Putins neue Strategie
Auch wenn Russland einen Teil seiner Soldaten aus Syrien abzieht, bleibt seine Militärpräsenz "klein, aber sehr wirkungsvoll", wie Putin sagte. Die Opposition ist daher skeptisch: Erst wenn Russland seine Luftangriffe stoppt, würde sich die Lage ändern. Gleichzeitig sieht UN-Sondervermittler Staffan de Mistura die neuen Syrien-Friedensgespräche in Genf auf einen "Moment der Wahrheit" zusteuern.
Syrien

Putins neue Strategie

Auch wenn Russland einen Teil seiner Soldaten aus Syrien abzieht, bleibt seine Militärpräsenz "klein, aber sehr wirkungsvoll", wie Putin sagte. Die Opposition ist daher skeptisch: Erst wenn Russland seine Luftangriffe stoppt, würde sich die Lage ändern. Gleichzeitig sieht UN-Sondervermittler Staffan de Mistura die neuen Syrien-Friedensgespräche in Genf auf einen "Moment der Wahrheit" zusteuern.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen Teilabzug von Soldaten aus dem Bürgerkriegsland Syrien angeordnet. „Die Aufgabe, die dem Verteidigungsministerium und den Streitkräften gestellt war, ist im Großen und Ganzen erfüllt“, sagte Putin in Moskau. Die russischen Luftangriffe in Syrien werden nicht automatisch beendet, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow klarstellte. Details und Zeitrahmen des Teilabzuges werden nach seinen Worten vom Verteidigungsministerium festgelegt. Putin habe seine Entscheidung mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad abgestimmt. Assad habe eingewilligt. Moskau ist einer der letzten verbliebenen engen Partner des Regimes in Damaskus. Exakte Zahlen zur russischen Militärpräsenz in Syrien hält der Kreml geheim.

Russland will mit USA zusammenarbeiten

US-Präsident Barack Obama begrüßte in einem Telefonat mit Putin den Rückgang der Gewalt in Syrien seit Beginn der Waffenruhe, hieß es in der Mitteilung des Weißen Hauses. Er habe jedoch auch deutlich gemacht, dass syrische Regimetruppen die Vereinbarung immer wieder unterliefen. Putin sprach sich nach Kreml-Angaben für eine enge Zusammenarbeit beider Länder bei der Beilegung des Syrienkonflikts aus. Obama betonte, dass ein politischer Wandlungsprozess notwendig sei, um die Gewalt zu beenden. Beide unterstrichen die Wichtigkeit von humanitären Hilfslieferungen zur Versorgung der Bedürftigen in Syrien.

Teilabzug ist strategischer Schritt

Vertreter der syrischen Opposition reagierten zurückhaltend. „Wir ‎müssen abwarten, wie umfassend der Abzug und was der zeitliche Rahmen ist“, sagte Monzer Machus, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Opposition. „Russische Bodentruppen sind nicht entscheidend, weil es die nicht wirklich in Syrien ‎gibt.“ Die Lage in Syrien würde sich aber von Grund auf ändern, wenn Russland seine Luftangriffe stoppen würde. Der russische Militärexperte Jewgeni Mintschenko bezeichnete den Teilabzug als klugen strategischen Schritt des Kremls. „Putin hat sein wichtigstes Ziel (in Syrien) erreicht und will sich nicht in einen langwierigen bewaffneten Konflikt ziehen lassen. Außerdem gibt es weiter genug Möglichkeiten für die russische Armee – etwa Raketenschläge vom Kaspischen Meer aus“, sagte Mintschenko.

„Militärpräsenz bleibt klein, aber wirkungsvoll“

So werden der russische Stützpunkt (Tartus) und der Flugplatz in Hmeimim (bei Latakia) weiter funktionieren. „Sie sollen zuverlässig geschützt werden“, betonte Putin. Russlands Militärpräsenz sei „klein, aber sehr wirkungsvoll“. Er hoffe, dass die Entscheidung für alle Seiten ein Signal sei und das Vertrauen für eine friedliche Lösung des Konflikts erhöhe, sagte er bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Der einzige Plan B, der zur Verfügung steht, besteht in der Rückkehr zum Krieg – und zwar schlimmer als bisher.

Staffan de Mistura, UN-Sondervermittler

Putin meinte der Agentur Interfax zufolge, Russland sei es mit seinem Einsatz in dem Bürgerkriegsland gelungen, einen Durchbruch im Kampf gegen den Terror zu erzielen. Nun wolle Moskau eine noch größere Rolle im Friedensprozess einnehmen.

Russland spricht von „erfolgreicher Mission“

Nach Angaben des Kremls richten sich die russischen Luftangriffe nur gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die Al-Nusra-Front und andere Terrorgruppen. Der Westen wirft aber Moskau vor, auch gemäßigte Rebellen ins Visier zu nehmen. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sprach von einer erfolgreichen Mission in Syrien. Die russische Armee habe in Syrien allein etwa 2000 Kämpfer getötet, die aus Russland zum Kampf in das Bürgerkriegsland gekommen seien. Darunter seien 17 wichtige Befehlshaber von Terrororganisationen gewesen, sagte der Verteidigungsminister. Der Kreml hatte den Militäreinsatz an der Seite von Assad unter anderem damit begründet, die Rückkehr extremistischer Kämpfer aus Syrien nach Russland zu verhindern.

Syrien-Gespräche in Genf

Vertreter der syrischen Opposition haben sich in Genf zu Friedensgesprächen getroffen. Nach fünf Jahren Bürgerkrieg steuern sie nach den Worten von UN-Sondervermittler Staffan de Mistura auf einen „Moment der Wahrheit“ zu. Er sehe keine Alternative zu einer Verhandlungslösung, sagte De Mistura in Genf, wo er sich zum Auftakt der neuen Gesprächsrunde mit einer Delegation der Regierung traf. „Der einzige Plan B, der zur Verfügung steht, besteht in der Rückkehr zum Krieg – und zwar schlimmer als bisher“, erklärte der Diplomat.

Alles hängt am seidenen Faden. Die Lage kann jederzeit wieder explodieren.

Frank-Walter Steinmeier, Außenminister

Die neue Gesprächsrunde fällt mit dem fünften Jahrestag des Konflikts zusammen, der am 15. März 2011 mit Demonstrationen in der Hauptstadt Damaskus und anderenorts begonnen hatte. Das Regime ging damals mit Gewalt gegen Proteste vor. Mittlerweile sind in dem Bürgerkrieg nach UN-Angaben mindestens 250.000 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als elf Millionen Syrer wurden vertrieben.

Wohin mit Machthaber al-Assad?

De Mistura will mit den Kriegsparteien – zunächst in getrennten Treffen – über eine Übergangsregierung, eine neue Verfassung sowie Wahlen innerhalb von 18 Monaten verhandeln. Mittlerweile gilt seit mehr als zwei Wochen eine Waffenruhe, die trotz Verstößen weitgehend hält. Umstritten ist zwischen den Konfliktparteien vor allem das Schicksal von Präsident Baschar al-Assad. Die Opposition schließt jeden Kompromiss aus, der Assad an der Macht lässt. Die Regierung wiederum lehnt Gespräche über einen Abtritt des Machthabers ab.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte das Regime und die Opposition zu „ernsthaften Verhandlungen“ auf. Auch nach mehr als zwei Wochen Feuerpause sei die Lage in Syrien „höchst fragil“, sagte Steinmeier der Deutschen Presse-Agentur. „Alles hängt am seidenen Faden. Die Lage kann jederzeit wieder explodieren.“

De Mistura erklärte, er hoffe, dass beide Seiten echten Willen zu einer Verhandlungslösung erkennen ließen. Andernfalls werde er den Auftrag zu Bemühungen um Frieden für Syrien „an die Mächte mit Einfluss“ zurückgeben müssen, vor allem Russland, die USA und den UN-Sicherheitsrat. Der UN-Vermittler plant zunächst drei weitere Gesprächsrunden. Die erste soll ihm zufolge etwa bis zum 24. März dauern. Anschließend soll es eine rund zehntägige Pause geben.

(dpa/AS)