Keine Angst vor klaren Aussagen: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). (Foto: Eibner Europa/imago)
Flüchtlingskrise

Österreichs Außenminister will „Durchwinken“ beenden

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat die deutsche Bundesregierung massiv kritisiert. Die Öffnung der Grenzen im Sommer 2015 sei ein „schwerer Fehler“ gewesen, sagte Kurz. Dass die Migranten jetzt im sicheren Griechenland demonstrierten, um nach Mazedonien, also in ein Nicht-EU-Land zu kommen, nannte Kurz „absurd“. Da gehe es offensichtlich nur um eine bessere ökonomische Zukunft.

Trotz aller Kritik an der Sperrung der Balkanroute für Flüchtlinge und der neuerdings streng begrenzten Aufnahme von Asylbewerbern von Weiten der Wiener Regierung besteht Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) weiter auf dem Ende der Politik des „Durchwinkens“. Die Öffnung der Grenzen im Sommer 2015 für Migranten auf dem Weg nach Mitteleuropa sei ein „schwerer Fehler“ gewesen, der nun schnellstens korrigiert werden müsse, sagte Kurz in einem Interview der Süddeutschen Zeitung.

Als „absurd“ bezeichnete er, dass Migranten an der Grenze zu Mazedonien demonstrierten, um von einem EU-Land in ein Nicht-EU-Land zu kommen. „Wir müssen doch ehrlich aussprechen, dass es hier nicht um die Suche nach Schutz geht, sondern um die Suche nach einer besseren ökonomischen Zukunft. Das ist menschlich verständlich, aber wir können das nicht bieten.“

Es ist moralisch nicht hochwertiger, wenn die Flüchtlinge in der Türkei aufgehalten werden, als wenn man sie in Griechenland oder in Mazedonien aufhält.

Sebastian Kurz, österreichischer Außenminister (ÖVP)

„Es gibt nur zwei Wege: Wir lassen die Menschen durch, oder wir stoppen sie“, sagte Kurz. In Anspielung auf Kritiker wie den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der die Gewalt an der griechisch-mazedonischen Grenze als Beweis dafür gewertet hatte, dass „eigene nationale Wege nicht zur Lösung führen“, stellte Kurz die Frage, wie „das in der Türkei ablaufen wird“. Kurz sagte: „Menschen werden mit Polizeigewalt aufgehalten werden müssen, das wird nur weiter entfernt von uns passieren, wo vielleicht nicht so viele TV-Kameras präsent sind.“

Mit Blick auf die von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) angestrebte Lösung, dass die Türkei die Flüchtlinge gewaltsam im Land hält und diese dann per EU-Quote verteilt werden, sagte Kurz: „Es ist moralisch nicht hochwertiger, wenn die Flüchtlinge in der Türkei aufgehalten werden, als wenn man sie in Griechenland oder in Mazedonien aufhält. Für die Flüchtlinge bedeutet es das Gleiche, nämlich dass sie nicht nach Mitteleuropa durchkommen.“

„Die Kritik trifft die Falschen“

Kurz bot Griechenland Unterstützung in der Flüchtlingskrise an, bekräftigte aber auch die Kritik an Athen. „Wir Österreicher haben ohne internationale Hilfe 100.000 Leute untergebracht. In ganz Griechenland sind derzeit 25.000 Menschen, obwohl die Bilder anderes suggerieren.“ Daher gebe es in Österreich „ein starkes Bewusstsein dafür, dass die Kritik die Falschen trifft“.

Kurz verteidigte auch die Entscheidung, Griechenland nicht an der Wiener Westbalkankonferenz zu beteiligen. Der griechische Außenminister habe noch vor drei Wochen bei einem Treffen mit seinen Kollegen der Balkanroute betont, „er wolle nicht bei einer Konferenz dabei sein, wo es darum geht, den Zustrom zu reduzieren“, sagte Kurz. „Wir wussten: Wenn wir einen Beschluss zustande bringen wollen, ist es sinnvoll, sich mit den Staaten abzustimmen, die an einem Strang ziehen.“

Durchwinken ist der falsche Weg

Der österreichische Außenminister bekräftigte die Forderung nach einer europäischen Lösung. „Wir arbeiten daran, dass Griechenland mit EU-Hilfe Hotspots baut, um dort die Menschen zu versorgen – und machen Druck, weil das nicht passiert“, sagte er. „Aber ich bin überzeugt, dass das Durchwinken der Flüchtlinge der falsche Weg ist.“

Es könne nicht sein, „dass die, die es bis nach Griechenland schaffen, automatisch weiterreisen dürfen“, betonte Kurz. Je schneller man das Durchwinken nach Norden beende, desto eher werde der Flüchtlingsstrom abreißen, „weil die Leute sich nicht auf den Weg machen, um in einem Lager in Lesbos zu leben, sondern um ihre Wohnung in Berlin zu beziehen“.

dpa/APA/wog