Griechenland sucht den Schulterschluss mit Moskau - doch die fundamentalen Probleme lösen sich davon auch nicht. Bild: Fotolia, Jenifoto
Kommentar

Rückenwind aus dem Osten

Kommentar Wenn Alexis Tsipras am 8. April nach Moskau fährt, geht es natürlich auch darum, die EU unter Druck zu setzen. Und vielleicht bekommt der griechische Premier auch seinen Kredit. Doch dahinter steckt noch mehr: Gehört Griechenland überhaupt noch zum Westen? Es gibt Gründe, daran zu zweifeln.

Wenn der griechische Premier Alexis Tsipras am 8. April nach Moskau fährt, geht es natürlich auch darum, die EU unter Druck zu setzen. Seht her, wenn ihr nicht wollt, dann werfe ich mich halt Russlands Diktator Putin zu Füßen. Es geht um billigeres Erdgas für Griechenland, das zwei Drittel davon aus Russland bezieht, um die Aufhebung des Importstopps für griechisches Obst. Und vielleicht spendiert Putin ja einen Kredit. Aber dahinter steckt mehr. Die Bankenkrise, der harte Sparkurs und die Rezession haben viele Griechen von Europa entfremdet. Traditionell unterhalten Griechen und Russen ohnehin gute Beziehungen, schon wegen der gemeinsamen orthodoxen Religion. Und laut Umfragen haben nur noch 23 Prozent der Griechen positive Gefühle für die EU, aber 63 Prozent für Russland. Viele führende Politiker der neuen Regierung stammen zudem aus der einst sowjettreuen griechischen KP, darunter Tsipras und sein Außenminister Nikos Kotzias. Tsipras selbst hatte im Mai 2014 die EU-Sanktionen gegen Russland scharf verurteilt.

Und von russischer Seite sind seit längerem die Versuche zu beobachten, die EU und die NATO zu spalten. Russische Unterstützung nicht nur finanzieller Art und gute Beziehungen gibt es zu Ungarns Regierungspartei Fidesz, zu Österreichs FPÖ, zu Frankreichs Front National, zu Tsipras Partei Syriza und auch zum klammen Zypern. Der Grund liegt klar auf der Hand: Die beschenkten Länder und die meist populistischen Parteien sollen Einfluss auf die EU-Sanktionen nehmen, möglichst bei der nächsten Abstimmung ein Veto ihres Landes einlegen. Sie sollen ein gemeinsames Handeln der EU und der NATO unmöglich machen sowie das Ansehen insbesondere der EU und der europäischen Idee beschädigen.

Tsipras wollte die „Menschen befreien“ vom menschenfeindlichen Kapitalismus. Dafür wirft er sich jetzt dem Unterdrücker und Kriegstreiber Putin an den Hals.

Andreas von Delhaes-Guenther

Gehört Griechenland überhaupt noch zum Westen? Schon die genannte Umfrage lässt hier Unheil befürchten. Und seit dem Amtsantritt des neuen Premiers Alexis Tsipras muss man daran starke Zweifel haben. Wie anders sind die seltsam untauglichen Versuche zu erklären, den EU-Partnern die gewünschte Reformliste vorzulegen? Mit fehlender Professionalität ist das kaum noch zu begründen. Prominente Politiker des Linksbündnisses Syriza forderten vor der Wahl den Austritt Griechenlands aus EU und NATO – und wollen das vermutlich immer noch, auch wenn sie es nicht mehr so laut sagen. Tsipras wollte die „Menschen befreien“ vom menschenfeindlichen Kapitalismus. Dafür wirft er sich jetzt dem Unterdrücker und Kriegstreiber Putin an den Hals. Für linke Politiker sind Umarmungen von Diktatoren zwar generell nie ein Problem gewesen. Aber ist das wirklich die Würde, die Griechenland zurückerlangen wollte?