und sehr ernstzunehmende Hinweise, dass terroristische Attentate gegen unsere deutschen Vertretungen innerhalb der Türkei vorbereitet seien“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Berlin. Steinmeier hatte danach entschieden, dass die Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul geschlossen bleiben. Auch die Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung öffneten nicht. Im Goethe-Institut im Zentrum Istanbuls wurde am Donnerstag wegen des Terroralarms der laufende Deutsch-Unterricht abgebrochen. Das deutsche Kulturinstitut, das nahe der Istiklal Caddesi in der Innenstadt seinen Sitz hat, schloss vorübergehend. In der Mitteilung hieß es weiter: „Bitte meiden Sie die Umgebung des Generalkonsulats.“ Die diplomatische Vertretung liegt in der Nähe des Taksim-Platzes. Die deutsche Schule ist etwa eineinhalb Kilometer Luftlinie entfernt an der Fußgängerzone Istiklal Caddesi. Es handele sich um einen „nicht abschließend überprüfbaren Warnhinweis“, teilte das Generalkonsulat in der türkischen Wirtschaftsmetropole in einer E-Mail an Bundesbürger mit.

Kritik vom Gouverneur

Der Istanbuler Gouverneur kritisierte die Schließung deutscher Einrichtungen. Die Maßnahmen würden die türkische Öffentlichkeit „negativ beeinflussen“, erklärte das Gouverneursamt nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA. Sie beruhten auf „nicht verifizierten Wahrnehmungen“ und seien getroffen worden, ohne die türkischen Behörden zu kontaktieren. Steinmeier sprach dagegen von einer „Vorsichtsmaßnahme“. Die Schutzvorkehrungen sollen jetzt erhöht werden. „Das war eine notwendige Maßnahme, weil der Schutz der deutschen Staatsbürger und der in den Einrichtungen arbeitenden und lernenden Menschen jetzt Vorrang haben muss“, sagte Steinmeier. Man werde jetzt versuchen, mehr Informationen über die Sicherheitslage der Türkei zu sammeln.

Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger, die Reisehinweise in den nächsten Tagen weiter sehr sorgfältig zu beachten.

Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister

Das Auswärtige Amt rät mittlerweile zu erhöhter Vorsicht in Istanbul, Ankara und anderen Großstädten der Türkei. Menschenansammlungen – auch auf öffentlichen Plätzen und vor Touristenattraktionen – sowie der Aufenthalt nahe Regierungs- und Militäreinrichtungen sollten gemieden werden. „Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger, die Reisehinweise in den nächsten Tagen weiter sehr sorgfältig zu beachten“, sagte Steinmeier.

Erdogan nutzt die Situation aus

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte am Mittwoch an, demokratische Werte nun dem Kampf gegen den Terrorismus unterordnen und Terroristen künftig mit der „Eisenfaust“ zu bekämpfen. Auch Presse- und Meinungsfreiheit müssten sich der Sicherheit unterordnen. Selbst Anwälte, Akademiker, Schriftsteller, Journalisten und Aktivisten könnten Terroristen sein, „wenn sie ihre Position oder ihren Stift zur Unterstützung des Terrorismus nutzen“. Darunter ist nach seinem Verständnis vermutlich jede regierungskritische Äußerung zu verstehen. In einer Rede im Fernsehen sagte Erdogan, Begriffe wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit hätten absolut „keinen Wert“ mehr. Das legt erneut den Verdacht nahe, dass er die Situation ausnutzen will, um die Türkei in eine AKP-geführte islamistische Halbdiktatur zu verwandeln. „Der, der im Kampf gegen den Terror auf unserer Seite steht, ist unser Freund. Der, der auf der anderen Seite steht, ist unser Feind“, beschrieb Erdogan sein Verständnis von Recht und Gesetz.

Dabei war er es, der die Geister rief, die er nun nicht mehr los wird. Zum einen ließ die Türkei die islamistische Barbarenmiliz Islamischer Staat (IS) im Nachbarland Syrien gewähren und unterband auch nicht deren Nachschub über die Türkei. Es gibt auch unbestätigte Berichte über türkische Waffenlieferungen an und Krankenhausbehandlungen für IS-Kämpfer. Zwei Journalisten waren wegen solcher Berichte bis vor Kurzem wegen „Spionage“ und „Landesverrat“ inhaftiert. Ihnen droht nach wie vor lebenslange Haft. Zum anderen brach Erdogan den Krieg gegen die zuvor jahrelang friedlichen Kurden nur deshalb vom Zaun, um die Parlamentswahlen zu gewinnen.

Anschläge in der Türkei häufen sich

In Istanbul hatte im Januar ein Selbstmordattentäter der in Syrien und im Irak kämpfenden Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zwölf deutsche Touristen mit in den Tod gerissen. In Ankara starben am Sonntag bei einem Anschlag 37 Menschen. Am Donnerstag bekannte sich die aus der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK hervorgegangene Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) zu dem Attentat in der türkischen Hauptstadt.

Die, die in der Türkei leben, sollen wissen, solange die faschistische Diktatur nicht dem Erdboden gleichgemacht wird, ist kein Menschenleben sicher.

Erklärung der TAK

Die Tat sei eine Vergeltung für die „Massaker in Kurdistan“, teilte die Gruppe auf ihrer Website mit und kündigte neue Anschläge an. „Die, die in der Türkei leben, sollen wissen, solange die faschistische Diktatur nicht dem Erdboden gleichgemacht wird, ist kein Menschenleben sicher“, hieß es. Die Gruppe bedauerte, dass es zivile Opfer gebe. Der Anschlag habe eigentlich Sicherheitskräften gegolten. Da die Polizei jedoch „interveniert“ habe, seien Zivilisten getroffen worden. Wie genau die Polizei interveniert haben soll, erklärte die Gruppe nicht. Bei dem Anschlag im Zentrum Ankaras starben hauptsächlich Zivilisten. Die türkische Regierung hatte die PKK und deren bewaffneten syrischen Ableger YPG dafür verantwortlich gemacht. Die TAK bestritt in ihrem Bekennerschreiben aber Verbindungen der Selbstmordattentäterin nach Syrien.

Die TAK

ging 2004 aus der PKK hervor und verübte Anschläge in den Städten. Die Gruppe hatte sich zuletzt im Februar zu einem Anschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara bekannt sowie Ende vergangenen Jahres zu einem Mörserangriff auf den Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen.